: Der Fall "Der Fall Stradivari"
■ Radio Bremen akzeptiert Richterspruch - Sender verletzte Persönlichkeitsrechte
Am nächsten Montag hat 3sat eine Dokumentation im Programm, bei der schon der Titel von Spannendem kündet: „Der Fall Stradivari“. Ein Film, der selbst zum Fall geworden ist. Darum wird die Wiederholung des Radio-Bremen-Dokumentationsstücks über den Raubmord an einer Geigenlehrerin, das Ende Mai im Ersten gelaufen war, ohne zentrale Passagen auskommen müssen. Denn deren Ausstrahlung hatte das Hamburger Landgericht dem Sender in einer einstweiligen Verfügung untersagt. Grund: Der Film macht persönliche Details über einen Beschuldigten öffentlich.
Der Sender sprach vollmundig von einem Widerspruch gegen den Beschluß. Doch nun hat man beschlossen, sich dem Richterspruch zu beugen, wie die Rundfunkratsvorsitzende Roswitha Erlenwein in der vergangenen Woche vor dem Gremium sagte.
In dem Film geht es um eine bekannte Bremer Geigenlehrerin, die beim Sturz auf einer Bahnhofstreppe zu Tode kam. Da dabei die teure Violine geraubt wurde, verfolgte die Mordkommission den Fall. Der Film dokumentiert, wie die Kripo einen geständigen Täter festnahm. So weit, so harmlos. Doch vor der Kamera lassen sich Kripobeamte genüßlich über Details aus dem Strafregister aus. Dies war noch nicht einmal Thema des Verfahrens – der Anwalt des Täters verteidigt die Rechte seines Mandanten in dieser Hinsicht nicht.
Die Verfügung hatte der Anwalt eines Lieblingsschülers der Geigenlehrerin erwirkt, der im „Fall Stradivari“ nur als gewissenloser, grinsender Komplize gezeigt wird. Während er in U-Haft saß, durfte der RB bei der Hausdurchsuchung filmen, ein Kripoverhör wurde sogar vom Flur des Polizeihauses aus belauscht – und in einer peinlichen Passage auch gesendet.
Klarer Fall von Hausfriedensbruch und Verletzung des Rechts auf das eigene Wort, fand der Anwalt des Beschuldigten, und mit ihm das Gericht. Andere Passagen des Films monierte der Strafrechtsausschuß des Deutschen Anwaltsvereins. Etwa eine Szene, in der die Kamera bei der Obduktion der Geigenprofessorin ihre blutenden Gehirnteile abfilmt. Die Bremer Staatsanwaltschaft prüft nun auch, welche strafrechtliche Relevanz die Filmerlaubnis des Polizeipräsidenten hat. Disziplinarmaßnahmen gegen den Polizeichef hielt der Innensenator dagegen bisher nicht für erforderlich.
Der Fernsehchefredakteur von Radio Bremen, Michael Geyer, hat den Film bisher verteidigt – allerdings in der ausdrücklichen Erwartung, daß die Anstalt gegen die einstweilige Verfügung vorgeht. Zuletzt behauptete er sogar, das belauschte Kripoverhör solle dokumentieren, wie sehr die Kripobeamten einen Beschuldigten „bedrängen, gegen den sie keine Beweise in der Hand haben“. In Wahrheit hatte Radio Bremen den Film der Kripo vorab gezeigt, um die Zustimmung zur Sendung zu erhalten. Seitdem der RB entschieden hat, dem Urteil nicht zu widersprechen, dies nicht zu tun, hüllt sich die Anstalt in Schweigen. Klaus Wolschner
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