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Debütalbum von ParrisNachts funkelt der Bass tiefblau

Seine Musik kommt aus dem Club, lässt sich aber hören wie Pop: Das Debütalbum des Londoner Produzenten Parris ist so unkonventionell wie großartig.

Er habe seine musikalische Handschrift nun gefunden, so der britische Dancefloor-Produzent Parris Foto: Daniel Naylor

Sanfte Klangwellen wogen auf und ab, hin und wieder wischt der kurze Klang eines Beckens darüber hinweg. Die Wellen kommen näher, werden zu einem Meer, die Kraft der Bassschübe lässt den Boden unter den Füßen vibrieren. Hört sich so die Farbe Blau an? Auch ohne Wasser-Metaphern erkennt Parris in Tracks wie „Sleepless Comfort“ immer wieder Blau.

Die Farbe ziehe sich durch die Musik auf seinem Debütalbum – daher auch der Titel der eindrucksvollen Musik. Auf „Soaked In Indigo Moonlight“ greift der Produzent und DJ aus London Clubmusikstile wie House, Techno, Jungle, Grime und Dubstep auf und fügt sie mit dezenten Pop-Einflüssen zu einem Sound zusammen, der nicht mehr loslässt.

Dwayne Parris-Robinson ist in den Londoner Stadtteilen Hackney und Tottenham aufgewachsen. „Ich komme aus einer Gegend, in der viele in Sackgassen landen“, erzählt der 31-Jährige im Interview. Es sind gerade auch jene Viertel, aus denen in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder spannende, zukunftsgewandte Klänge drangen, die bis heute britische Club- und Popkultur prägen.

Working-Class-Subkulturen

„Viel Musik, auf die ich Bezug nehme, kommt aus Working-Class-Subkulturen. Schwarze Menschen haben Jungle geprägt, genauso wie UK-Garage, Grime und Dubstep. Leute haben gelernt, sich mit Musik auszudrücken und werden dafür anerkannt. Es ist wichtig, enge musikalischen Verbindungen zu den Communities zu haben, aus denen ich selbst komme.“

Geprägt hat Parris speziell Dubstep, ein Genre, das Mitte der nuller Jahre seine Hochphase hatte und nach dem schnellen, Breaks-trifft-House-Genre UK-Garage wieder tief abtauchte in den Bass und nach euphorischen Champagner-Duschen meist im düsteren Klangnebel badete. Wobei unklar war, was Dubstep exakt bedeutet. Bis heute gilt als Orientierung die Clubnacht „FWD>>“ im Londoner Club Plastic People. Dort trafen sich Pro­du­zen­t*in­nen und DJs, die unkonventionellere Musik auflegten als das, was vorher für UK-Garage, Jungle und Drum ’n’ Bass stand.

Dubstep bedeutet stilistische Offenheit, darauf läuft es immer hinaus, wenn Leute über „FWD>>“ und die Anfänge sprechen. Das gilt auch für Parris, der dort Stammgast war. Produzent*innen, die später mit Dubstep in Verbindung gebracht wurden, lieferten eine Bandbreite an Rhythmen, Klängen und Tempi ab. Häufig war die Musik bestimmt von magenmassierenden Bässen und brachialen Drums. Sie bewirkten eine Entschleunigung und Verdunkelung des häufig sehr melodischen UK-Garage, dessen Stilmerkmal ein Breakbeat im Shuffle war, der Two Step.

Die Echokammern des Dub

Manche Pro­du­zen­t*in­nen suchten bei Dubstep mit Offbeats und One-Drop-Rhythmen die Nähe zu Dubreggae. Andere betonten den Rave-Zweig durch feingliedrige Break-Akzente. Am Ende passte doch alles zusammen. Stilistische Offenheit verbindet, und sie hat auch Parris geprägt, erst als DJ, dann in der Produktion seiner eigenen Tracks, die er seit 2014 veröffentlichte.

Das Album

Parris: „Soaked in Indigo Moonlight“ (Can You Feel the Sun).

Dubreggae, wie er im Begriff Dubstep mit drinsteckt, habe für ihn aber nie eine zentrale Rolle gespielt. Trotzdem schwingen die aus der Karibik nach Großbritannien geschwappte Soundsystem-Kultur und damit auch die Echokammern des Dub über Umwege in seiner Musik mit. Inzwischen hat sich Parris von Dubstep und Grime aus stilistisch weiterentwickelt. Mit seiner Musik, die auf Labels wie Idle Hands, The Trilogy Tapes und dem von ihm zusammen mit dem in Berlin lebenden Produzenten Call Super betriebenen Label Can You Feel the Sun erschienen ist, zeigte er zuletzt immer deutlicher, wie sehr ihn auch Techno und House beeinflusst haben.

Es greift ineinander

Bei seinen Singles tendiert er inzwischen eher zur Herstellung effektiver Tanzflächenwerkzeuge. Und doch bleibt der britische Künstler der vielfältigen Londoner Dancefloor-Tradition verbunden. Das zeigt auch sein Album „Soaked in Indigo Moonlight“. Parris schafft es, auf dem Debüt viele Ideen in einem kraftvollen Strom zu bündeln und in ein tiefes Klangmeer münden zu lassen.

Egal, welchen Rhythmus der Londoner wählt – turbulente Breakbeats, stampfenden Four-to-the-floor, wirbelnde Polyrhythmen oder minimalistisch schiebende Bassdrums, manchmal auch alles in einem einzigen Track –, es greift ineinander, fügt sich zusammen. Er habe seine musikalische Handschrift, jetzt gefunden, findet Parris.

Strahlt viel Wärme aus

In den vergangenen Jahren sei ihm aufgefallen, dass er viel Musik gemacht habe, die sich blau anhöre. An bestimmte Gefühle knüpft er diese Farbgebung nicht. Einen Teil seiner Persönlichkeit drücke sie aber schon aus. Blau scheine einen Teil seines Charakters widerzuspiegeln. Welche Seite seines Charakters dies ist, lässt Parris offen. Es bleibt eine ästhetische Beschreibung seiner Musik. So wenig griffig das klingt, so konkret wirkt der Sound von Parris. Obwohl der Klang sehr maschinell und rau klingt, strahlt er viel Wärme aus, die er durch den Einsatz von strahlenden Synthesizern und erdigen Bässen erzeugt.

Dazu kommt, wie Parris Popkultur begreift: als Ort, den man immer wieder aufsuchen möchte. Solche Musik wolle er machen. Klänge, die man immer wieder hören möchte, davon gibt es auf „Soaked in Indigo Moonlight“ mehr als genug. In diesem Sinn ist es ein großartiges – unkonventionelles – Popalbum mit Dancefloorschlagseite.

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