Demo für höhere Preise: Milch bald komplett wertlos
Bauern-Demo gegen den Verfall des Milchpreises: Den Molkereiriesen werfen sie vor, den Abwärtstrend durch ihre Exportstrategie zu verstärken.
Das DMK ist bundesweit die größte Molkerei. Der Konzern expandiert seit Jahren: Ab 2016 will man, nach der dann vollzogenen Einverleibung von DOC Kaas, dem zweitgrößten Käsefabrikanten der Niederlande, Europas Nummer Sechs sein. Derzeit verarbeitet DMK jährlich 6,8 Milliarden Kilo Milch, macht 5,3 Milliarden Umsatz – und selbst im miesen Jahr 2014 noch einen Gewinn von 27 Millionen Euro.
Nur 27 Cent hat das DMK dagegen den ErzeugerInnen pro Liter im Juni gezahlt: „Dieser Preis zerstört bäuerliche Strukturen“, warnte Ottmar Ilchmann, Milchbauer und stellvertretender Bundesvorsitzender der AbL. „Wir können Rechnungen nicht mehr bezahlen und für einige Milchbauern stellt sich jetzt schon die Existenzfrage.“
Auslöser für die aktuelle Krise ist der ersatzlose Wegfall der Mengenregulierung durch die Quote: Schon lange vor dem Auslaufen der Quote hatten BDM und AbL vor dem jetzt eintretenden Szenario gewarnt. Mittlerweile befindet sich der Erzeugerpreis bei weiter steigenden Liefermengen seit zwei Monaten im freien Fall.
„Das Überangebot von Milch muss umgehend verringert werden“, so Ilchmann. Für die Umsetzung eines vom BDM seit Jahren beworbenen, am Markt orientierten Mengenmanagement, des European Melk Board, hatte es bislang keine politischen Mehrheiten gegeben.
Begünstigt werde der Preisverfall auch durch die Geschäftspolitik der Molkereien. Namentlich das DMK setze auf einen fragwürdigen Exportkurs. In der EU ist die Milchproduktion vergleichsweise kostenintensiv: Weltmarktführer ist Neuseeland, wo Ganzjahresweidewirtschaft üblich ist. Dort galt ein Erzeugerpreis von umgerechnet 27 Euro-Cent im vergangenen Jahr als Rekord.
Auf dem Weltmarkt bestehen könnten hiesige Milchprodukte nur durch Quersubventionen. Überschüssige Mengen würden dort unterpreisig angeboten, so der Vorwurf. Zugleich gebe man niedrige Einzelhandelspreise „bequem an die Erzeuger weiter“, moniert Bio-Bäuerin Johanna Böse-Hartje.
Tatsächlich wird, wer beim DMK nach dem Gewinn aus Exporten in Nicht-EU-Länder fragt, auf den Geschäftsbericht verwiesen, der diese Zahlen nicht liefert. Was den deutschen Einzelhandel angeht mache der „nur einen Teil unseres Umsatzes“ aus. An den Verwerfungen beim Preis dort spiele „leider der Verbraucher eine Rolle“: Wie groß es auch sein mag, dem DMK sind die Hände gebunden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“