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Der EU-Sparkurs und der BrückeneinsturzNicht schuldig, aber schizophren

Die EU ist nicht schuldig am Einsturz der Brücke von Genua. Die schizophrene Politik Brüssels gehört dennoch auf den Prüfstand.

Erst nach Abschluss der Ermittlungen wird sich sagen lassen, ob das Unglück von Genua mit dem harten Sparkurs zusammenhängt Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Nach dem Einsturz der Brücke von Genua hat EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker den Opfern sein Beileid ausgesprochen. Doch ansonsten herrscht Funkstille in Brüssel. Den Vorwurf, die EU trage mit ihrer Sparpolitik Mitschuld an der Katastrophe, lässt man ins Leere laufen.

Aus gutem Grund: Schließlich ist die EU-Kommission für die Instandhaltung von Straßen und Brücken gar nicht zuständig, sie ist Aufgabe der lokalen Behörden in Italien. Brüssel hat zwar einen langen Arm. Doch bis zur Morandi-Brücke in Genua reicht er nicht.

Auch was Investitionen betrifft, weist die EU-Kommission jede Mitverantwortung zurück. Denn diese seien nicht gekürzt, sondern sogar gezielt gefördert worden. Voller Stolz verkündete Juncker Mitte Juli, dass sein 2015 aufgelegtes Investitionsprogramm das Plansoll übertroffen habe. Statt wie erwartet 315 Milliarden Euro soll der sogenannte Juncker-Plan neue Investitionen in Höhe von 335 Milliarden Euro ausgelöst haben. Davon profitiert auch Italien: Mit zusätzlichen privaten Anlagen von 46 Milliarden Euro steht das Land in einem Ranking der EU-Kommission auf Platz zehn.

Griechenland (Platz eins) oder Spanien haben allerdings deutlich mehr profitiert. Zudem stellt sich die Frage, ob die von Brüssel gemeldeten Milliarden auch tatsächlich in Rom angekommen sind. Schon bei den Fördermitteln, die aus dem regulären EU-Haushalt nach Italien fließen, gibt es immer wieder Probleme.

Ausnahmezustand verhängt

Die italienische Regierung hat nach dem Einsturz der Brücke in Genua einen zwölfmonatigen Ausnahmezustand für die Hafenstadt verhängt. Bei einer Krisensitzung des Ministerrates am Mittwoch sei außerdem eine Soforthilfe von fünf Millionen Euro freigegeben worden, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte.

Den Gürtel enger schnallen

In Brüssel sieht man die Schuld in „schlechter Regierungsführung“. Mit anderen Worten: Die italienischen Politiker seien selbst schuld, wenn sie das Geld nicht abrufen oder nicht für das einsetzen, wofür es ursprünglich bestimmt war. Den Schwarzen Peter einfach nach Brüssel weiterzugeben sei zu billig.

Und was ist mit dem Sparkurs, den die EU Italien verordnet hat? Sind es die von Deutschland forcierten Stabilitäts- und Schuldenregeln, „die uns daran hindern, das nötige Geld für die Sicherheit unserer Autobahnen auszugeben“, wie Innenminister Matteo Salvini klagt?

Auch Italien profitierte vom Juncker’schen Investitionsplan

Bisher ist dies nur eine unbewiesene Behauptung. Erst nach Abschluss der Ermittlungen wird sich sagen lassen, ob das Unglück von Genua mit dem harten Sparkurs zusammenhängt. Unbestritten ist allerdings, dass Brüssel die Regierung in Rom zwingt, den Gürtel enger zu schnallen.

Das italienische Budgetdefizit liegt zwar unter der EU-Schwelle von 3 Prozent. Doch die EU-Kommission fordert regelmäßig den Abbau des „strukturellen“, also konjunkturbereinigten Defizits – und fordert dafür immer neue Sparmaßnahmen.

Gleichzeitig empfiehlt Brüssel aber auch mehr Investitionen in die Infrastruktur – eine schizophrene Politik, die nach Genua auf den Prüfstand gehört.

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4 Kommentare

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  • Ein "Was wäre wenn"!

    Es gibt keine Spardiktate für die europäischen Staaten setzen wir mal voraus!

    Nehmen wir mal Deutschland, denn da sitze ich gerade auf meinem Balkon und mache mir Gedanken zu dieser ganzen verworrenen Geschichte mit der "Schwarzen Null"!

    Zur Zeit gibt es eine Nullzinsphase, die mir ermöglicht zu besonders guten Konditionen Geld aufzunehmen, weshalb ich sofort Kredite aufnehme mit Zinsbindung, für sagen wir mal 10 Jahre und mit einer relativ hohen Tilgungsrate, denn ich habe ein sehr hohes außenhandelseinkommen zu verzeichnen!

    Zuerst würde ich ein Teil des Geldes zum Wiederaufbau der gesamten Infrastruktur benutzen, um damit auch gleichzeitig den Handel im Innern zu stärken und für Investitionen aus dem Ausland sorgen, womit ein Teil schon wieder Refinanziert wäre!



    Natürlich würde gleichzeitig ein Großteil in die Verbesserung der Bildung und der Digitalisierung der Schulen und Universitäten fließen, um den Fachkräftemangel ansatzweise zu reduzieren und es würde Geld in die Fortbildung für Arbeitslose und Langzeitarbeitslose gesteckt, denn wenn hier wieder viele in Lohn und Brot kommen, erhöht sich das Steuereinkommen, mit dem ich ebenfalls wieder refinanzieren könnte!

    Ein Teil des Geldes wird in die Forschung zu erneuerbaren Energien fließen und in die Umsetzung schadstoffneutraler Antriebsmöglichkeiten für den Individualverkehr, um meine Wirtschaft führend zubekommen, damit auch durch deren höhere Umsätze wieder Geld in die Kasse zurück fließen wird!

    Auch würde ich dafür Sorge zu tragen haben, dass es eine viel sozialere Situation geben würde, in dem ich zu erst Hartz IV abschaffen würde und ein Bedingungsloses Grundeinkommen auflegen würde, denn wenn Menschen sich nicht ständig um ihre Versorgung sorgen müssen, setzen sie viel mehr Energien um, die der Gemeinschaft in vielerlei Hinsicht helfen könnten. (Fiktion)

    Wer in einem Zeitraum, in dem die Zinsen gleich Null sind spart, sollte kein Haus kaufen, oder ein Land regieren wollen!!!

    • @urbuerger:

      Bin dafür. Bitte gleich nach Berlin und losregieren!

  • Irgendwo habe ich den schönen Satz gelesen: "Die schwarze Null von Finanzminister Schäuble ist das schwarze Loch, in dem wir die Infrastruktur des Landes für die kommenden Generationen begraben".

    Traurig, aber war: Wohl nicht erst für die kommenden Generation ...

  • Auf jeden Fall ist der Fiskalpakt ein Zwangssparen gegen alle, die auf Umverteilung aus privaten Reichtümern an öffentliche Kassen angewiesen sind.