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Demos gegen FPÖ-RegierungDas andere Österreich

Dass die rechtsextreme FPÖ ihre nächste Regierung anführen soll, treibt in der Alpenrepublik zehntausende De­mo­kra­t:in­nen auf die Straße

Von wegen Felix Austria: sorgenvolle Blicke bei einer Demonstration gegen die FPÖ an der Regierung am Donnerstag in Wien Foto: Denes Erdos/AP/dpa

Wien |taz | Auf einem der Schilder steht: „Wir wollen kein rechtsextremes Österreich“. Aus Tausenden Kehlen schallt: „Was bedeutet Schwarz und Blau? Rassismus und Sozialabbau!“ Der Wiener Ballhausplatz ist am frühen Donnerstagabend schon rappelvoll, doch weiterhin strömen Menschen aus allen Richtungen herbei.

Die sind aus ganz unterschiedlichen Gründen gekommen: „Ich bin wegen der ÖVP hier. Sie rollt der FPÖ den Teppich aus“, sagt die 30-jährige Laura der taz. Auch ein 66-Jähriger stört sich am Sinneswandel der ÖVP, mehr noch am zunehmenden Antisemitismus, den die FPÖ immer wieder bedient. Eine Rentnerin kritisiert die prorussische Haltung von FPÖ-Chef Herbert Kickl und dass er Maßnahmen zum Klimaschutz rückgängig machen will.

Mehr als 25.000 De­mons­tran­t:in­nen waren es laut Behördenschätzung am Donnerstag insgesamt. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen hatten zur ersten Großdemonstration und Lichterkette gegen die drohende FPÖ-Regierung geladen – und zwar dort, wo die Zuständigen sitzen: vor dem Bundeskanzleramt und der angrenzenden Präsidentschaftskanzlei.

Dass die rechtsradikale FPÖ nun doch den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen hat, hat viele in Österreich kalt erwischt. Viele hatten damit gerechnet, dass sich die konservative ÖVP, die sozialdemokratische SPÖ und die liberalen Neos zu einer Regierung zusammenraufen. Es kam anders, die Verhandlungen scheiterten zu Jahresbeginn krachend.

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Schlechte Erfahrungen mit Schwarz-Blau

Schon am Dreikönigstag kam es zu einer Demo mit Hunderten Teilnehmern. FPÖ-Chef Kickl wurde von Buhrufen empfangen, als er an der Präsidentschaftskanzlei ankam. Dort erhielt er, schneller und expliziter als von vielen erwartet, grünes Licht von Bundespräsident Alexander Van der Bellen, eine Regierung mit der ÖVP zu bilden. Diese hatte schlagartig ihren Kurs gewechselt, nachdem ihr Parteichef und Bundeskanzler Karl Nehammer von beiden Ämtern zurückgetreten war.

Am Dreikönigstag war auch Susanne Scholl mit dabei. Die evangelische Pfarrerin und Psychotherapeutin im Ruhestand hat 2017 die „Omas gegen Rechts“ gegründet – in Reaktion auf die damalige schwarz-blaue Regierung unter Sebastian Kurz. Nach dem österreichischen Vorbild entstanden auch in Deutschland und anderen Ländern ähnliche Gruppierungen.

Anders als damals droht nun nicht nur das Amt des Vizekanzlers, sondern das des Kanzlers und damit die Regierungsführung in FPÖ-Händen zu landen. „An einer blau-schwarzen Koalition macht uns alles Sorgen“, sagt Salzer. Eine solche Regierung bedeute einen Abbau der Demokratie und der freien Medien.

Die Sorge vor einer FPÖ-geführten Regierung speist sich nicht nur aus den rechtsextremen Wortmeldungen Herbert Kickls, sondern auch aus Erfahrungen mit der Regierung von 2017 bis 2019. Sie griff systematisch in grundlegende Menschenrechte ein, verschärfte das Asylrecht und kürzte die Mindestsicherung für Asylberechtigte. Die Ausweitung polizeilicher Befugnisse, darunter erweiterte Überwachungsmöglichkeiten und verschärfte Demonstrationsauflagen, schwächte die Versammlungsfreiheit und griff in die Privatsphäre ein.

