: Der Atom-Ausstieg ist machbar
■ Norddeutsche und skandinavische Stromkonzerne wollen international kooperieren – und könnten dabei auf Kernenergie verzichten, meint Holger Krawinkel, Energiestiftung Schleswig-Holstein
Die Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) haben sich diese Woche bei einem schwedischen Stromkonzern eingekauft. Dadurch rückte die Allianz aus HEW, PreussenElektra und zwei skandinavischen Unternehmen noch ein Stückchen enger zusammen.
taz: Was ist Ziel dieser Allianz aus HEW, Preag und zwei skandinavischen Unternehmen?
Holger Krawinkel: Es zeichnen sich zur Zeit internationale Kooperationen der Unternehmen ab. Ihnen geht es darum, den Einsatz der Kraftwerke auch international zu optimieren, und zwar unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Was heißt „optimieren“?
Die Skandinavier produzieren ihren Strom überwiegend mit Wasserkraft, zu viel günstigeren Konditionen als die deutschen Unternehmen. Aus Sicht der deutschen Unternehmen ist es wirtschaftlich sehr vernünftig, sich diese Bezugsquellen in Skandinavien zu sichern. Und aus Sicht der skandinavischen Unternehmen? Sie könnten ihren Strom ab 1998 in Deutschland ja auch direkt verkaufen, in Konkurrenz zu Preag oder HEW.
Es ist für sie einfacher, mit den deutschen Energieversorgern zu kooperieren, anstatt gegen sie zu konkurrieren. Denn das skandinavische Wasserkraft-System ist zwar sehr billig, aber manchmal gibt es einfach nicht genügend Wasser. Dann sind sie froh, wenn sie Strom aus Deutschland oder auch Dänemark beziehen.
Welche Kraftwerke werden sich für die deutschen Energieversorger nicht mehr rechnen, wenn sie Zugriff auf die billige Wasserkraft haben?
Vor allem die Anlagen, bei denen allein die Brennstoffkosten schon höher sind als der Strom aus Skandinavien – die wird es treffen.
Also Kohlekraftwerke?
Ja, ich denke vor allem Kohlekraftwerke. Steinkohlekraftwerke.
Viele hoffen, mit Hilfe der skandinavischen Wasserkraft ließen sich Atomkraftwerke in Deutschland stillegen.
Es wird wegen der Stromimporte aus Skandinavien kein Atomkraftwerk stillgelegt. Die Unternehmen in Deutschland haben Betriebserlaubnisse für ihre Atomkraftwerke; die Anlagen sind zum größten Teil abgeschrieben und werden unter bestimmten wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingesetzt. Sie sind für die Energieversorger damit sicher nicht die teuersten Anlagen. Der Ausstieg aus der Atomenergie erfordert politische Entscheidungen. Dann ergibt sich eine andere wirtschaftliche Optimierung des Kraftwerkparks.
Also ein Kraftwerkpark ohne Atommeiler rein aus wirtschaftlichen Gründen?
Es ist ziemlich sicher: Wenn in einer Ausstiegssituation norwegischer Wasserkraftstrom zur Verfügung steht, dann wären die Unternehmen sehr schlecht beraten, weiterhin große Grundlastwerke wie Atomkraftwerke zu bauen, die achttausend Stunden im Jahr laufen müssen. Man wird dann eher Mittellastkraftwerke bauen, die sich schon ab einer Laufzeit von vier-, fünftausend Stunden im Jahr rechnen. Das paßt ideal zu dem skandinavischen Wasserkraft-System. Die Dänen machen das bereits.
Wie?
Die Dänen decken ihren Bedarf zu fünfzig Prozent über Heizkraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung. Im Winter, wenn sie viel Energie brauchen, lassen sie die Anlagen auf vollen Touren laufen und liefern damit Strom und Wärme. Gleichzeitig haben die Schweden und Norweger im Winter Versorgungsengpässe, also exportieren die Dänen überflüssigen Strom. Im Sommer ist der Energiebedarf geringer, außerdem steht dann genügend Wasserkraft in Norwegen und Schweden zur Verfügung. Dann schalten die Dänen ihre Kraftwerke einfach ab. Der Wasserkraftstrom aus Skandinavien verbessert also die Möglichkeiten für ein künftiges System, das auf Kraft-Wärme-Kopplung basiert.
Oder auch, wie bei den Dänen, auf erneuerbaren Energien?
Ja. Die Windkraft zum Beispiel fällt natürlich sehr unregelmäßig an. Da ich in Norwegen aber nur den Wasserhahn aufdrehen muß, um Strom zu kriegen, kann ich das immer dann machen, wenn ich hier keinen Wind habe. Das kann man in Dänemark sehen, das klappt ganz prima.
Die Rexrodtsche Liberalisierung des Strommarktes und die nordeuropäische Strom-Connection bieten also die Chance zu einer ökologischen Energiewende?
Kurzfristig ändern diese Verbindungen nichts. Man muß auch damit rechnen, daß Atomstrom von Deutschland nach Norwegen oder Schweden transportiert wird. Aber mittel- und langfristig eröffnet das andere Optionen. Nur: Das ist eine Sache, die nicht die Unternehmen zu entscheiden haben, sondern das ist eine politische Entscheidung. Die Unternehmen optimieren ihren Kraftwerkspark unter rein wirtschaftlichen Aspekten. Wenn die Energiepolitik andere Versor-gungsstrukturen will, dann muß sie die Rahmenbedingungen anders setzen, so daß die Entscheidungen in den Unternehmen anders ablaufen.
Wie könnten diese Rahmenbedingungen aussehen?
Das kann man wieder in Dänemark und demnächst auch in Schweden beobachten: In Dänemark gibt es eine Energiesteuer, es gibt klare Planungen für den Fernwärmeausbau, es gibt jetzt den Beschluß, keine neuen Kohlekraftwerke mehr zu genehmigen ...
Alternative Energiepolitiker setzen nicht auf internationale Verflechtungen, sondern auf kommunale Unternehmen. Die sollen dann ein engmaschiges Netz kleiner, regenerativer Anlagen aufbauen.
Man wird die Konzentration auf dem Strommarkt nicht aufhalten können. Da muß man sich nicht dran stören. Das einzige, was stört, ist, daß keine staatliche Energiepolitik stattfindet. Rexrodt macht ja nur das eine: Er schafft mit der Liberalisierung des Strommarktes die Vorraussetzung dafür, daß die Strompreise sinken. Aber er sorgt nicht dafür, daß auf der anderen Seite mit entsprechenden Rahmenbedingungen eine ökologische Modernisierung eingeleitet wird. Fragen: Achim Fischer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen