: Der Ganz-Nahost-Konflikt
Linke Online-Zeitung veranstaltet Samstag im ehemaligen ND-Gebäude einen Palästinakongress. Linke Gruppen rufen zum Protest gegen die „potenziellen Judenmörder“ und für den Kommunismus
von PETER NOWAK
Im Nahen Osten hat sich die Lage in den letzten Tagen wieder zugespitzt, und auch in Berlin könnte der Nahostkonflikt unter den Linken am Wochenende wieder ausbrechen. Die verbale Aufrüstung zumindest ist seit einigen Tagen in vollem Gange. Anlass für die innerlinke Drohkulisse ist eine ganztägige Konferenz unter dem harmlos klingenden Titel „Zur aktuellen Lage im Nahen Osten“, zu der die Redaktion der Online-Zeitung Kalaschnikow am 28. September ins ehemalige Gebäude des Neuen Deutschlands nach Friedrichshain lädt.
Unter den angekündigten Referenten sind Wissenschaftler aus Ost- und Westdeutschland, die eher dem traditionslinken Spektrum zugeordnet werden können. Wie bei der Thematik nicht anders zu erwarten, sollen auch Experten aus dem arabischen Raum zu Wort kommen. Aus Israel allerdings wurde wohl kein Referent eingeladen. Doch zumindest kulinarisch soll auf der Konferenz für Ausgewogenheit gesorgt werden. Wird doch laut Veranstalter ein „palästinensisch/arabisch/israelisches Abendbrot“ angeboten.
Eine mehr oder weniger interessante Saalveranstaltung, könnte man meinen. Doch die Wellen schlagen hoch. Auf linken Internetseiten und in Szenekneipen zirkulieren Aufrufe, die zur Störung oder gar zur Verhinderung der Konferenz aufrufen. Geht es doch um den Nahostkonflikt, der zur Zeit die Restlinke polarisiert, wie kaum ein anderes Thema. Mit Vorwürfen und Anschuldigungen wird dabei nicht gespart. So heißt es in einem von der antideutschen Zeitung Bahamas verbreiteten Aufruf schlicht: „Am 28. 9. 02 im alten ND-Gebäude treffen sich potenzielle Judenmörder, Volkstumsspezialisten, Blut-und-Boden-Ideologen und romantische Antikapitalisten zu dem Zweck, antisemitische Angriffe zu legitimieren.“
Bei einer solchen Einschätzung ist es nur konsequent, dass die Bahamas gemeinsam mit weiteren antideutschen Gruppierungen unter dem Motto „Keinen Fußbreit dem Faschismus! Lang lebe Israel! Für den Kommunismus!“ um 10.30 Uhr zur Gegenkundgebung vor dem Konferenzort ruft. Als Anmelderin der Aktion fungiert die ehemals bündnisgrüne, jetzt parteilose Berliner Europaabgeordnete Ilka Schröder. Auch die Hummel-Antifa – eine antifaschistische Gruppe an der Humboldt-Universität – mobilisiert gegen die Konferenz, die als „Schnittstelle von Querfrontstrategie und Antisemitismus“ bezeichnet wird.
Überrascht über diese Reaktionen zeigte sich Kalschnikow-Herausgeber Stefan Pribnow: „Warum eigentlich protestieren Antifaschisten gegen Antifaschisten?“ Entschieden weist er die in den Aufrufen erhobenen Vorwürfe zurück, dass auf Kalaschnikow-Online für rechte Zeitungen geworben werde. Schließlich gebe es dort keinerlei Werbebanner. Im offenen Forum habe es zwar schon Postings aus rechter Ecke gegeben, doch dafür trage die Redaktion keinerlei Verantwortung.
Vielleicht werden sich die Konferenzveranstalter noch bei ihren Gegnern bedanken. Schließlich haben sie mit ihren Aufrufen unfreiwillig Werbung gemacht. Möglich auch, dass die Kritiker am Samstag noch länger unterwegs sind. Schließlich startet um 14 Uhr am Adenauerplatz unabhängig vom Kongress eine Demonstration unter dem Motto „Freiheit für Palästina“, zu der mehrere tausend Menschen, überwiegend aus dem arabischen Raum, erwartet werden.
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