Demokraten im US-Wahlkampf: Zum Leben erweckt
Kamala Harris zieht mit Tim Walz in den US-Wahlkampf. Das ist nachvollziehbar, denn schaden wird er ihr nicht – und damit auch nicht der Euphorie in der Partei.
N atürlich ist es auch eine geskriptete Euphorie, die von dem neuen demokratischen Ticket für die US-Präsidentschaftswahl ausgeht. Mit Kamala Harris und Tim Walz stehen jetzt zwei an der Spitze, die vermutlich aus einem offenen Vorwahlprozess nicht als Sieger*innen hervorgegangen wären. Aber nicht nur die Zehntausend, die in Philadelphia dem ersten gemeinsamen Auftritt beiwohnten, feiern sie geradezu frenetisch, auch die liberalen Medien und die Spender*innen überschlagen sich vor Begeisterung.
Der Grund ist einfach Erleichterung. Noch vor drei Wochen schien die Demokratische Partei klinisch tot. Mit jedem Tag, an dem Joe Biden beteuerte, er bleibe im Rennen, schienen sich mehr Demokrat*innen in ihr Schicksal zu ergeben. Eine katastrophale Wahlniederlage im November schien unvermeidlich, womöglich nicht nur im Rennen ums Weiße Haus, sondern auch für beide Kammern im Kongress.
Es kam anders, und die Erleichterung über Bidens Abgang ist in Energie umgeschlagen. Mindestens bis zum Ende des demokratischen Nominierungsparteitags (9. bis 22. August in Chicago) dürften Aufbruchstimmung und Geschlossenheit anhalten.
Die Auswahl von Tim Walz anstelle des Gouverneurs von Pennsylvania, Josh Shapiro, ist dabei nachvollziehbar. Shapiro hätte als klar proisraelisch positionierter jüdischer Politiker womöglich jene linken und arabischstämmigen Wähler*innen weiter abgeschreckt, auf deren Stimmen Harris auch angewiesen ist. Und er hätte im Gegensatz zu Walz womöglich nicht vermocht, sich hinter ihr einzureihen.
Walz wird Harris also vermutlich nicht schaden. Er hat in republikanischen Landstrichen bereits Stimmen für die Demokrat*innen gewonnen. Auch jetzt könnte er dabei helfen, auch wenn man die Rolle von Vizekandidaten nicht überbewerten sollte. Wenn Harris ohne Fehltritt bleibt und beide ihre Botschaften gut abstimmen, gibt es wieder eine Chance, Trumps Sieg zu verhindern. Eine Chance, mehr nicht. Aber immerhin das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Klimakiller Landwirtschaft
Immer weniger Schweine und Rinder in Deutschland