Demo gegen Rechtsextremismus in Cottbus: Die längste Kaffeetafel der Lausitz

Trotz strömenden Regens demonstrieren in Cottbus mehrere hundert Menschen für Demokratie. Das passt in der Stadt längst nicht allen.

Demonstration mit Transparent und Fahnen.

Demonstration gegen rechts am 2. Juni in Cottbus Foto: Hanno Fleckenstein

COTTBUS taz | An manchen Tagen und Orten ist es wirklich nicht leicht, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen. In Cottbus etwa, wenn es dann auch noch wie am Sonntag in Strömen regnet. Und doch stehen am frühen Nachmittag etwa 100 Menschen mit bunten Demoschildern und Antifa-Fahnen am alten Spreewaldbahnhof und suchen bei den überdachten Fahrradständern Schutz vor den Wassermassen.

Hier trifft sich einer von insgesamt fünf Zubringern zu einer Kundgebung des Bündnisses „Unteilbar Südbrandenburg“. Aus vier Cottbuser Stadtteilen und eben vom Bahnhof wollen die Gruppen ins Zentrum vor die Stadthalle ziehen – und dann weiter in einen Park, wo zum Ausklang die „längste Kaffeetafel der Lausitz“ stattfinden soll, wie das Bündnis schreibt.

Eine Woche vor der Europawahl und den Kommunalwahlen möchte Unteilbar Südbrandenburg hier „ein Zeichen setzen, dass die AfD niemals siegen darf“, sagt Bündnissprecherin Pauline Freund der taz: „Wir wollen die Zivilgesellschaft sichtbar machen und darauf hinweisen, wie wichtig unsere Arbeit ist.“ Cottbus und die Umgebung befänden sich im Strukturwandel – es sei wichtig, dass sie auch eine demokratische Zukunft hätten, fordert Freund.

Dafür arbeitet die Gruppe mit verschiedenen Organisationen vor Ort zusammen, etwa dem DGB, der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) und dem Geflüchteten Netzwerk. Im Wahljahr hat man sich auch Unterstützung vom Bündnis „Rechtsextremismus stoppen“ geholt, das von Campact initiiert wurde und mit dessen Hilfe in der ganzen Region für die Sterndemo am Sonntag in Cottbus mobilisiert wurde.

Jugendliche in Springerstiefeln

Mit Erfolg: Am Spreewaldbahnhof versammeln sich Antifas aus Finsterwalde, Um­weltaktivist*­in­nen aus Guben und Forst, Familien aus Spremberg und Stu­den­t*in­nen aus Cottbus. Viele haben Tupperdosen unterm Arm – Kuchen für die Kaffeetafel im Park. Als klar wird, dass der Regen nicht vorüberzieht, dreht der Lauti die Musik auf – „Schrei nach Liebe“ von den Ärzten – und die Zubringerdemo stapft unverdrossen los.

Die Polizei tut den Demonstrierenden nicht den Gefallen, auf den ohnehin verwaisten Straßen laufen zu dürfen, und so watet die Gruppe in einer Art Schildkrötenformation, verschanzt unter Regenbogen-Regenschirmen, durch die Pfützen auf dem Gehweg. Mit dabei ist eine Gruppe von Feu­er­künst­le­r*in­nen aus Forst. Sie setzen sich gegen Rechtsextremismus in der Region ein.

Erst vergangene Woche hat eine von ihnen eine Demo in ihrer Heimatstadt organisiert. Es seien 50 Leute gekommen, erzählt Lucy Abendrot der taz. Sie engagiert sich auch als Kinder- und Jugendbeirätin in Forst. Viele Jugendliche dort seien rechtsextrem, sagt sie: „Die tragen Springerstiefel mit weißen Schnürsenkeln, wie in den 1990er Jahren.“ Die Vorfälle an einer Schule in Burg im Spreewald im vergangenen Jahr hätten bundesweite Aufmerksamkeit bekommen, doch für Abendrot steht fest: „Das hätte einfach jede Schule hier sein können.“

Böller und Gegröle

Der schmucklose Platz vor der Cottbuser Stadthalle füllt sich, als der Zubringer vom Bahnhof dazustößt. Insgesamt sind wohl etwa 500 De­mons­tran­t*in­nen gekommen. Das sind deutlich weniger als die 1.000, die sich Unteilbar erhofft hatte – und viel weniger als die 5.000, die man noch im Januar, kurz nach der Correctiv-Recherche zu rechten Deportationsfantasien, mobilisieren konnte. Trotzdem hält die Stimmung. Unter Jubel und Applaus rufen die Red­ne­r*in­nen vom Staatstheater Cottbus, von der sorbischen Domowina und von Campact dazu auf, an der Kommunal- und Europawahl teilzunehmen und für demokratische Parteien zu stimmen.

