Deniz Yücel und der PEN: Rückendeckung für Neuanfang

Fatal wäre, wenn der PEN in die Zeit vor Yücels Präsidentschaft zurückfiele. Nötig ist eine Auffrischung seiner Strukturen und internen Kultur.

Der scheidende PEN-Präsident mit erhobener Hand

Will nicht länger Präsident der Bratwurstbude sein: Deniz Yücel Foto: Martin Schutt/dpa

Viele Autor*innen, die sich mit Deniz Yücel einen Neuanfang beim PEN gewünscht hatten, haben schon ihren Austritt angekündigt. Das ist verständlich. Wer will schon Mitglied in einem Laden sein, bei dessen Versammlungen 70-Jährige mit Trillerpfeifen anrücken, um Aussprachen zu behindern? Und es ist erst einmal nur schwer abzusehen, wie dieser Verein jemals wieder intellektuell ernst genommen werden kann.

Dennoch. Kulturelle Institutionen pflückt man nicht einfach von den Bäumen. Und Organisationen, die für die Freiheit des Wortes und verfolgte Au­to­r*in­nen kämpfen, werden, wie die Weltlage nun einmal ist, gebraucht. So kann man nur hoffen, dass sich jetzt, nach dem Totaldesaster von Gotha, die Ansätze zu einem Neuanfang in der Schriftstellervereinigung durchsetzen werden.

Was muss dafür geschehen? Auf gar keinen Fall darf es ein Zurück in die Zeit vor der Präsidentschaft Yücels geben. Vielmehr muss der deutsche PEN jetzt nicht nur an der Professionalisierung seiner Strukturen arbeiten, sondern vor allem seine interne Kultur von Grund auf ändern. Wer sich unter jüngeren Mitgliedern des PEN umhörte, hat das Wort „toxisch“ keineswegs erst zur Beschreibung der Vorgänge in Gotha gehört, sondern schon vorher. Man hat sich im PEN nicht zu viel, sondern vielmehr zu wenig gestritten.

Notwendige Debatten oder auch nur Denkanstöße von neuen Mitgliedern wurden mit einer Mischung aus Geschäftsordnungstricks, Bräsigkeit und Überheblichkeit verhindert. Immerhin ist in Gotha klar geworden, dass es so nicht weitergeht. Josef Haslinger, der Übergangspräsident, redet von „Versöhnung“ der Lager. Das trifft es aber nicht. Notwendig ist vielmehr, überhaupt erst für eine vernünftige Gesprächs- und auch Streitkultur zu sorgen.

Unter dem Deck­mantel der Figur des engagierten Intellektuellen konnten sich zu viele Wichtigtuer, Denkfaule und auch Putinversteher in dem Verein halten. Die neuen Mitglieder, die weiterhin für einen Neuanfang sorgen wollen, brauchen jetzt jede Rückendeckung.

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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