Gastbeitrag von Klaus Lederer: Die Friedrichstraße braucht die ZLB

Die unausgesprochene Vision einer neuen Heimat für Wissen und Begegnung inmitten Berlins pulsierender Friedrichstraße.

Bücherregal mit Büchern in der ZLB

Die ZLB ist nicht mehr nur Büchersammlungen, sondern Bildungsorte ohne Konsumzwang Foto: dpa | Jörg Carstensen

Geheimnisse bleiben in der Berliner Kultur nie lange geheim. Man kennt sich und ist gesprächig. Aber eine Idee konnte mehr als ein halbes Jahr untersucht und geprüft werden, ohne dass es öffentlich wurde – obwohl viele Menschen darum wussten. Vermutlich lag das daran, dass alle, die von der Idee hörten, begeistert, fasziniert und überzeugt waren.

Es geht um die Chance, die Zentral- und Landesbibliothek, seit mehr als 100 Jahren auf der Suche nach einem richtigen Domizil, in der Friedrichstraße zu etablieren. Ich erfuhr im Frühjahr von dem Vorschlag eines Umzugs in das Quartier 207, in dem derzeit noch das Kaufhaus Galeries Lafayette untergebracht ist. Sofort hatte ich das Bild eines großartigen Ortes der Begegnung und des kollektiven und individuellen Lernens vor Augen. Es ist, als hätte Jean Nouvel das Gebäude für eine Bibliothek geplant: lichte Glasfassaden, räumliche Transparenz im Innern – Bibliotheken brauchen das. Die Bibliotheksmenschen sind nach tieferer Prüfung von Gebäudestruktur und Nutzungsmöglichkeiten begeistert. Es wäre eine nachhaltige Alternative zu einem Neubau, der viel Zeit bräuchte und mit Sicherheit viel teurer würde. Ein idealer Ort ist gefunden.

Während meiner Jahre als Kultursenator habe ich mich für die Stärkung der öffentlichen Bibliotheken eingesetzt. Sie sind schon lange nicht mehr nur Büchersammlungen, sondern Bildungsorte ohne Konsumzwang, niedrigschwellige Treffpunkte und vielseitige „Wohnzimmer“ der Stadtgesellschaft. Sie sind die meistgenutzten Kulturorte Berlins. In Skandinavien, Großbritannien und den Niederlanden erfahren sie eine selbstverständliche Wertschätzung, die ich mir für Berlin auch wünsche.

Ende August hat Kultursenator Joe Chialo (CDU) die Idee im Abgeordnetenhaus öffentlich gemacht, nun ist sie Stadtgespräch. Es gibt Kritik, aber auch viel Unterstützung – und viele Spekulationen. Dass Chialo für dieses Projekt kämpft, unterstützen die Linksfraktion und ich im Parlament von ganzem Herzen. Es ist die einmalige Chance, der Friedrichstraße einen Kulturmagneten zu verschaffen. Und zu beweisen, dass ökologische Infrastrukturentwicklung in der Bundeshauptstadt funktioniert.

Die Umwidmung eines kommerziellen Ortes in ein öffentliches Mekka für Berlins Bevölkerung kann auch ein Zeichen der Hoffnung sein. Natürlich ist es viel Geld, das investiert werden müsste. Aber es lohnt sich. Es lohnt, öffentliche Bibliotheken zu stärken, indem ihr „Anker“ endlich ein modernes Domizil erhält. Es lohnt, diesen aus Ost-, West-, Nord- und Südberlin gut erreichbaren Ort für unsere ZLB zu entwickeln. Damit die Mitarbeitenden sich endlich wieder ganz auf das konzentrieren können, was sie perfekt beherrschen: gute und moderne Bibliotheksarbeit. Es lohnt vor allem, weil es um die Menschen geht, die unsere Bibliotheken nutzen: So vielfältig wie Berlin, die mit schmalem und dickem Geldbeutel, Ältere und Jüngere, Gebildete und diejenigen, die auf dem Weg dahin sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.