Debatte um Waffenstillstand im Gazakrieg: Pattsituation im Verhandlungszimmer
Israel und der US-Gesandte Witkoff wollen die erste Phase des Waffenruhe-Geisel-Deals verlängern. Die Hamas fordert ein endgültiges Ende des Kriegs.
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Nach dem offiziellen Ende der ersten Phase des Abkommens am Samstag kündigte die israelische Regierung am Sonntag an, sämtliche Hilfslieferungen nach Gaza einzustellen. Als Grund nannte das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu die „Weigerung der Hamas“, den Vorschlag des US-Sondergesandten und Immobilienmoguls Steve Witkoff, die Gespräche fortzusetzen, zu akzeptieren. Die Hamas sprach in einer Stellungnahme von „Erpressung, einem Kriegsverbrechen und einer Verletzung des Abkommens“.
Die Maßnahme dürfte die humanitäre Situation der rund zwei Millionen Bewohner des Küstenstreifens nach einer kurzfristigen Entlastung seit dem Ende der Kämpfe wieder verschärfen.
Witkoff hatte zuvor angeregt, die Phase eins für Ramadan und das jüdische Pessachfest um rund sieben Wochen bis zum 20. April zu verlängern. Im Gegenzug sollte die Hamas die Hälfte der noch 59 in Gaza festgehaltenen Geiseln freilassen. 36 von ihnen hat Israel bereits für tot erklärt.
Auch Spannungen zwischen Israel und Syrien nehmen zu
Die Chancen auf eine Zustimmung der Hamas zu einem solchen Vorschlag seien gering, sagte Aaron David Miller, ehemals Nahostanalyst im US-Außenministerium, der New York Times: Er erlaube „Israel, Geiseln zurückzubekommen, ohne im Gegenzug Kompromisse einzugehen“. Ohne feste Garantien für einen Rückzug Israels aus Gaza und ein Ende des Kriegs werde die Hamas nicht alle Geiseln freilassen.
Die sechswöchige Kampfpause hätte den Kriegsparteien Zeit für Verhandlungen über ein dauerhaftes Ende des Kriegs geben sollen. Die Gespräche haben bisher jedoch noch nicht ernsthaft begonnen. Netanjahu hat mehrfach betont, Israel sei bereit, die Angriffe wieder aufzunehmen, wenn die Hamas nicht ihre Waffen abgebe. Deren Führung hat bisher nicht offen zu neuen Kämpfen aufgerufen, bereitet laut Medienberichten aber ihre neuen Rekruten vor.
Auch die Spannungen Israels mit der neuen syrischen Führung nehmen nach immer weiter gehenden Einmischungen Israels im Nachbarland zu. Nach einem Schusswechsel zwischen syrischen Sicherheitskräften und bewaffneten Mitgliedern der drusischen Minderheit in dem Damaszener Vorort Dscharamana mit einem Toten drohte Israels Verteidigungsminister Israel Katz, die dortigen Drusen auch militärisch zu verteidigen. Damit setzt Jerusalem die Ausdehnung seiner Kontrolle im Süden Syriens fort.
Ohne völkerrechtliche Grundlage hatte die israelische Armee nach dem Sturz des syrischen Diktators Assad einen mehrere Kilometer breiten Streifen syrischen Gebiets besetzt. Katz und Netanjahu hatten die israelische Präsenz in der ehemaligen Pufferzone kürzlich als „zeitlich unbegrenzt“ bezeichnet und eine „Demilitarisierung Südsyriens“ gefordert.
Inner-israelische Aufarbeitung des 7. Oktober steht aus
Seit vergangener Woche arbeitet Israel zudem daran, syrischen Drusen Arbeitsgenehmigungen in israelischen Städten im seit 1967 von Israel besetzten Teil der Golanhöhen zu erteilen. Die syrische „Konferenz des nationalen Dialogs“ hatte jüngst den Abzug der israelischen Soldaten gefordert.
Innerhalb Israels wird indes weiter um die Aufarbeitung des Hamas-Überfalls am 7. Oktober 2023 gestritten. Eine interne Untersuchung der Armee kam vergangene Woche zu dem Schluss, die Sicherheitsbehörden hätten die Fähigkeiten und Absichten der Hamas systematisch unterschätzt. Am Samstag bestätigte Netanjahus Büro, wenige Stunden vor dem Angriff Hinweise auf „verdächtige Aktivitäten der Hamas“ bekommen zu haben, die der zuständige Geheimdienstoffizier des Regierungschefs jedoch nicht weitergeleitet habe.
Die Mehrheit der Bevölkerung befürwortet eine staatliche Untersuchungskommission. Netanjahu brachte hingegen mehrfach eine Untersuchungskommission der Regierung ins Spiel. Kritiker warnen, ein solches Gremium hätte weit weniger Kompetenzen. Ohnehin aber will Netanjahu eine solche Untersuchung erst nach dem Ende des Kriegs.
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