Der DfB und die Medien: Kein weltmeisterliches Niveau
Der DFB kann sich wegen seiner Monopolstellung alle Freiheiten herausnehmen. Er beantwortet Presseanfragen nach Gutdünken.
Zu besonderen Anlässen muss man auch einmal aus dem Nähkästchen plaudern. Denn kürzlich ist etwas Außergewöhnliches geschehen. Unsere Redaktion hat an die Pressestelle des Deutschen Fußball-Bundes eine Anfrage gestellt und eine Antwort bekommen. Sie fragen sich, was daran so besonderes ist? Na, die Antwort! Die taz wollte in diesem Jahr schon des Öfteren vom Verband etwas wissen, eine Reaktion kam allerdings nie.
Wir wollten etwa in Erfahrung bringen, was der DFB von der Abschaffung der Spielerberaterlizenzierung hält, welche die Fifa beschlossen hat. Oder warum der DFB ausgerechnet auf dem Grund einer traditionsreichen Galopprennbahn seine Akademie aufbauen möchte. Und wer denn nun bei einer Funktionärsfehde im sächsischen Fußballverband Recht hat, da beide Streitparteien sich auf Angaben des DFB beriefen, die sich widersprachen. Fragen, die bei der Presseabteilung des größten deutschen Sportverbandes in Frankfurt offenbar direkt in den Papierkorb weitergeleitet wurden.
Als wir per Mail ankündigten, ein Stück über das Selbstverständnis der DFB-Öffentlichkeitsarbeit schreiben zu wollen und um Stellungnahme baten, klingelte zwei Minuten später das Telefon. Nachdem ich dem verunsicherten Mitarbeiter des Pressestabs empfahl, die Anfrage doch an seine Vorgesetzten weiterzureichen, kam auch kaum weniger prompt die bereits erwähnte lang ersehnte Antwort. Wobei die Bezeichnung Antwort etwas zu hoch gegriffen ist.
Zum Selbstverständnis der Öffentlichkeitsarbeit, hieß es in dem Schreiben, solle man sich doch auf das Feedback der Journalistenkollegen beziehen, die den DFB als „schnellen, zuverlässigen, serviceorientierten Dienstleister“ sehen würden. „Wenn Sie sich aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend berücksichtigt fühlen, kann im ersten Schritt manchmal auch ein Blick auf die eigenen Strukturen, Zuständigkeiten und Abläufe helfen.“ Ein Name, der sich für dieses Schreiben verantwortlich zeichnete, stand übrigens nicht unter der Mail. Es grüßte die DFB-Pressestelle.
Beschwerden abgebügelt
Raik Packeiser ist Geschäftsführer der Agentur für Kommunikation insignis und hat sich auch intensiv mit der Öffentlichkeitsarbeit von Sportverbänden beschäftigt. Unter anderem arbeitete er mit dem Deutschen Olympischen Sportbund zusammen. Er sagt: „Zu einer professionellen Pressearbeit gehört für mich, dass man sich keinem Dialog verschließt.“ Weder andere Sportverbände noch Unternehmen oder politische Parteien könnten es sich leisten, Anfragen zu ignorieren und Beschwerden abzubügeln. „Es empfiehlt sich auch nicht, Zeitungen darauf hinzuweisen, wie sie ihre Arbeit zu machen haben.“
PR-Fachmann Raik Packeiser
Den konkreten Fall, sagt Packeiser, wolle er nicht bewerten. Er kenne die Vorgeschichte nicht. Aber kann er sich eine Vorgeschichte vorstellen, die ein derartiges Ignorieren von Anfragen rechtfertigen kann? Der PR-Profi sagt, er habe in seinen 15 Berufsjahren so etwas noch nicht erlebt, aber selbst wenn Journalisten sich notorisch unmöglich verhalten würden, müsse die andere Seite dann zumindest per Telefongespräch erklären, dass man die Kommunikation von nun an einstellen werde.
So hoffnungslos hat sich die taz allerdings mit DFB-Chef Wolfgang Niersbach und Co. gar nicht zerstritten. Es gibt keine Vorgeschichte, die Anlass gäbe, sich als ausgesuchtes Opfer des DFB zu wähnen. Anderen Kollegen geht es schließlich nicht besser. Auch sie berichten von unbeantworteten Anfragen oder Hinhaltetaktiken und von offensichtlichen Unwahrheiten, wenn sie sich heikleren Themen zuwenden. Ein Korrespondent einer internationalen Tageszeitung erklärt etwa mit feiner Ironie: „Während der letzten Jahre habe ich den Eindruck gewonnen, dass die Presseabteilung des DFB in einigen Bereichen nicht ganz dem weltmeisterlichen Niveau der A-Nationalmannschaft entspricht.“
Journalisten müssten aufpassen, dass sie sich nicht als PR-Clowns durch die Manege ziehen lassen und somit zum verlängerten Arm des DFB werden. Mit Namen will sich allerdings kaum einer in den Wind stellen. Aus verständlichen Gründen. Der DFB verteilt Gaben in Form von Interviews oder Akkreditierungen für Großveranstaltungen, ohne die man seinem Beruf nur unzureichend nachkommen kann. Insofern ist der Verweis des Verbandes auf die zufriedenen Journalistenkollegen natürlich listig.
