Dekret gegen Migranten in Italien: Pauschal zur Bedrohung erklärt
Neuer Schlag von Italiens Innenminister gegen Flüchtlinge und Migranten: Ein Dekret schränkt das Aufnahmesystem massiv ein.
Bezeichnend schon ist, dass das am Montag vom Kabinett verabschiedete Maßnahmenpaket den Namen „Sicherheits-Dekret“ trägt – und damit die Migranten pauschal zur Bedrohung der inneren Sicherheit erklärt. Vorneweg soll die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen aus humanitären Gründen gestrichen werden, die bisher vielen Flüchtlingen zugutekam, die nicht als individuell verfolgt eingestuft werden können.
Zudem soll Asylberechtigten die Aufenthaltserlaubnis entzogen werden, wenn sie wegen Drogen- und Sexualdelikten, Raub und Einbruch unter Mitführung einer Waffe oder Bedrohung von Beamten verurteilt sind. Noch vor einem letztinstanzlichen Urteil soll zudem das Asylverfahren jener Flüchtlinge gestoppt werden, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen dieser Delikte eingeleitet ist. Eingebürgerten Zuwanderern, die wegen terroristischer Straftaten verurteilt werden, soll die Staatsbürgerschaft wieder entzogen werden können. Darüber hinaus will die Regierung die Verweildauer in Abschiebehaftanstalten von bisher 90 auf 180 Tage verdoppeln.
Eingeschränkt werden soll dagegen das Aufnahmesystem für Asylbewerber. Italien verfügt hier über zwei Stränge: einerseits die oft großen Camps, in denen die Flüchtlinge regelrecht geparkt werden, andererseits ein System namens SPRAR. Dabei handelt es sich um kleine, von den Kommunen organisierte und meisten von Trägern der Sozialarbeit betriebene Einrichtungen, die oft vorbildliche Arbeit leisten, Sprachkurse durchführen und Rechtsberatung zur Verfügung stellen. Knapp 25.000 Flüchtlinge werden bisher im Rahmen des SPRAR betreut. Jetzt aber will Salvini alle Asylbewerber aus diesen Einrichtungen verbannen; nur noch Flüchtlinge, denen der Asylstatus schon zuerkannt worden ist, sollen Zugang haben.
Mit harscher Kritik reagierte Salvinis Vorgänger im Amt des Innenministers, Marco Minniti von der gemäßigt linken Partito Democratico, auf das Dekret. „Wut und Angst“ bediene die Regierung, „auch wenn es gar keinen Notstand gibt, der außerordentliche Maßnahmen rechtfertigen würde“. Mit der Abschaffung des humanitären Schutzes sorge die Regierung bloß dafür, dass mehr Migranten am Ende irregulär im Land leben, und mit der Einschränkung des SPRAR-Systems werde die bisher dort geleistete Integrationsarbeit torpediert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit NS-Erinnerung
Was der Opa von Friedrich Merz mit der Gegenwart zu tun hat
Israelkritik der Linkspartei
Der Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs
Schwatzhafte Päpste
Treffen sich Obama, Trump und der Papst im Himmel
Deutschland und der jüdische Staat
Schluss mit der Symbolpolitik
Eurovision Song Contest
Es haben die Richtigen gesiegt
Abtreibungsgesetze in den USA
Hirntote Schwangere zum Weiterleben gezwungen