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Demokratie im Großversuch

Indonesien bereitet sich nach Jahrzehnten der Diktatur auf demokratische Wahlen vor. Die Ausgangsbedingungen sind alles andere als ideal. Viele befürchten Unruhen  ■ Von Jutta Lietsch

Bangkok (taz) – Als Indonesiens Präsident B.J. Habibie in dieser Woche die neuen Wahlgesetze unterschrieb, war dies der Startschuß für ein atemberaubendes Experiment: die Demokratisierung eines der größten Länder der Welt innerhalb kürzester Zeit. Am 7.Juni sollen in dem Vielvölkerstaat, der sich über fünftausend Kilometer von Ost nach West erstreckt, die ersten freien Parlamentswahlen seit 44 Jahren stattfinden. Schon in guten Tagen eine überwältigende Aufgabe. Doch Indonesien steckt in einer schweren wirtschaftlichen Krise. Und der Zusammenbruch der alten politischen Ordnung ließ in den letzten Wochen heftige ethnische und religiöse Konflikte aufflammen.

Ex-Staatschef Suharto hatte sich mit Hilfe des Militärs ein extrem zentralisiertes System gezimmert, das ihn 32 Jahre lang unangefochten an der Macht hielt. Autoritäre Politiker aus anderen Ländern wie zum Beispiel Birma studierten bis zuletzt begierig sein Erfolgsrezept: eine Diktatur mit demokratischer Fassade – drei streng kontrollierte Parteien und ein zahnloses Parlament. Damit ist es vorbei: Seitdem Suharto im vergangenen Mai aufs Altenteil gezwungen wurde, sind über 200 neue Parteien entstanden, die Medien erleben eine nie gekannte Freiheit.

Die Abgeordneten der alten Volksversammlung sahen sich plötzlich gezwungen, an dem Ast zu sägen, auf dem sie saßen. Sie mußten klären: Wer darf kandidieren? Welche Rolle erhält das Parlament? Wieviel Macht sollen Provinzen und Distrikte bekommen. Welche Regeln gelten für den Wahlkampf? Ergebnis: Kandidieren dürfen nur Parteien, die in mindestens einem Drittel der 27 Provinzen Büros und Mitglieder haben. Von den neuen Parteien werden damit wohl nur maximal zwei Dutzend um Stimmen werben.

Zwei heikle Punkte hätten die neuen Wahlgesetze fast zum Scheitern gebracht: die Rolle des mächtigen Militärs und die der vier Millionen Beamten – die wichtigsten Säulen des alten Regimes. Bislang sind 75 Sitze des 500köpfigen Parlaments für Offiziere reserviert. Künftig werden es nur noch 38 sein. Beamte, die in die Politik gehen, müssen künftig ihren Job für eine gewisse Zeit aufgeben. „Wir haben den Status des Beamten neutralisiert“, freut sich Zarkasih Nur von der „Vereinigten Entwicklungspartei“. „Früher wurde er als Stimmenfang-Maschine für die Golkar behandelt. Das ist er nun nicht mehr.“

Suharto hatte alle Staatsbediensteten gezwungen, seine Golkar- Bewegung zu wählen. Die Verwaltung war damit bis in entlegenste Dörfer automatisch mit seiner Partei verbunden, was ihr bei den Wahlen stets eine satte Mehrheit garantierte und die Gegner verbitterte. Da half es wenig, daß der Golkar-Vorsitzende Akbar Tandjung sich im letzten Monat erstmalig im Namen seiner Partei für „Missetaten und Fehler der Vergangenheit“ entschuldigte.

Der Wahlausgang ist völlig offen. Viele Oppositionelle fürchten allerdings, daß die Wahlen womöglich gar nicht stattfinden. Sie warnen davor, daß alte Verbündete Suhartos und Teile des Militärs derzeit die Gewalt schürten, um einen Vorwand zum Eingreifen zu finden.

Laksamana Sukardi, Berater von Megawati Sukarnoputri von der „Demokratischen Partei“ ahnt ein düsteres Zusammenspiel zwischen der gegenwärtigen Regierung Habibies und reaktionären Militärs, „die kein demokratisches Indonesien wollen, weil sie ihre Macht verlieren würden“. Diesen Leuten sind vor allem ReformerInnen wie Megawati ein Dorn im Auge. Der Tochter des Staatsgründers Sukarno werden laut Umfragen die größten Chancen eingeräumt. Sie ist eng mit dem populären und liberalen Führer der muslimischen „Gemeinschaft der Religionslehrer“, Abdurrahman Wahid, verbunden, die immerhin 34 Millionen Mitglieder hat.

Während Wahid allerdings einen islamischen Staat strikt ablehnt, agitieren mittlerweile zahlreiche radikale Gruppen für eine stärkere politische und wirtschaftliche Rolle der Muslime, die rund 85 Prozent der Indonesier stellen.

Megawatis und Wahids stärkster Konkurrent ist der prominente Oppositionspolitiker und Universitätsdozent Amien Rais. Der Ex-Chef der muslimischen Religionsgemeinschaft Muhammadiya steht an der Spitze der neuen „Nationalen Mandatspartei“. Auch Habibie macht sich noch Hoffnungen, im Herbst vom neuen Parlament als Präsident wiedergewählt zu werden. Doch Islamisten und Reformer sind von ihm enttäuscht: „Am Anfang war die Fassade gut“, sagt Jusuf Wanandi vom „Institut für Strategische und Internationale Studien“ in Jakarta. „Aber er hat seine Versprechen nicht gehalten.“

So ist es Habibie nicht gelungen, die seit dem Ende der Suharto-Ära explosive politische Atmosphäre abzukühlen. Viele Indonesier fürchten deshalb einen blutigen Wahlkampf. Vorsichtshalber soll er nur drei Wochen dauern – und nur im Saal stattfinden.

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