Demo zur Grünen Woche: „Für 3,50 Euro in Schlachthöfen“
Zum Auftakt der Grünen Woche protestieren in Berlin Tausende gegen industrielle Landwirtschaft, Tierquälerei in Mastfabriken und zu viele Pestizide auf den Feldern.
BERLIN taz | Es war kalt, sehr kalt: minus 5 Grad, dazu ein schwacher, aber eisiger Ostwind – nicht gerade ideal für eine Demonstration. Dennoch gingen am Samstag Tausende Menschen in Berlin auf die Straße, um unter dem Motto „Wir haben es satt“ gegen die Agrarindustrie zu protestieren. Damit schaffte es ein Bündnis aus Umwelt-, Tierschutz- und Bauernorganisationen im dritten Jahr in Folge, zu einer Großdemonstration am Rande der Agrarmesse Grüne Woche zu mobilisieren.
Nach Angaben der Veranstalter nahmen 25.000 Menschen teil, die Polizei wollte sich nicht zu Zahlen äußern, eine grobe Zählung der taz kam auf rund 10.000. Selbst das wäre angesichts des Termins mitten im Winter viel für ein Thema wie die Agrarpolitik, das in den meisten Medien nur ein Nischenthema ist.
Zwar lief im Demonstrationszug auch ein schwarzes Blöckchen mit einer Handvoll dunkel gekleideten Aktivisten der „Animal Liberation Front“ mit, die für Anschläge auf Stallbauten bekannt ist. Das Teilnehmerbild dominierten aber friedliche, eher bürgerlich wirkende Bio-Käufer, Bauern sowie Mitarbeiter von Organisationen wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) oder dem Deutschen Tierschutzbund. Manche traten im schwarz-weiß gefleckten Kuhkostüm oder als Imker mit Helm und Schleier auf. Rund 70 Landwirte führten den Zug vom Hauptbahnhof bis zum Kanzleramt mit ihren Traktoren an.
Regenwald als Tierfutter
Der Hauptredner, BUND-Chef Hubert Weiger, warf der Agrarindustrie vor, Tiere zu quälen, in der Mast zu viele Antibiotika zu verwenden und die Umwelt durch Pestizide und Dünger zu belasten: „Die Bundesregierung mit Kanzlerin Merkel und Agrarministerin Aigner muss endlich dafür sorgen, dass bäuerliche Betriebe statt vor allem Tierfabriken gefördert werden.“
In diese Kerbe schlug auch Uschi Helmers von der Bürgerinitiative gegen einen riesigen Geflügelschlachthof im niedersächsischen Wietze. „Es darf den Politikern nicht egal sein, wenn ausländische Arbeiter für 3,50 Euro Stundenlohn in deutschen Schlachthöfen ausgebeutet werden oder dass für Tierfutter der Regenwald in Südamerika abgeholzt wird.“
Ministerin Ilse Aigner (CSU) hielt dagegen: „Wer eine Agrarwende fordert, muss sehen, was Deutschland hier schon geleistet hat: Wir sind bei der Ökologisierung der Landwirtschaft weiter als die meisten Staaten Europas.“
Aigner diskutierte am Wochenende mit Regierungsvertretern aus rund 80 Ländern über „verantwortliche Investitionen“ in die Agrar- und Ernährungswirtschaft. Sie verlangten, dass mehr Geld in diese Branchen fließen müsse, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dafür waren die Demonstranten ebenfalls. Doch während Aigner und andere Minister auch die Agrarindustrie fördern wollen, setzen die Aktivisten noch stärker auf Kleinbauern und lokale Produktion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner