Debatte um TU-Präsidentin: Kein weißer Rauch in Sicht
Die Gremien der Technischen Universität Berlin sollen die Zukunft von Präsidentin Rauch klären. Studierende erklären sich für sie.
So wurde am Montag eine Erklärung von 129 Beschäftigten der TU öffentlich, die die „Anfeindungen“ gegen Rauch „unverhältnismäßig“ nennt. Ihr Verhalten in den letzten Monaten zeige, „dass wohlüberlegtes Handeln auch bei sehr sensiblen Themen möglich ist“, loben die Unterzeichner. Man begrüße Rauchs Stellungnahme zu den von ihr gelikten Posts, dies könne jedoch nur der Anfang eines Aufarbeitungsprozesses sein, für den die Universität als „wichtiger Diskursraum“ der richtige Ort sei. Rein zahlenmäßig stellt diese Gruppe weniger als zwei Prozent der TU-Mitarbeiterschaft dar.
Vor einer Woche war durch einen Bericht der Jüdischen Allgemeinen ans Licht gekommen, dass Rauch auf ihrem privaten, inzwischen deaktivierten X-Account Beiträge geliked hat, die teils antisemitische Inhalte verbreiten. Problematisch ist vor allem ein Post, der Demonstrierende in der Türkei mit einem Transparent zeigt, auf dem eine Karikatur von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit Hakenkreuz abgebildet ist. Zustimmung gab Rauch auch für einen Beitrag, der Israel im Gaza-Krieg „Völkermord“ vorwirft.
Die TU-Präsidentin entschuldigte sich für diesen „Fehler“ und beteuerte, das Netanjahu-Bild habe sie nicht „wahrgenommen“, vielmehr nur den Inhalt des Beitrags geliket. Der neue Antisemitismusbeauftragter der TU, Uffa Jensen, erklärte, andere von Rauch gelikte Beiträge seien „aus wissenschaftlicher Sicht nicht per se antisemitisch“.
„Nicht glaubwürdig“
Vielen reicht das nicht. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, etwa nannte Rauchs Entschuldigung „nicht glaubwürdig“. Auch aus der Bundespolitik, vom Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, bis zu Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), reißt die Kritik nicht ab.
Lokalen Gegenwind bekommt Rauch vor allem von der CDU. So sagte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Montagabend bei einem Wahlkampfauftritt in Reinickendorf: „Ich kann nur sagen, was sie gemacht hat, hat nicht nur der Technischen Universität geschadet, sondern dem Wissenschaftsstandort Berlin.“ Eine direkte Abwahl- oder Rücktrittsforderung war das zwar nicht, aber die hatte Berlins CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein schon vor einigen Tagen gestellt: „Die Position der CDU Berlin ist hier eindeutig: Präsidentin Rauch muss gehen“, erklärte Klein am Freitag in einem Newsletter ihres Landesverbands.
Die Studierenden zeigen dagegen „kritische Solidarität“ mit Rauch, wie ein Statement des Studierendenparlaments überschrieben ist. Man müsse ihr Verhalten in den letzten acht Monaten im Ganzen sehen, finden auch sie. Rauch habe sich seit dem Überfall der Hamas und dem dadurch ausgelösten „Militäreinsatz“ stets „gegen Antisemitismus eingesetzt“, für die Ängste und Sorgen aller Studierenden ein offenes Ohr gehabt und es mit „wohlüberlegtem Handeln“ geschafft, „Bilder von antisemitischer Hassgewalt und umstrittenen Polizeieinsätzen auf dem Campus und den Zulauf zu Schwarzweißdenken einzugrenzen“. Gleichwohl nehme man die Kritik, „die von jüdischen Verbänden ausgesprochen wurde, ernst“.
Rücktrittsforderungen und Infragestellung der Integrität von Rauch weise man jedoch zurück, so die Studierenden. Sie kritisieren umgekehrt den Senat, der versuche, „die Verantwortung für Antisemitismus und Rassismus innerhalb der Studierendenschaft auf die Hochschulen zu verschieben, ohne den Leitungen tatsächlich die Freiheit zu geben, einen eigenen Weg zu gehen“.
Verweis auf Hochschulautonomie
So verlagere die geplante Wiedereinführung der Exmatrikulationsklausel das Problem von gewalttätigen Studierenden vom Strafrecht auf die Hochschulen, gleichzeitig übergehe die Politik im Konfliktfalle jedoch die Unileitungen. Mit Letzterem ist offenbar die Entscheidung des Senats gemeint, die Besetzung der Humboldt Universität zu beenden, als die dortige Präsidentin Julia von Blumenthal noch mit den Besetzern im Dialog war.
Wie die Uni-Gremien nun mit der vertrackten Lage umgehen, ist völlig offen. „Es gibt die ganze Zeit viele Diskussionen“, sagte der Kanzler der TU, Lars Oeverdieck, am Dienstag der taz. Er selbst hatte durchblicken lassen, dass Rauch der Uni sehr geschadet habe – nun müsse schnell eine Entscheidung her, welche auch immer. Zugleich verwahrte er sich gegen politische Einmischung und verwies auf die Autonomie der Hochschule in der Sache.
Zuständig für eine mögliche Abwahl der TU-Präsidentin ist der Erweiterte Akademische Senat (EAS), der Rauch im Januar 2022 auch gewählt hat. Damals setzte sie sich mit 31 von 61 Stimmen gegen zwei Mitbewerber durch, darunter den damaligen Präsidenten. Am heutigen Mittwoch tagt im Mensa-Gebäude an der Hardenbergstraße allerdings zunächst der 25-köpfige Akademische Senat (AS). Darin sind alle Hochschulgruppen vertreten, wobei die Lehrenden mit 13 Sitzen eine absolute Mehrheit haben. Einem Abwahlantrag müsste eine Zweidrittelmehrheit des AS zustimmen, dazu bräuchte es ebenfalls eine Zweidrittelmehrheit im 61-köpfigen EAS sowie im 11-köpfigen Kuratorium, dem Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) sowie einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und TU-Vertreter angehören.
Czyborra hatte am Freitag gefordert, es sei Aufgabe der TU, den Verdacht zu entkräften, es werde nicht alles zum Schutz jüdischer Studierender und gegen Antisemitismus getan. Sie wandte sich aber zugleich gegen staatliche Eingriffe. „Wenn wir Hochschulautonomie und Wissenschaftsfreiheit ernst nehmen, dann ist es auch geboten, sich da zurückzuhalten.“ Regierungschef Wegner wiederum „vertraut den Gremien und erwartet weise Entscheidungen“, sagte Senatssprecherin Christine Richter am Dienstag der taz.
Das Kuratorium kommt am nächsten Montag zusammen. Auch dieses Gremium könnte einen Abwahlprozess einleiten, dem dann wiederum der AS und EAS zustimmen müssten. Der EAS, der laut Grundordnung der Universität das letzte Wort in Sachen Abwahl hat, könnte laut TU-Pressestelle frühestens sieben Tage nach einem Kuratoriumsbeschluss zusammentreten. Die Diskussion um Rauch wird also weitergehen.
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