Doch das passt in Cottbus nicht allen. Zweimal knallt es sehr laut, in der Nähe der Kundgebung haben Störer Böller gezündet. Und vor dem Eingang der Stadthalle steht eine Gruppe Männer und raucht; immer wieder grölen sie die Melodie von „L’Amour Toujours“ von Gigi D’Agostino – zwar nicht die rassistische Version, aber die Anspielung ist klar.

Menschen an einer langen Kaffeetafel.

Und nach der Demo Kaffee und Kuchen für alle Foto: Hanno Fleckenstein

Cottbus ist ein hartes Pflaster für linke und progressive Gruppen. Bereits seit 2019 stellt die AfD die stärkste Fraktion im Stadtparlament. Bei der Wahl am kommenden Sonntag dürfte sie weitere Gewinne verzeichnen. Daneben treten weitere rechtsoffene Wählerbündnisse wie die „Mittelstandsinitiative Brandenburg“ und die Gruppe „Zukunftssicheres Cottbus“ an. Auch die Neonazi-Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ ist in Cottbus aktiv; hinzu kommen rechte Vorfeldorganisationen wie der rassistische Verein „Zukunft Heimat“.

Happy End im Puschkinpark

Die De­mons­tran­t*in­nen vor der Stadthalle schenken den Pöbeleien kaum Beachtung. Man ist abgehärtet. Nach einer Stunde wird die Kundgebung schneller beendet als geplant, es ist einfach zu nass. Alle flüchten in eine kleine Einkaufspassage.

Doch dann zieht der Regen ab, im nahegelegenen Puschkinpark werden die Bierzeltgarnituren abgetrocknet. Zwei Gei­ge­r*in­nen betreten eine kleine Bühne und spielen „My heart will go on“. Gut 100 Leute setzen sich doch noch an die „längste Kaffeetafel“.

Mit dabei ist der Sozialarbeiter Hassaan Al Hassan. An einem Stand verteilt er gemeinsam mit jungen Geflüchteten Kaffee und selbstgebackenen Kuchen. Al Hassan kandidiert bei der Kommunalwahl für die Grünen. Er selbst ist 2015 als Geflüchteter aus Syrien nach Cottbus gekommen. „Die Stimmung in der Stadt ist schwierig“, sagt er der taz. „Wir machen nie allein Wahlkampf, aus Angst vor Übergriffen.

Erleben, dass man nicht allein ist

Aber am Sonntag will sich niemand die Laune vermiesen lassen. Die Idee mit der Kaffeetafel hatten die Ak­ti­vis­t*in­nen von Unteilbar Südbrandenburg nach einer ähnlichen Veranstaltungsreihe: In den vergangenen Monaten hatten sie kleine Kaffeekränzchen in Kooperation mit Institutionen wie einem Altenheim oder einer Behinderteneinrichtung ausgerichtet.

„Es geht darum, ein niedrigschwelliges Angebot zu schaffen“, erklärt Pauline Freund: „Die Menschen können selbst etwas beitragen und erleben dabei: Ich bin mit meiner Meinung nicht allein.“ Das sei in der Region fast das Wichtigste. „Denn erst wenn man Gleichgesinnte trifft, fühlt man sich sicherer und traut sich raus“.

Das sei am Sonntag trotz aller Widrigkeiten gelungen, sagt Freund: „Wir gehen heute mit dem Gefühl aus dem Tag, dass die Lausitzer Zivilgesellschaft für Demokratie, Solidarität und Vielfalt steht. Egal, wie das Wetter ist oder wie die Wahlen ausgehen: Wir halten zusammen.“

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