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Demo der VeranstaltungsbranchePappschild mit „Save the fun“

In Coronazeiten setzt die Veranstaltungsbranche auf Demos für mehr politische Beachtung. Was fehlt, ist Kreativität.

Suche nach Emotionen: Nicht nur bei Maskengesichtern, auch beim Wort „Veranstaltungsbranche“ Foto: Emmanuele Contini/imago

I ch weiß nicht, was genau ich von der „Rettet die Veranstaltungsbranche!“-Demo letzten Freitag erwartet habe, aber wenn die Kreativwirtschaft schon zum großen Protestmarsch ruft, hätte da ja schon mehr als eine Latschdemo mit den üblichen Reden herauskommen können. Irgendwas mit Trockeneisnebel, Feuerwerk, Spektakel vielleicht. Für so etwas sind die Veranstalter doch schließlich da.

Stattdessen zogen bei der inzwischen dritten Demo der darbenden Branche ein paar Trucks durch Mitte, die immerhin ordentlich Lärm mit Technobeschallung machten, und ein paar Hanseln stapften hinterher. Transpis wurden hochgehalten, auf die „Rettet die Kinos“ oder, etwas spezifischer, „Rettet das Colosseum“ gekritzelt wurde, einer trug ein Pappschild spazieren, auf dem er forderte: „Save the fun“. Und dann wurde noch ein Sarg durch die Gegend gefahren, womit die Veranstaltungsbranche wohl symbolisch zu Grabe getragen werden sollte.

Zur Abschlusskundgebung auf dem Bebelplatz sorgte dann die Berliner Party- und Coverband Birddogs für das Rahmenprogramm und spielte Songs von Bruce Springsteen und den Beatles nach. Das löste zumindest bei mir nicht gerade einen nachhaltigen Wow-Effekt aus.

Irgendwie kriegt das die Veranstaltungsbranche noch nicht so richtig hin mit dem Generieren von Aufmerksamkeit. Wahrscheinlich liegt das allein schon am Wort: „Veranstaltungsbranche“. Das löst kaum Emotionen aus. Kino, Theater, Konzerte, Clubs, alle Teil dieser Branche, für sich genommen dagegen schon. Vielleicht sollte man es mal mit einem Branding versuchen, das mehr elektrisiert. Denn dass die Branche berechtigte Forderungen hat, daran zweifle ich nicht. Den Künstlern, DJs, Konzertveranstaltern, die ich so kenne, denen geht es allen nicht gut.

So wenig wie Jule und David, die auf der Demo gelandet sind, weil sie sich von deren Anliegen direkt angesprochen fühlten, wie sie sagten. Sie arbeitet normalerweise im Abenddienst bei diversen Veranstaltungen, er als Lichttechniker. Beide sind sie Soloselbstständige und seit Monaten arbeitslos. Sie brauche gerade ihre letzten Ersparnisse auf, er beziehe inzwischen ALG II.

Mehr Beachtung seitens der Politik erhofften sich die beiden durch so eine Demo, und sie plädierten für ein bedingungsloses Grundeinkommen. Die Coronawelt verstehen sie nicht mehr, das machten sie schnell klar. „Die Flugzeuge sind wieder voll besetzt, aber Abstandsregeln machen es Theatern unmöglich, wirtschaftlich zu arbeiten“, sagte er, und bezogen auf die eigene Situation wurde er sehr deutlich. „Man wird von der Politik wie der letzte Rotz behandelt.“

Demo-Hopping und Rave

Ganz offensichtlich waren auf der Demo aber nicht nur direkt Betroffene wie Jule und David, sondern auch Neugierige. Eine Frau neben mir entpuppte sich gar als Demo-Hopperin. Sie sei gerade bei Fridays for Future gewesen, jetzt wollte sie mal schauen, wer hier so einen Krach veranstalte. Demos scheinen sowieso gerade die Form von Veranstaltungen zu sein, die als einzige noch richtig laufen. Am Abend zog direkt vor meiner Haustüre noch ein schwarzer Block vorbei, der an die erschossene Maria B. erinnern wollte, die ein Opfer der Polizeigewalt geworden sei.

Aber dann fuhr ich am nächsten Tag in Altstralau vorbei, und was sah ich: einen Rave, einen echten Rave, den wahrscheinlich ersten offiziellen Post-Lockdown-Rave in Berlin überhaupt. Und das in einem Club, der nicht mal mehr über eine echte Website verfügt und bei Facebook abgemeldet ist. Und zwar im „Ost“ oder „Osthafen“, man weiß ja nicht einmal mehr, wie der Laden überhaupt heißt. Aber immerhin: Es war ein echter Event der Veranstaltungsbranche.

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