Debatte um Schulöffnungen in Berlin: Abstand nehmen vom Abstand halten
Der Bildungsausschuss diskutiert in einer Sondersitzung über die Öffnung von Kitas und Schulen. Zweifel an der Personalkalkulation.
Am Dienstag hatte Scheeres gesagt, dass alle Schulen nach den Sommerferien zum Regelbetrieb zurückfinden sollen. Das heißt: Jedes Kind geht jeden Tag in die Schule, und auch Nebenfächer wie Kunst und Musik sollen wieder unterrichtet werden. Die Kitas sollen sogar schon am 22. Juni wieder in Vollbetrieb gehen – also Kita für alle Kinder, täglich, inklusive Früh- und Spätdienst.
Es sei klar, sagte Scheeres, dass in den Schulen „der 1,5-Meter-Abstand dann nicht mehr gelten kann“. Wie denn die ExpertInnen aus der Wissenschaft dazu stünden, ob man deren Meinung gehört habe, wollte der CDU-Abgeordnete Dirk Stettner wissen.
Selbstverständlich telefoniere sie mit dem Virologen Christian Drosten, wenn sie Fragen habe, sagte Scheeres. Ob der jetzt Ja oder Nein zum Aufgeben der Abstandsregeln in den Schulen gesagt habe, wurde in ihren Ausführungen aber nicht so richtig klar, dafür redete sie sich über die CDU-Nachfrage zunehmend in Rage: Es sei ja nicht so, „dass wir uns im Senat keinen Kopf gemacht hätten“, sagte Scheeres. „Die Frage ist doch, will man die Schulen öffnen, ja oder nein.“ Und wenn man die Frage mit Ja beantworte, dann sei der 1,50-Meter-Abstand illusorisch. „Sonst müssten sie die Klassen wieder dritteln, und dann hat jedes Kind wieder nur ein oder zwei Tage die Woche Schule.“
Sollten die Schulen nach den Sommerferien wegen steigender Infektionszahlen doch wieder in einen Notbetrieb schalten müsse, habe man „einen Plan B in der Tasche“, sagte Scheeres. Dann gelte, dass in halber Klassenstärke unterrichtet werde. Die Hälfte des Unterrichts soll dann in der Schule, die Hälfte zu Hause stattfinden.
Auch fürs Homeschooling werde es dann verbindlichere Vorgaben geben als bisher: Alle SchülerInnen sollen mit verbindlichen Wochenplänen arbeiten, die Lehrkräfte sollen mindestens zweimal die Woche Kontakt zu ihren SchülerInnen aufnehmen. (taz)
Ein Testsystem aus mehreren Bausteinen
Verantworten will Scheeres die Schul- und Kitaöffnung mit einem Testsystem, das aus mehreren Bausteinen besteht. Unter anderem sollen sich Lehrkräfte und ErzieherInnen „bevorzugt“ testen lassen können, selbst bei geringen Verdachtsmomenten – zum Beispiel „wenn ich als Erzieherin ein verschnupftes Kind auf dem Arm hatte“.
Ob es nicht sinnvoll sei, alle 14 Tage Kinder wie Personal „durchzutesten“, wollte die FDP wissen. Nein, sagte Jugendstaatssekretärin Sigrid Klebba. „Da stehen Aufwand und Ergebnis in keinem Verhältnis.“
Fragen hatten die Abgeordneten auch zu Scheeres’ Personalkalkulation. Rund 20 Prozent der Lehrkräfte fehlten noch, so die Senatorin. „Welchen Puffer haben wir da“ für einen Vollbetrieb?, wollte die Grünen-Abgeordnete Stefanie Remlinger wissen. Die Gewerkschaft GEW kritisierte ebenfalls, dass die Öffnung bei der derzeitigen Personalausstattung „verantwortungslos“ sei. Scheeres indes gab sich zuversichtlich, dass es Ressourcen gebe, zum Beispiel auf Kosten von Förderunterricht zumindest den Fachunterricht sicherstellen zu können.
Unmut auch bei Eltern und Kitaträgern: Das Bündnis Kitakrise Berlin twitterte, die „praktische Umsetzung der Zielmarken“ sei mit dem einsetzbaren Personal nicht möglich. Der Evangelische Kirchenkreisverband für Kindertageseinrichtungen Berlin Mitte-Nord kritisierte in einem offenen Brief, es fehle an Personal für Früh- und Spätdienste und die „zur Unterstützung empfohlenen Pädagogik-Studierenden“ stünden, weil das Semester läuft, gar nicht zur Verfügung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wirtschaftspolitik der FDP
Falsch und verlogen
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Auflösung der Ampel-Regierung
Drängel-Merz
+++ Nach dem Ende der Ampel +++
Scholz lehnt Vertrauensfrage vor Januar ab
Trumps Sieg bei US-Präsidentschaftswahl
Harris, Biden, die Elite? Wer hat Schuld?
Schönheitsideale in der Modewelt
Zurück zu Size Zero