Kein Aufschrei mehr

Durch den 12-Stunden-Tag beschnitt das Rechtsbündnis Arbeitnehmerrechte, es schwächte die in Österreich traditionell starke Sozialpartnerschaft. Mit aggressiver Rhetorik gegen Minderheiten, besonders gegen Muslime, schuf Schwarz-Blau ein Klima der Ausgrenzung. Bevor sie den Rest ihrer Agenda umsetzen konnte, implodierte die Regierung nach anderthalb Jahren im Ibiza-Skandal.

Mit Sebastian Kurz, der sich damals ohne Not auf die FPÖ als Regierungspartner einließ, sei die ÖVP ausgehöhlt worden, sagt Susanne Salzer. „Ihre Haltung hat sie verlassen.“ Sie fürchtet, dass die vorgeblich von der ÖVP vertretene „Mitte“ endgültig nach rechts abfällt.

Für die Omas gegen Rechts bedeutet das vor allem eines: Protest. Schon jetzt halten sie täglich eine Mahnwache für Menschen auf der Flucht ab. Die „Omas“ sind in der Lage, sich binnen zwölf Stunden zu mobilisieren. Sie wollen bei allen großen Protestaktionen gegen die FPÖ dabei sein.

Die jüngste Wiener Großdemo reiht sich in die Tradition der „Donnerstagsdemos“ ein. Diese waren von Oktober 2000 bis Februar 2003 ein wöchentlicher Protest gegen die damalige erste schwarz-blaue Bundesregierung. Auch damals ging ein ÖVP-Chef ohne Not in eine Regierung mit der FPÖ. Es war die erste rechtsextreme Regierungsbeteiligung in einem EU-Staat, sogar bilaterale Sanktionen gab es damals gegen Österreich. Heute gibt es im Ausland keinen großen Aufschrei mehr, auch in Österreich ist die FPÖ längst etabliert. Sie regiert in fünf von neun Bundesländern mit, überall mit der ÖVP.

Landesweite Proteste

Organisiert wurde die Demo vom neugegründeten Österreichischen Netzwerk für Zivilgesellschaft (ÖNZ). „Eine autoritäre, minderheitenfeindliche und nationalistisch agierende Regierung würde für die Menschen in unserem Land, für kritische Bür­ge­r:in­nen und engagierte Initiativen eine große Gefahr darstellen“, schreibt das ÖNZ. Zum Netzwerk zählen mehr als 20 NGOs, etwa Attac, Greenpeace und Fridays for Future.

Auch die 1992, aus Protest gegen die zunehmend rassistische FPÖ gegründete Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch ist führend dabei. Deren Sprecher, Alexander Pollak, ist eine der wichtigsten Stimmen gegen Rechtsextremismus in Österreich. Proteste änderten zwar selten etwas von einem Tag zum anderen – aber sie würden wichtige Zeichen setzen, Zusammenhalt schaffen und könnten den öffentlichen Diskurs wie auch politischen Handlungsspielraum ändern, sagte Pollak gegenüber der taz.

Auch in Innsbruck, Salzburg und Graz gingen am Donnerstag Tausende auf die Straße. In Graz, Landeshauptstadt der seit Kurzem FPÖ-regierten Steiermark, sollen künftig wieder wöchentliche Demos stattfinden.

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9 Kommentare

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  • Wir haben doch in Deutshcland vor einem Jahr gesehen, wie sehr sich die politische Rechte selbst um die größten Demonstrationen schert:

    Gar nicht nämlich.

