Debatte um Maskenpflicht in Schulen: Eltern machen mobil
In Berliner Schulen ist ab Montag die Maskenpflicht in Grundschulen aufgehoben. Viele Eltern wollen das nicht hinnehmen und starten eine Petition.
Zahlreiche Eltern sind nun erleichtert, weil sie in den letzten Monaten Mitleid mit ihren Kindern hatten. Viele der Jüngsten kennen einen Schulalltag ohne Maske gar nicht – sie haben ihre Klassenkameradinnen und -kameraden bisher meist nur mit Mund-Nasen-Schutz gesehen. Dabei gilt die Mimik, beispielsweise ein breites Lächeln, als wichtiger Teil der Kommunikation. Das permanente Tragen einer Maske empfinden wohl die meisten Menschen als unangenehm – ihren Kindern hätten viele Eltern dies am liebsten erspart.
Einige Eltern reagieren aber auch mit Fassungslosigkeit auf die fallende Maskenpflicht in Schulen – unter ihnen Julia A. Noack, Mutter eines Kindes, das eine Berliner Grundschule besucht. „Die Maske ist im Vergleich zu möglichen Schäden durch eine Infektion nur ein kleines Übel. In der Schule sind unsere Kinder unter 12 durch nichts anderes geschützt“, sagt Noack. Abstände seien quasi nicht einzuhalten, Dutzende Kinder säßen stundenlang gemeinsam in den Räumen. „Ohne Maske wird das eine Durchseuchung mit Ansage“, kritisiert sie.
Noack hat eine Petition gegen das Ende der Maskenpflicht in Berlins Schulen gestartet, Hunderte Menschen haben schon unterzeichnet. Der Beschluss komme zu einer Unzeit, sagt sie: Im Herbst würden sich absehbar die Infektionen in Schulen verstärkt ausbreiten. Zudem warteten Eltern von Kindern unter 12 sehnsüchtig auf die Zulassung einer Corona-Impfung für sie, die nun schon fast greifbar scheine. Die Kinder, die die Corona-Maßnahmen und Einschränkungen die ganze Zeit mitgetragen hätten, nun fallenzulassen, „das ist einfach komplett unethisch“, findet Noack.
Julia A. Noack
Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, bemängelt den Zeitpunkt der Entscheidungen: Eltern von Kindern unter 12 hätten wegen des für diese Altersgruppe noch nicht zugelassenen Impfstoffs momentan nicht die Wahl, ob sie ihre Kinder impfen ließen.
„Man sollte weiter Vorsicht walten lassen und die Infektionen nicht durchlaufen lassen, auch wenn schwere Krankheitsverläufe bei Kindern sehr selten sind“, sagte Watzl. Für die Kinder und Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren sei schon gezeigt worden, dass die Impfung im Vergleich zur Ansteckung das geringere Risiko bedeute.
Warnung vor steigenden Fallzahlen in Schulen
Nach Einschätzung des Immunologen dürfte das Aufheben der Maskenpflicht an Grundschulen in mehreren Bundesländern weiter steigende Inzidenzen bei Kindern in dem Alter zur Folge haben. „Das wird weiter hochgehen.“ Nach RKI-Daten wiesen Kinder und Jugendliche zwischen 5 und 9 Jahren vergangene Woche bereits die zweithöchste Sieben-Tage-Inzidenz unter allen Altersgruppen auf, mit 139 Ansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche. „Die Masken im Unterricht komplett wegzulassen, ist nicht gut. Die Maßnahmen-Kombination mit etwa Tests, Maske und Lüften macht den Schutz aus. Mit Testen allein wäre das Virus schwerer unter Kontrolle zu bringen“, sagt Watzl.
Und wie blicken Schülerinnen und Schüler selbst auf das Fallen der Masken? Auch bei ihnen seien die Meinungen gespalten, sagt Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz. Einige Schülervertretungen fänden, die Infektionszahlen ließen es zu, die Masken in der Schule wegzulassen und mehr auf Testen, Abstände und Luftfilter zu setzen. Andere hielten Masken weiterhin für die beste Methode zum Schutz vor Corona und wollten sie behalten. „Ich kann das beides nachvollziehen“, sagt Schramm. „Es ist eine sehr schwierige Frage.“ Er kritisiert die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Länder. Besser seien abgestimmte Rahmenbedingungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“