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Demos nach dem Urteil„Der NSU war nicht zu dritt“

Nach dem Ende des NSU-Prozesses demonstrierten am Mittwochabend Tausende deutschlandweit für weitere Aufklärung.

Demonstranten ziehen mit Porträts der NSU-Opfer durch München Foto: dpa

München/Berlin taz/dpa | Direkt vor dem Oberlandesgericht München hatten die Demonstranten ihre Bühne aufgebaut, harrten den ganzen Mittwoch dort aus. Genau dort, wo parallel das Urteil gegen Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte im NSU-Prozess gesprochen wurde. Am Abend formierte sich daraus ein Protestzug, mit mehreren tausend Teilnehmern, der in Richtung des bayrischen Innenministeriums am Münchner Odeonsplatz zog.

Die Demonstranten trugen vorneweg Bilder der zehn Mordopfer des NSU. „Kein Schlussstrich“, lautete ihre Losung. Redner forderten, die Aufklärung des NSU-Terrors mit dem Urteil in München nicht zu beenden. Die Gruppe müsse weit größer gewesen sein, als die fünf nun Verurteilten. Auch gehöre der Verfassungsschutz abgeschafft.

„Tag X“ heißt der Tag der Urteilsverkündung bei den Initiatoren der bundesweiten Kampagne „Kein Schlussstrich“, zu der unter anderem die Initiative „NSU-Watch“ und das „Münchner Bündnis gegen Naziterror und Rassismus“ gehören. Sie sind der Meinung, dass auch nach mehr als 400 Verhandlungstagen zu viele Fragen offen sind.

Zehn Menschen hatte der „Nationalsozialistische Untergrund“ um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt von 2000 bis 2007 erschossen, neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine Polizistin. Dazu kamen drei Bombenanschläge und 15 Raubüberfälle.

„Heute werden Nazis im ganzen Land feiern“

Das Oberlandesgericht hatte Zschäpe dafür zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Waffenbeschaffer des NSU, Ralf Wohlleben, erhielt eine zehnjährige Haftstrafe. Die anderen drei mitangeklagten NSU-Helfer kamen milder davon: mit Haftstrafen bis lediglich drei Jahre. Der in U-Haft sitzende André E. wurde noch im Gerichtssaal freigelassen. Ein „Fanal“ nannte das ein Redner auf der Münchner Kundgebung.

André E. sei einer der zentralen Helfer des NSU gewesen, er dürfe nicht einfach so davonkommen. „Heute werden Nazis im ganzen Land feiern“, kritisierte auch der Opferanwalt Alexander Hoffmann auf der Kundgebung. Für die rechtsextreme Szene bedeute der Urteilsspruch eine Ermutigung, dass selbst bei schwersten Straftaten nur geringe Strafen drohten. „Das Urteil ist legal, aber es ist nicht legitim“, sagte Hoffmann.

In München, im Stadtteil Bogenhausen, hat das Bündnis „Kein Schlussstrich Hessen“ symbolisch Straßen umbenannt. Sie tragen nun die Namen nahezu all derer Menschen, die durch den NSU ermordet wurden.

Auch in vielen weiteren Städten wurde am Abend für eine weitere Aufklärung des NSU-Terrors demonstriert. „Der NSU war nicht zu dritt“ hallte es auf den Straßen Berlin, wo über 1.000 Menschen zu einer Demonstration zusammenkamen. Die Stimmung war gedrückt, aber nicht resigniert oder erbost.

Verzweifelte Wut

Ein Trio der Bühne für Menschenrechte, trug vor Ort die NSU-Monologe vor. Sie erzählen von den jahrelangen Kämpfen dreier Familien der Opfer. Während ihrer Darbietung lief der Demonstrationszug absolut Still durch die Straßen.Die Ohnmacht und die verzweifelte Wut, als die Engstirnigkeit der Ermittlungsbehörden in dem Fall geschildert wurden, war deutlich zu spüren.

„Es darf auf keinen Fall ein Schließen der Aktendeckel und ein Ende der Aufmerksamkeit geben“, sagte Robin Steinbrügge von der Hamburger Initiative für die Aufklärung des Mordes während einer Demonstration in Hamburg. 800 Menschen demonstrierten in der Innenstadt. „Für einen Steinwurf beim G 20 gibt es mehr“ war auf vielen Plakaten zu lesen.

In Kiel, Bremen und Frankfurt versammelten sich mehrere hundert Menschen zu weiteren Kundgebungen. Zu einer Spontandemonstration mit rund 300 Teilnehmer*innen kam es in Rostock, wo 2004 der Imbiss-Verkäufer Mehmet Turgut erschossen worden war.