  • Ich hab inzwischen null Mitleid mehr mit der österreichischen Bevölkerung, und am Ende bleibt halt ein Wahlergebnis, in dem linke Parteien massiv abgestraft wurden und die FPÖ klar dazugewonnen hat. Und sollte es Neuwahlen geben, wird es sogar eher zu einer Stärkung des rechten Rands kommen. Also muss es wohl mal sein, allein schon um aufzuzeigen, dass all die Wahlversprechen von Kickl eben nur „Versprechen“ sind, und am Ende das Land schlechter dasteht als vorher. Global spielt Österreich keine Rolle, und wenn es SO VIELE Gegner gäbe (wie die Bilder es jetzt vermitteln sollen), hätte es ein anderes Ergebnis am Wahltag gegeben. Hat es aber nicht. Pech gehabt…

  • Traurig, aber so haben die Wähler gewählt. Und ich fürchte, uns ergeht es auch bald so.

    • @Hans Dampf:

      Berlin, 1945.

      "Traurig. Aber so haben die Wähler gewählt..."

      Deswegen gibt es ja die Notwehrklausel. Nach BRD-Recht wäre Georg Elser kein Terrorist gewesen!

      Um es klipp und klar zu sagen: wenn der Bundestag, das Bundesverfassungsgericht, die Bundespolizei, der Bundesverfassungsschutz, die Bundeswehr, ein "wilder" Generalstreik es nicht mehr aufhalten können oder wollen, dann sagt unser Grundgesetz:

      Die Machtergreifer sind vogelfrei - sie haben ihr Recht auf Leben verwirkt!

      Ich weiß nicht, wie das in Österreich ist; die sind an das Problem des Neofaschismus grundsätzlich anders rangegangen, mit "Wiederbetätigungsverbot" usw.

      Aber irgendjemand wird irgendwo den Anfang machen. Je früher ein Faschismus in seinem eigenen Blut ersäuft wird, desto weniger Tote gibt es.

      Demonstrieren bringt gar nix. Ein Generalstreik wie der gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch bringt etwas, das lehrt uns die deutsche Geschichte.

      Und Haiders Tod hatte ja durchaus aufschiebende Wirkung. Gute "Führer" wachsen nicht auf Bäumen: Danke insofern an die eine Nase Koks zuviel, die der österreichischen Demokratie einen Aufschub verschaffte.

  • Wie viele der Demonstranten haben denn nicht gewählt? Hinterher zu demonstrieren ist immer leicht. Wahlbeteiligung war knapp 78%

  • Am Ende kann ich mittlerweile nur noch zynisch hoffen, daß der Sozialabbau der Rechten, die aktuell überall im Aufwind sind, auch diejenigen hart treffen wird, die diese Parteien gewählt haben.

    Sie sollen bitte ihre eigene ignorante Suppe auslöffeln, die sie allen anderen einbrocken.

  • Vor einem Jahr gingen in Deutschland Millionen Menschen auf die Straße, um gegen die faschistoiden 'Remigrationspläne' von AFD und Konsorten zu demonstrieren. Genützt hats 'stimmenmässig' nichts, die AFD hat in allen drei Landtagswahlen im Herbst Stimmen zugelegt bzw. die meisten eingeheimst und die aktuellen Umfragen zur BTW sehen die AFD bei 20%. Auch in Österreich haben schon früher immer wieder Demos gegen die Rechten stattgefunden, aber auch dort nützte es nichts. In vielen Bundesländern sitzt die FPÖ mit in der Regierung, im Bund stellen sie demnächst wahrscheinlich den Kanzler. Die jetzigen Demos in Wien und anderswo sind deshalb eigentlich wieder nur eine 'Ohnmachtsveranstaltung'; ohnmächtig gegenüber den überzeugten Rechtswählern, die sie durch solche Demos leider nicht erreichen und von ihrem Tun abhalten können. Was kann man aber tun? Sarkastisch gesagt: es müssten eigentlich diese ganzen hunderttausende Demonstranten in die CDU oder ÖVP eintreten, um beide Parteien liberaler zu machen und sie somit nicht mehr zum Steigbügelhalter für AFD und FPÖ werden.

  • Konservative als Steigbügelhalter der Faschisten. Immer und immer wieder.

    • @Minelle:

      Die Frage ist halt, warum man so Umstürzler als "konservativ" (erhaltend, bewahrend) bezeichnet?