Eine pathologische Konstellation
Der freie Journalist Jens Weinreich, der Konflikten mit dem DFB nicht aus dem Weg geht, sagt: „Die Taktik der Pressestelle ist doch seit Jahren klar: Fragen bei unbequemen Themen möglichst aussitzen. Wenn es dennoch pressiert, mit Trick den Recherchen beziehungsweise der Veröffentlichung zuvorkommen, indem man die Kumpels in den Agenturen und Redaktionen informiert.“
Das grundsätzliche Problem sei aber die Duzbrüderschaft zwischen vielen Journalisten und der Presseabteilung des DFB, die Distanzlosigkeit etlicher Berichterstatter zum Objekt ihrer Berichterstattung. Wolfgang Niersbach und Ralf Köttker waren einst selbst Journalisten ehe sie zu DFB-Pressesprechern wurden. Köttker nimmt diese Stellung aktuell ein, Niersbach ist gar ins Präsidentenamt aufgestiegen.
Eine pathologische Konstellation nennt das Weinreich. Ein Grundsatzproblem also. Wobei die Schwächen dieses Konstrukts in den letzten Jahren immer stärker sichtbar werden. Als der ebenfalls ehemalige Journalist Harald Stenger (Frankfurter Rundschau) vor drei Jahren von Wolfgang Niersbach aus dem Amt des Pressesprechers der Nationalmannschaft gedrängt wurde, bilanzierte die FAZ, dass unter der Führung des ehemaligen Springer-Journalisten und Mediendirektors Ralf Köttker „die mediale Durchstecherei“ wieder üblicher geworden sei. Sprich wie in den Zeiten, als Niersbach die Kommunikation noch regelte. Über die Springer-Blätter werden heute wie anno dazumal vom Verband immer wieder Informationen und Indiskretionen lanciert.
Eine gewisse Komik
Michael H. Spreng, der ehemalige Chef der Bild am Sonntag, und heutige Kommunikations- und Medienberater sagt: „Insgesamt neigen alle Großorganisationen dazu, sich mit genehmen Journalisten zu umgeben – sei es in Politik, Wirtschaft und Verbänden. Beim DFB kann ich mir vorstellen, dass dies besonders ausgeprägt ist. Dafür sind inzwischen die wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen einigen Medien aus TV und Print einfach zu eng.“
Der Fußball, erklärt der Sport-PR-Experte Packeiser, sei im Vergleich zu anderen Sportarten in einer privilegierten Position. Mediale Aufmerksamkeit müsse gar nicht mehr erzeugt werden. „Wenn eine Branche von einem Unternehmer auf Dauer dominiert wird, kann sich das Selbstverständnis entwickeln, man habe die Genialität gepachtet. Da muss man aufpassen, dass man nicht die Bodenhaftung verliert.“ An vereinzelten Vereinen der Fußball-Bundesliga lassen sich diese Symptome ebenfalls beobachten. Aus langjähriger Erfahrung weiß die taz: Hertha BSC Berlin leistet sich auch, was sich kein Verband, Unternehmen oder eine Partei leisten kann: Man antwortet nur auf ausgesuchte Anfragen.
Der Profifußball ist ein Staat im Staate. Er funktioniert nach seinen eigenen, oft dezidiert demokratiefeindlichen Gesetzmäßigkeiten. Er gleicht einem Hofstaat mit den dazu gehörigen Hofberichterstattern, denen nach Gutdünken mehr oder minder große Freiheiten eingeräumt werden. Beim DFB sind es eben weniger.
Es hat schon eine gewisse Komik, wenn der DFB-Chef Niersbach wie im Juni fordert, die Fifa brauche mehr Transparenz und Kontrolle. Die gleiche Forderung hatte schließlich wenige Monate zuvor die Fifa dem DFB zukommen lassen, weil der Verband die Bezüge von Niersbach nicht offenlegen will. Zum Transparenz-Vorbild taugt der Deutsche Fußball-Bund wahrlich nicht. So könnte das immer weiter gehen mit den Vorwürfen und Gegenvorwürfen zwischen dem DFB und der Fifa. Hin und her. Es wäre ein nicht enden wollendes Spiel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!