Der Kampf um Mariupol: Es geht um die Existenz der Ukraine
Russland fordert die ukrainische Stadt Mariupol zur Kapitulation auf – vergeblich: Sie steht inzwischen für den erfolgreichen ukrainischen Widerstand.
Doch eine Annäherung ist nicht in Sicht. Offiziell verlangt Russland von der Ukraine unter anderem eine Neutralitätserklärung, eine weitreichende Demilitarisierung und einen Verzicht auf die Krim und den Donbass; die Ukraine will Zusagen nur gegen bindende Sicherheitsgarantien abgeben. Auf Twitter fasst ein Beobachter den Dissens einfacher zusammen: „Die Ukraine will ein Ende des Krieges – Russland will ein Ende der Ukraine.“
Am Sonntagabend hatte die ukrainische Seite eine russische Forderung abgelehnt, die belagerte und weitgehend zerstörte Stadt Mariupol möge kapitulieren. Wenn die ukrainischen Streitkräfte ihre Waffen niederlegen, würde Russland einen „humanitären Korridor“ nach Mariupol öffnen, hatte es aus Moskau geheißen; eine Frist bis Montag, 5 Uhr wurde gesetzt. „Von einer Kapitulation und einer Niederlegung der Waffen kann keine Rede sein“, hatte Vizepremierministerin Iryna Wereschtschuk noch am Sonntagabend dazu gesagt.
Das russische Angebot bedeutete im Umkehrschluss auch, dass die russischen Truppen keine humanitäre Hilfe nach Mariupol durchlassen, solange die Stadt weiterkämpft – eine Taktik des Aushungerns, wie Russland sie bereits in Syrien angewandt hat. Die Schlacht um Mariupiol hat aus ukrainischer Sicht aber auch einen militärischen Vorteil: Sie bindet einen erheblichen Teil der russischen Kampfkraft, die damit nicht an anderen Fronten zur Verfügung steht. Das russische Ziel, den gesamten Donbass zu erobern, ist unerreichbar, solange Mariupol nicht gefallen ist. Auch deswegen, nicht nur wegen der Situation in der Stadt, wird Mariupol jetzt zu einem Symbol dieses Krieges: Es steht für den erfolgreichen Widerstand der gesamten Ukraine.
Anderswo sind Russlands Truppen mittlerweile sogar in der Defensive. Aus Satellitenbildern geht hervor, dass sie nördlich von Kiew Verteidigungsstellungen errichten. Nur den Luftkrieg gegen zivile Ziele setzt Russland unvermindert fort.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen