Debatte um Zentral- und Landesbibliothek: Sehnsuchtsort Friedrichstraße

Berlins Bibliotheksszene und CDU-Kultursenator Joe Chialo lassen nicht locker und werben weiter für einen Umzug der ZLB in die Galeries Lafayette.

Das Bild zeigt die Galeries Lafayette

Shopping ade: Die Galeries Lafayette machen zum Ende des Monats dicht Foto: Paul Langrock

BERLIN taz | Echte Weltstädte wie Tokio, Mexiko-Stadt oder New York verfügen über glanzvolle Bibliotheken, untergebracht in spektakulären Gebäuden, die wirklich etwas hermachen. Mit solchen Bibliotheken lässt sich auch hervorragend demonstrieren, dass einem Wissen und Bildung etwas bedeuten.

Volker Heller, Direktor der Zentral- und Landesbibliothek Berlin (ZLB), macht klar, was er dagegen von den Örtlichkeiten hält, über die er verfügen darf. „Unwürdig für Berlin“, nennt er sie. Sie seien zu klein, und von den defizitären sanitären Anlagen wolle er lieber gar nicht erst sprechen. Das geplatzte Regenwasserrohr, das in der vergangenen Woche nach Starkregen in einem Magazin im Keller des ZLB-Standorts an der Breiten Straße in Mitte einen Wasserschaden verursachte, packt er mit auf seine Mängelliste.

Es ist eine bemerkenswerte Gesprächsrunde, zu der die bei einer Veranstaltung in der Akademie der Künste am Montag geladen hatte und bei der über eine Lösung für Volker Hellers Probleme diskutiert wird. Konkret geht es auch hier um die offensichtlich perfekte Lösung: den Umzug der kompletten Zentral- und Landesbibliothek in den gläsernen Prachtbau der Galeries Lafayette in der Friedrichstraße. Die Luxuskaufhauskette, die ihr Stammhaus in Paris hat, wird Ende des Monats ihren Standort in Berlin schließen.

Was mit dem Haus danach geschehen soll, ist nach wie vor unklar. Dabei kursiert seit bald einem Jahr der Vorschlag von Kultursenator Joe Chialo (CDU), in dem Gebäude mit den markanten Glasfassaden die ZLB unterzubringen. Die bisherigen Standorte, die Amerika-Gedenkbibliothek in Kreuzberg und die Stadtbibliothek in der Breiten Straße in Mitte, würden dann an einem neuen Haus in Bestlage vereint werden.

Kultursenator wird gefeiert wie ein Popstar

Dass die Idee dazu gar nicht von Chialo kommt, sondern von Volker Heller, wie in der Akademie deutlich wird, ist letztlich unerheblich. Chialo hat sie sich lautstark zu eigen gemacht und trommelt öffentlich für sie. Im Veranstaltungsraum der AdK, der aufgrund des großen Publikumsinteresses aus allen Nähten platzt, wird er dafür gefeiert wie ein Popstar. Die Frage an dem Abend ist dann auch weniger, ob der angepeilte Umzug wirklich eine so gute Idee ist. Sondern vielmehr, ob und wann diese umgesetzt werden kann.

So lässt AdK-Vizepräsident Anh-Linh Ngo wenig versteckt durchblicken, dass er und seine Institution zumindest bei diesem Punkt voll und ganz hinter Chialo stehen. Der tosende Applaus aus dem Auditorium, mit dem der Kulturpolitiker der CDU bedacht wird, lässt keinen Zweifel daran, dass auch die Besucher und Besucherinnen den Umzug vollauf unterstützen. Kritischen Künstlern und Künstlerinnen gilt Chialo als jemand, der sich lieber für die Kulturwirtschaft einsetzt als für nicht kommerziell ausgerichtete Orte. Hier hat er die Leute auf seiner Seite.

Die AdK hatte sich für ihr Gesprächsformat eine ungewöhnliche Form überlegt. Es gibt nicht die übliche Podiumsdiskussion. Stattdessen schreitet Anh-Linh Ngo mit seinen Gesprächspartnern, einem nach dem anderen, eine Art Catwalk in der Mitte des Raums entlang. Immer wieder symbolträchtig hin zu einem Miniaturmodell der Galeries Lafayette. Und wieder zurück. Und wieder hin. Als Betrachter dieser Performance soll man wohl den Eindruck gewinnen, einem spontanen Zwiegespräch lauschen zu dürfen.

Chialo berauscht sich bei seinem Spaziergang mit Ngo an seiner eigenen Idee. Einen Ort, der „Diskursräume“ herstelle, wünsche er sich an der prominenten Adresse in der Friedrichstraße. Alte Damen, die hier häkeln und stricken, Akzeptanz bei der migrantischen Community, Kids, die hier etwas über KI lernen können: Das alles stelle er sich vor. Er spricht von einem „Ort des Seins“, den er im Sinn habe und an dem nicht konsumiert werden müsse wie überall sonst auf der Friedrichstraße.

Auch Volker Heller legt noch einmal dar, wie sehr er einen Umzug herbeisehnt. Die 35.000 Quadratmeter Fläche, die ihm am Standort Galeries Lafayette zur Verfügung stünden: „Passt perfekt.“ Das großzügige Tageslicht, das das rundum verglaste Gebäude bietet: „ideal für eine Bibliothek“. Und er stellt in Aussicht, dass sich die Anzahl der Besucher und Besucherinnen seiner Institution an einem weit attraktiveren Ort als bislang bestimmt verdoppeln ließen.

Chialo sieht allerorts Unterstützer für den ZLB-Plan

Chialo behauptet, nicht nur er und seine Senatsverwaltung für Kultur wollten den Umzug. Auch der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) fände die Idee toll. Die meisten Parteien auch, und der Koalitionspartner SPD wahrscheinlich ebenfalls. Tatsächlich hört man nicht zuletzt von führenden Sozialdemokraten etwas komplett anderes. Chialo gibt sich wacker. Man sei da noch im Gespräch.

Selbst Berlins oberster Kassenwart, Finanzsenator Stefan Evers (CDU), sei laut Chialo prinzipiell auf Linie. Evers hätte da nur noch ein kleines Problem – und zwar die Kosten, die angesichts klammer Haushaltskassen in Berlin schmerzlich sein könnten.

Bislang hieß es, der Eigentümer des Gebäudes der Galeries Lafayette, die US-Immobilienfirma Tishman Speyer, wolle knapp 600 Millionen Euro heraushandeln. Alles Schnee von gestern, lautet nun die frohe Kunde von Chialo: „Wir sind auf jeden Fall unter der Zahl.“ Ohne dabei freilich eine neue zu nennen.

Folgt man Chialo, ist die Zustimmung für den Umzug also riesig. Billiger als gedacht soll er auch werden. Ein Traum könnte Realität werden. Doch man müsse sich jetzt entscheiden, so Chialo. Sonst könnte eine einmalige Möglichkeit ungenutzt verstreichen und in der Friedrichstraße zieht statt einer Bibliothek einfach nur ein weiterer Konsumtempel ein. Oder Büros. Oder das Kaufhaus steht leer.

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