Debatte um den Nahost-Konflikt: Kleinkrieg unter Friedensaktivist*innen
Die Deutsche Friedensgesellschaft streitet über den Umgang mit Israel. Ein Landesverband hatte gegen eine Demo „für gerechten Frieden“ protestiert.

„Der BSK greift hier ganz massiv in die Autonomie eines Landesverbandes ein und putscht mit fadenscheinigen Begründungen einfach einen demokratisch gewählten Vorstand weg, weil der Bundesebene nicht passt, dass wir Israel nicht angemessen hassen“, sagt Toni Schmitz, die Sprecher*in des Berliner Vorstands. Hier wird schon deutlich, dass sich wieder einmal Linke an der Nahostfrage zerstreiten.
„Im Verband wurde und wird immerzu über politische Positionen gestritten. Das ist auch gerade im Fall des Konflikts im Nahen Osten wichtig“, beteuert der politische Geschäftsführer der DFG-VK Michael Schulze von Glaßer gegenüber der taz. Leitend seien für sie die Grundsätze, antisemitischen Positionen eine klare Abfuhr zu erteilen, jede Gewalt klar zu verurteilen und emphatisch mit allen Opfern zu sein.
Auf dieser Grundlage habe die DFG-VK im Oktober 2024 und Februar 2025 zwei Kundgebungen unter dem Motto „Für einen gerechten Frieden im Nahen Osten“ unterstützt, die von einem Bündnis vorbereitet wurden, in dem etwa Amnesty International Deutschland, Sea-Watch, Terre des Hommes, medico international und der Weltfriedensdienst vertreten waren. Der Berlin-Brandenburger Landesvorstand beteiligte sich gemeinsam mit israelsolidarischen Gruppen an einer Gegenkundgebung.
Kampf gegen alle Kriegsursachen
In einem längeren Kritikpapier wirft der Landesverband mehreren an der Vorbereitung der Kundgebung beteiligten Gruppen nun vor, im Gewand des Friedens und der Menschenrechte Hass auf Israel zu verbreiten. „Dies hat nicht nur unsere Bündnisarbeit erschwert, sondern die Organisationen drohten auch mit rechtlichen Schritten. Da die DFG-VK rechtlich gesehen ein Verein ist, hätte dies den Gesamtverband getroffen“, betont Schulze von Glaßer.
Die Berliner Landesvorstandsmitglieder haben angekündigt, notfalls gerichtlich klären lassen, ob der Ausschluss rechtmäßig ist. „Ich denke, wir sind als Pazifist*innen und Antimilitarist*innen in der DFG-VK richtig“, gibt sich Schmitz auch jetzt noch überzeugt.
Schmitz verweist auf die Satzung, in der der Kampf gegen alle Kriegsursachen festgeschrieben ist. „Im Nahen Osten ist Antisemitismus als Kriegsursache direkt erfahrbar und muss bekämpft werden“, so seine Überzeugung. In der Auseinandersetzung sieht Schmitz auch einen Generationenkonflikt. „Der Landesvorstand Berlin-Brandenburg hat doppelt so viele Mitglieder unter 35 Jahren wie der Durchschnitt unseres leider völlig überalterten Verbandes.“
Viele dieser jüngeren Mitglieder haben in linken Zusammenhängen über linken Antisemitismus diskutiert und stoßen bei manchen älteren Antimilitarist*innen damit auf Unverständnis. Warum aber gab es keine Gespräche zwischen den unterschiedlichen Gruppen bei einer Organisation, die sich weltweit für Entspannung einsetzt? Solche Ausschlüsse sind zumindest seit 2017 in der DFG-VK nicht mehr vorgekommen, betont Schulze von Glaßer.
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