Debatte zur Pränataldiagnostik: Von Downsyndrom bis Designerbabys
Der Bundestag diskutiert über die Frage, ob Kassen einen Bluttest für werdende Mütter übernehmen sollen. Auch parteiintern ist man uneinig.
Der Grünen Corinna Rüffer, die die „Pränatest“-Debatte vor Jahren angestoßen und 2018 mit einer überparteilichen Abgeordnetengruppe ins parlamentarische Rollen gebracht hatte, drehte Schäuble einfach das Mikrofon ab. Sie redete weiter, Schäuble blieb beinhart: „Sie können weiterreden, aber Sie haben kein Mikro mehr.“
Mit längeren Referaten war zu rechnen. Der „Pränatest“-Diskurs ist emotional hoch aufgeladen und ähnlich umstritten, wie es etwa Schwangerschaftsabbrüche und die Präimplantationsdiagnostik sind. Und so kann auch von der üblichen Pro-und-Contra-Trennlinie der Parteien keine Rede sein. Es gibt SPD-Abgeordnete wie Dagmar Schmidt, die ein „Recht auf Nichtwissen“ als wichtig erachtet. Ihre Parteikollegin Sabine Dittmer hingegen plädiert für das „Recht auf Wissen“: „Das darf nicht abhängig sein vom Einkommen.“
Der Bluttest, der Gendefekte wie Trisomie 21 bereits im Mutterleib feststellt und im Gegensatz zur Fruchtwasserpunktion risikoarm für Schwangere und Fötus ist, kostet zwischen 200 und 300 Euro. Das muss privat bezahlt werden, die Krankenkassen übernehmen diese Kosten derzeit nicht.
Nicht immer sachlich
Die CDU-Abgeordnete und Vorsitzende der Frauenunion, Annette Widmann-Mauz, plädierte dafür, dass der Pränatest von den Kassen dann bezahlt werden sollte, wenn er medizinisch notwendig sei, sprich: wenn sich Gendefekte andeuten. Sie fürchte allerdings, dass der Test „zur Routine“ werde. So sachlich hielten es manche ihrer FraktionskollegInnen nicht.
Da beschwor der Arzt und CSU-Mann Stephan Pilsinger die „eugenische Gesellschaft“ herauf und schlug einen Bluttest ab der 12. Schwangerschaftswoche vor, um „Designerbabys zu vermeiden“. In den Augen von Michael Brand, CDU, führt die „Diagnose Trisomie 21 in 90 Prozent der Fälle zum Tode“. Damit spielte Brand auf die Zahl der Abtreibungen nach einem positiven Downsyndromtest an. Die SPD-Abgeordnete Susann Rüthrich sprach von einem „Paradigmenwechsel“: Der Bluttest diene nicht der Gesundheit des Kindes.
Katja Dörner (Die Grünen)
Die Grünen und die Linkspartei argumentierten vor allem mit dem Selbstbestimmungsrecht der Frau und der Familie sowie mit der „sozialen Frage“. So erklärten sowohl die Grüne Katja Dörner als auch die Linke Petra Sitte, dass es unverständlich sei, warum der Bluttest von den Kassen nicht bezahlt würde, obwohl andere Vorsorgeuntersuchungen selbstverständlich übernommen würden. Beide Politikerinnen traten für eine inklusive Gesellschaft ein, die so noch nicht existiere. „Es ist nicht entscheidend, ob die Kasse den Test bezahlt, es ist entscheidend, dass Kinder mit Behinderungen und ihre Eltern ein gutes Leben haben“, sagte Dörner.
Die wohl am bewegendste Rede hielt die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr. Sie erwartet ihr zweites Kind und erzählte, wie wichtig für sie – aufgrund einer eigenen Krankheit – die Bluttests bei der ersten Schwangerschaft waren. Die Untersuchungen produzierten Sorge, sagte sie, aber auch die „Möglichkeit, sich auf Kommendes einzustellen“. Das ist ganz im Sinne der SPD-Frau Hilde Mattheis: „Wenn Paare früh wissen, wie es um das Kind steht, dann können sie es gut annehmen – so oder so.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!