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Den Letzten holt der Teufel

Wer im Moment vor zu großer Aktieneuphorie warnt, steht als Spielverderber da. Denn fast jeder kennt irgendjemanden, der zumindest jemanden kennt, der in den vergangenen Monaten mit seinen Investments ein Supergeschäft gemacht hat („Pixel Park! Noch so ein Deal, und ich brauche nicht mehr zu arbeiten!“). Wer etwa mit High-Tech-Fonds in den vergangenen Monaten einfach nur Glück hatte, tritt plötzlich im Freundeskreis wie ein Finanzgenie auf.

Die Euphorie erinnert an die Steuersparmodelle bei Immobilienkäufen in den 90er-Jahren, wo Zahnärzte bei abendlichen Stehpartys vorrechneten, dass sich der Kauf des Mietshauses im Osten von ganz allein finanziere. Und sie erinnert an das Pilotenspiel, wo Freunde versuchten zu überreden: „Steig ein ins Flugzeug, mit nur 500 Mark bist du dabei!“

Doch schon beim Pilotenspiel galt die Regel: Einige wenige, nämlich die Ersten, sahnen ab. Der Rest zahlt drauf. Auch auf dem Aktienmarkt holt „den Letzten der Teufel“, wie es ein Börsenkenner schon vor 280 Jahren formulierte. Denn jede Kurssteigerung macht den Erwerb von Aktien teurer.

Die spannende Frage lautet: Wann ist Schluss? Und wer macht rechtzeitig Kasse? Würden all die Kleininvestoren, die jetzt von ihren tollen Kursgewinnen auf ihrem Depotauszug schwärmen, tatsächlich ihre Papiere abstoßen und auch die Großanleger gleichzeitig verkaufen, dann rutschten die Kurse binnen Stunden in den Keller, und der Crash wäre da. Die historische Erfahrung zeigt, dass in solchen Fällen die Großanleger am schnellsten reagieren, die Kleinanleger jedoch eher die Gelackmeierten sind.

Wer jedoch in einer Hausse zum richtigen Zeitpunkt zugreift und dann Kasse macht – also nicht zu früh, aber bevor alle anderen auf die gleiche Idee kommen –, kann tatsächlich hohe Gewinne mitnehmen. Es geht darum, den anderen voraus zu sein: Das Geldversprechen durch die Börse entspricht der Individualisierung in der Gesellschaft. Von einer gleichmäßigeren Chancenverteilung kann dabei nicht die Rede sein.

Denn nur wer sein Geld nicht im Alltag verbrauchen muss, kann sich überhaupt am Geldanlagegeschäft beteiligen. Und nur wer viel Geld übrig hat, bekommt die besten Bankberater und fährt die höheren Gewinne ein. Das private Trading über Discount-Broker im Internet verspricht hier zwar größere Chancengleichheit – aber um den Preis eines hohen Zeitaufwands. Nicht wenige der neuen Internetgoldgräber gestehen, abends nach der Arbeit noch zwei Stunden vor dem Bildschirm zu hocken, um sich über die neuesten Kurse zu informieren.

Mit wie viel Zeitaufwand sich dann auf Dauer mehr Geld verdienen lässt, ist nicht festzustellen. Nur eins ist klar: Die Discount-Banken im Internet freuen sich über jede Transaktion und kassieren ihre Provisionen.

In Zeiten einer Hausse auch der Geldanlagetips bekommen zweifellos alle bessere Chancen, ihr Geld gewinnträchtig anzulegen. Dass sich Sparverträge und Lebensversicherungen derzeit weniger lohnen als Investmentfonds, hat sich inzwischen herumgesprochen.

Aber die Ungleichheit in den Einkommensverhältnissen verändert sich dadurch nicht, sondern nimmt noch zu, da Geringverdiener ausgeschlossen werden. In den USA etwa hat das ärmste Fünftel in den vergangenen 25 Jahren an Einkommen verloren, während das reichste Viertel um 15 Prozent zulegte.

Die neuen Geldversprechen sind Spiele, die der Ablenkung dienen. Und dem Trost und der Befriedung einer Mittelschicht, die alte Sicherheiten verloren hat: Wenn der Arbeitsmarkt schon wenig Erfreuliches bietet, will man wenigstens beim Thema Geldanlage mittenmang sein. Und nicht zu den Letzten gehören.

Barbara Dribbusch

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