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3 Kommentare

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  • Eigentlich kommen diese Demonstrationen spät, zu spät. Das Gericht hatte die Aufgabe über die Angeklagten zu urteilen und nicht den Neonazi-Untergrund aufzudecken. Ein Aufschrei hätte durch das Land gehen sollen als Verfassungsschützer und ehemalige V-Männer offensichtlich logen vor Gericht. Clemens Binninger, der unverdächtig ist, ein Linker zu sein, Zweifel daran äusserte, dass der NSU nur aus drei Personen bestand und dabei die Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter und den Bombenanschlag 2001 in Köln erwähnte, weil die durch Zeugen erstellten Phantombilder der Verdächtigen nicht die geringste Ähnlichkeit mit Uwe Mundlos oder Uwe Böhnhardt hatten. Als der Verfassungsschutz nach dem Auffliegen des NSU reihenweise Akten schredderte und offensichtlich wurde, dass er jahrelang tonangebende Neo-Nazis als V-Männer führte, nichts gewusst haben wollte und in keiner Weise bereit war an der Aufklärung der Verbrechen und der Offenlegung der neonazistischen Netzwerke mitzuwirken. Als ruchbar wurde, wie kläglich die Polizei versagt hatte. Als sich herausstellte, dass das Versprechen von Frau Merkel die Verbrechen des NSU bedingungslos aufzuklären, eine dreiste Lüge war. Es ist jeweils recht ruhig geblieben. Wie kommt es, dass in Berlin bei der "wir tragen Kippa-Demonstration" 2000 Menschen teilnahmen und jetzt nach dem NSU-Urteil 1000 Personen? Machen wir einen Unterschied zwischen Opfern von rassistischen Verbrechen?

  • www.berliner-zeitu...ermittler-30946692

    www.rbb-online.de/.../online-first.html

    Solange Bullen so ticken, und das ist sicher keine Einzelleistung, wird sich an der Scheiße nie was ändern. Weder werden Fälle wie der des NSU jemals wirklich aufgeklärt, noch werden Repressionen gegen linke Strukturen aufhören, noch jemals Bullen ernsthaft für Gewalttaten bei Demos o.ä. belangt. Eher wird der Berliner Flughafen fertig...



    Und ganz ausdrücklich richtet sich meine Kritik nicht gegen die BeBullen (die sind ehh unten durch), sondern gegen die gesamte Struktur dieses widerlichen Apparats.

  • "Combat 18 (C18) ist eine neonazistisch-terroristische Organisation, die in vielen Ländern Europas aktiv ist und als bewaffneter Arm des Neonazinetzwerks Blood and Honour gebildet wurde. " (Wikipedia)

    Dieser Definition von Combat 18 hat sich das Gericht nicht anschließen wollen, weil dies bedeutet hätte, dass der NSU ein Teil dieser Bewegung war und dann können es nich drei Personen gewesen sein, sondern es müssten dann mehrere Personen gewesen sein.

    Das steht sogar in verklausulierter Form in den Akten von bestimmten Polizei- und Sicherheitsbehörden, in einer italienischen Akte auch noch, aber unter den möglichen weiteren Mitgliedern von NSU und C18 wären dann Spitzel gewesen.

    Überhaupt waren Spitzel in großer Anzahl im gesamten Umfeld von NSU zu finden gewesen. Nicht schön für den Staat, der handelte dann eben so: Man verurteilt Zschäpe und Wohlleben und die Helfer, die direkt mit der NSU zu tun hatten und geht anderen Spuren gar nicht erst nach.

    Warum kannte der NSU eine unscheinbare Straße in Dortmund? Warum schickte Zschäpe das Bekennervideo nach HH-Barmbek-Süd? Wie kam der NSU eigentlich an diese Orte und Personen? Warum konnten sie in ganz Deutschland so agieren?

    Die Fragen bleiben, aber verurteilt sind sicherlich ein paar ganz Große aus der Szene, die tatsächlich glauben, dass ihre Anwälte Revisionsverfahren herbeiführen können und sie dann in ein paar Jahren frei sind.

    Und überhaupt, wie haben sie diese Menschen verhalten? Zschäpe hat weder echte Reute gezeigt, noch geholfen, Straftaten und Morde aufzuklären. Stattdessen handelt sie entlang eines Manuals von C18. Und Wohlleben hat sich sogar noch vor Gericht als Neonazi geriert und eine Szeneanwältin engagiert, von Reue hier nicht mal taktisch Gebrauch gemacht.

    Und was macht eigentlich der Verfassungsschützer aus Hessen, der bei einem Mord anwesend war? Ein Mensch, der offenkundig nie die Wahrheit im Fall Halil Yozgat sagte, aber durch die hessische Politik beschützt wurde?