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Debatte um Rettungschiff „Lifeline“Soll Niedersachsen helfen oder nicht?

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hat sich für die Aufnahme der Bootsflüchtlinge ausgesprochen. Der Koalitionspartner CDU rät davon ab.

Tagelanges Warten: Geflüchtete auf dem Rettungsschiff „Lifeline“ Foto: dpa/AP

HANNOVER taz | In Asylfragen läuft die große Koalition in Niedersachsen noch nicht rund. Die Koalitionäre äußern sich allzu gern in den Medien und kümmern sich danach um den Frieden im eigenen Bündnis.

Erst in der Debatte über die Ankerzentren, bei der die CDU-Fraktion bei einem Pressefrühstück einen eigenen, nicht abgesprochenen Entwurf zur Ausgestaltung vorgestellt hat, nun mit einer schnellen Pressemitteilung von CDU-Chef Bernd Althusmann zu den Geflüchteten auf dem Schiff „Lifeline“. Der SPD-Innenminister Boris Pistorius hatte am Mittwoch bei einer Pressekonferenz verkündet, dass das Bundesland bereit wäre, einige der Geflüchteten in Niedersachsen aufzunehmen.

Die Reaktion des Koalitionspartners kam prompt. In seiner Mitteilung schrieb Althusmann, dass er davon abrate, die Geflüchteten von der „Lifeline“ „vorschnell durch die Länder unabgestimmt“ aufzunehmen. „Gegen eine Prüfung spricht nichts, ich bin aber skeptisch.“

Das Schiff durfte tagelang nicht in den Hafen von Senglea vor Maltas Hauptstadt Valletta einfahren. Zuvor musste geklärt werden, welche europäischen Länder die 234 Geflüchteten aufnehmen werden. Deutschland beteiligt sich – aufgrund der Blockade des Bundesinnenministers Horst Seehofers (CSU) – nicht daran, obwohl mehrere Bundesländer, darunter auch Schleswig-Holstein und Niedersachsen, ihre Bereitschaft bereits erklärt hatten (siehe Kasten).

Die „Lifeline“

Dem zivilen deutschen Rettungsschiff „Lifeline“ mit 234 Geflüchteten an Bord hatten die europäischen Küstenländer sechs Tage lang die Einfahrt in einen Hafen verweigert.

Erst am Mittwoch durfte das Schiff in Malta einlaufen, nachdem sich neun Länder bereit erklärt hatten, Menschen aufzunehmen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnte die Aufnahme ab: „Wir müssen vermeiden, dass es zu einem Präzedenzfall wird und wir jeden Tag oder jede Woche mit Schiffen zu tun haben, deren Flüchtlinge nach Deutschland gebracht werden sollen.“

Die Seenotretter sehen sich als Opfer einer Kriminalisierungskampagne: „Wir werden zu Sündenböcken gemacht für eine gescheiterte Migrationspolitik auf europäischer Ebene.“

Innenminister Pistorius hatte bei der Pressekonferenz am Mittwoch die Position vertreten, dass allen geholfen sei, wenn jeder ein klein wenig tue. Niedersachsen hätte allerdings nur Menschen aufgenommen, die ihre Identität und Herkunft in irgendeiner Art hätten beweisen können.

„Der Anspruch zu wissen, wer ins Land kommt, ist berechtigt“, sagte Pistorius. Zudem betonte der niedersächsische Innenminister, dass die Geflüchteten ein normales Asylverfahren hätten durchlaufen müssen – „mit allen Varianten des Ausgangs eines solchen“.

Er habe über die Aufnahme der Menschen mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gesprochen und dieser im Anschluss mit seinem Koalitionspartner Althusmann. Trotzdem haperte die Kommunikation. „Uns wäre es lieber gewesen, an die Öffentlichkeit zu treten, wenn alle Detailfragen geklärt sind“, sagt der Fraktionschef der CDU in Niedersachsen, Dirk Toepffer. Dass den Geflüchteten von der „Lifeline“ geholfen werden müsste, „ist uns allen klar. Da gibt es eine humanitäre Pflicht.“

Auch in der Staatskanzlei will man an dieser Stelle keinen „Dissens“ erkennen. Sowohl Pistorius als auch Althusmann hätten betont, dass die Aufnahme der betroffenen Menschen „nur unter bestimmten, klar umgrenzten Voraussetzungen überhaupt denkbar ist“, sagt Regierungssprecher Olaf Reichert.

Ebenso sieht das Althusmann selbst: Die Koalition arbeite gut und professionell zusammen. “Unseren Innenminister Pistorius schätze ich sehr“, sagte der CDU-Chef der taz. Dieser habe deutlich gemacht, dass eine vorschnelle oder leichtfertige Aufnahme nicht in Frage komme. „Genau dieses habe ich noch einmal betont“, sagt Althusmann. „Die Interpretation eines Streits in der Groko ist völlig überzogen.“ Letztlich bleibe es Aufgabe der Bundesregierung über die Aufnahme der Menschen zu entscheiden.

In seiner Pressemitteilung kritisierte Althusmann zudem die Hilfsorganisationen, die mit ihrem Verhalten den Auftrag der libyschen Küstenwache konterkarierten. „Wir brauchen endlich europäische Ankerzentren in den Ländern Nordafrikas, damit die Menschen sich nicht auf den oft tödlichen Weg über das Mittelmeer begeben“, sagte Althusmann.

Den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Ulrich Watermann, regt das auf. Es sei völlig unklar, was mit Ankerzentren in Nordafrika gemeint sei. Nicht einmal in Deutschland gebe es für diese Einrichtungen ein fertiges Konzept. „Das sind alles nur Worthülsen“, kritisiert Watermann. „Durch solche Diskussionen stärkt man rechten Populismus.“ In so einer Notlage müsse man einfach erst einmal helfen. Alles weitere könne man danach sehen.

Zwischen den Fraktionen der CDU und SPD sei es „offenkundig so“, dass sie beim Thema Asyl unterschiedliche Positionen hätten. „Deshalb funktioniert aber trotzdem die Zusammenarbeit“, sagt Watermann. Die Grünen hätten auch nie Autobahnen bauen wollen.

Auch CDU-Mann Toepffer sieht keine großen Schwierigkeiten: „Gemessen an dem, was in Berlin passiert, klappt die Koalition in Niedersachsen allerbestens.“ Zudem entspreche es seinem Verständnis von Parlamentarismus, dass die Fraktionen auch eigenständig Ideen entwickelten – so wie die CDU beim Entwurf für Ankerzentren in Niedersachsen.

Diesen habe er bewusst nicht vorher mit der SPD besprochen, sagt Toepffer. „In Koalitionen gibt es das Bestreben, geräuschlos zu arbeiten, sodass manchmal fast eine Friedhofsruhe droht.“ Dazu wolle er nicht beitragen.

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