Demonstrationsrecht in Berlin: Wegkommen vom Versammlungsverbot
Auch in Zeiten von Corona müsse Protest möglich sein, meinen Grüne und Linke. Der Senat möge das bei der Neufassung der Verordnung berücksichtigen.
An diesem Dienstag wird der Berliner Senat die Verordnung über die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus nachjustieren. Dabei wird es auch um das Versammlungsrecht gehen. Sie gingen davon aus, dass sich in der Frage Protestverbot etwas bewege, sagten Linke und Grüne am Montag zur taz. Wie das konkret aussehen soll, blieb aber vage.
Seit dem 14. März hat die Polizei vier Kundgebungen erlaubt, 14 Anträge auf Ausnahmegenehmigung abgelehnt und 12 nicht angemeldete Versammlungen aufgelöst.
Die aktuelle Eindämmungsverordnung besagt, dass Versammlungen unter freiem Himmel mit bis zu 20 Teilnehmenden in besonders gelagerten Einzelfällen zugelassen werden können, sofern dies aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist. Die Gesundheitsämter seien fachlich an der Entscheidung zu beteiligen.
Die Polizei habe die Versammlungen untersagt, ohne das Gespräch mit den Anmeldern zu suchen, kritisierte der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, am Montag die bisherige Praxis. In Zukunft müsse die Versammlungsbehörde Einzelfallentscheidungen treffen, statt sich wie bisher hinter den Gesundheitsämtern zu verschanzen.
Kein grundsätzliches Verbot
„Wir müssen wegkommen von einem grundsätzlichen Verbot“, meinte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linken. Er stellt sich das so vor: Die Versammlungsbehörde müsse mit den Anmeldern Regularien erarbeiten, die auch Abstandsregelungen beinhalteten.
Eine konkrete Teilnehmerbegrenzung in die neue Verordnung zu schreiben, halte er für unsinnig, sagte Lux. Die zulässige Teilnehmerzahl hänge davon ab, ob sich es um eine Marschdemonstration oder eine stationäre Kundgebung handele. Bei einer Marschdemonstration sei Abstand halten nicht so einfach. Auch Schrader wollte sich auf keine Zahl festlegen.
Vom Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehen sich Grüne und Linke bestärkt. Jeder Einzelfall sei von der Versammlungsbehörde gesondert zu prüfen, hatte das Gericht letzte Woche entschieden. Der Kläger, ein Gießener, konnte mit 15 Teilnehmern unter Wahrung der Abstandsregeln eine Minikundgebung abhalten.
Der Sprecher des Innensenators, Martin Pallgen, gab sich am Montag wortkarg. „Wir möchten den Entscheidungen der Senatssitzung nicht mit forschen Statements vorgreifen.“ Dass Hamburg eine liberalere Regelung praktiziert, kommentierte er mit den Worten: „Wir sollten in keinen Überbietungswettbewerb mit anderen Bundesländern eintreten.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rekordhoch beim Kirchenasyl – ein FAQ
Der Staat, die Kirchen und das Asyl
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Preise fürs Parken in der Schweiz
Fettes Auto, fette Gebühr