Debatte um Verschiebung der US-Wahl: Donald Trump bohrt weiter
Der US-Präsident relativiert den Vorschlag, die Wahl zu verschieben, wiederholt aber seine Behauptungen, es drohe Wahlbetrug. Er erntet massive Kritik.
Angesichts der Corona-Pandemie und der in den USA weiterhin stark ansteigenden Infektionszahlen wird davon ausgegangen, dass überdurchschnittlich viele Wähler*innen in diesem Jahr per Brief ihre Stimme abgeben werden. Dagegen argumentiert Trump seit Wochen und behauptet, das werde zu den „ungenauesten und betrügerischsten“ Wahlen der US-Geschichte führen. Beweise für seine Behauptung hat er bislang nicht vorgelegt – und Wahlexpert*innen sehen keinerlei Belege dafür.
Auf seinen Tweet hatten sowohl demokratische als auch republikanische Kongressmitglieder mit klarer Ablehnung reagiert. „Ich wünschte, er hätte das nicht gesagt“, sagte der konservative Senator Marco Rubio aus Florida. „In der Geschichte des Landes, in Kriegen, Wirtschaftskrisen und im Bürgerkrieg haben wir noch nie eine auf Bundesebene angesetzte Wahl nicht zum geplanten Zeitpunkt abgehalten“, sagte der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell in einem Fernsehinterview. „Wir werden einen Weg finden, das auch am 3. November zu machen.“
Trumps designierter Konkurrent bei der Präsidentschaftswahl, der Demokrat Joe Biden, sagte bei einem Spendenevent mit führenden schwarzen Kongressmitgliedern, das Gedankenspiel des Präsidenten sei nur ein weiteres Beispiel für eine Strategie, die „Spaltung und Chaos schüren“ solle, weil Trump sich nicht „auf das fokussieren will, was vor sich geht“.
Überparteiliche Ablehnung
Kein Präsident kann allein den Wahltermin verschieben. Das wäre zwar durch ein vom Kongress zu verabschiedendes Gesetz möglich. Aber eine Verschiebung wäre nur um wenige Wochen möglich: Sowohl das Ende der Legislaturperiode des Kongresses am 3. Januar als auch das der Präsidentschaft am 20. Januar sind in der Verfassung verankert.
Angesichts der breiten überparteilichen Ablehnung ist nicht damit zu rechnen, dass auch nur ein Gesetzentwurf zur Verschiebung der Wahl eingebracht wird. Allerdings fällt bei den republikanischen Stellungnahmen auf, dass Trumps Parteikollegen seine Aussagen über möglichen Wahlbetrug wiederholten. Der republikanische Senator Ted Cruz etwa sagte: „Ich halte Wahlbetrug für ein ernsthaftes Problem. Aber nein, wir sollten den Wahltermin nicht verschieben.“
Trump selbst twitterte am Abend: „Froh, dass ich es geschafft habe, die sehr unehrlichen Lamestream-Medien dazu zu bringen, endlich über die RISIKEN für unsere Demokratie durch gefährliche allgemeine Briefwahlen zu reden.“
Damit ist zu befürchten, dass die ohnehin seit Jahren bestehenden Versuche, insbesondere republikanischer Gouverneure, durch erschwerte Bedingungen vor allem Schwarze und Hispano-Amerikaner*innen davon abzuhalten, ihr Wahlrecht auch auszuüben, in diesem Jahr einen Höhepunkt erreichen werden. Die Begründung dafür ist stets, den Wahlprozess vor Betrug zu schützen.
Darauf ging auch Trumps Amtsvorgänger Barack Obama ein. Bei einer Trauerrede für den verstorbenen Bürgerrechtsaktivisten und Abgeordneten John Lewis, der seit den 1960er Jahren für das Wahlrecht für Schwarze gekämpft hatte, kritisierte Obama unter anderem die Schließung von Wahllokalen, ein Erschweren von Briefwahlen sowie verschärfte Regeln zur Wählerregistrierung, von der Minderheiten besonders betroffen sind. „Unsere Wahlrechte werden mit chirurgischer Präzision beschnitten“, sagte Obama.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit