Luftfilter und offene Schulen: Von wegen Priorität
Es ist richtig, die Schulen diesmal offen zu halten. Aber warum gelingt es nicht, Schulen so sicher wie möglich zu machen?
D ie Coronapandemie geht in den zweiten Winter. Für Millionen Schüler:innen im Land heißt das: Sie müssen sich erneut auf zugig-kalte Schultage einstellen. Zu verdanken haben sie das den Bildungsminister:innen: Trotz Rekord-Inzidenzen bei Schulkindern wollen diese die Klassen nur im Notfall halbieren oder ins Homeschooling schicken. Damit der Unterricht für alle trotzdem sicher ist, muss regelmäßig Frischluft her – am besten alle 20 Minuten.
Um nicht missverstanden zu werden: Die Schulen dieses Mal wirklich offen zu halten ist die richtige Entscheidung. Damit aber darf die oft reklamierte Priorität, die Schule angeblich in der Politik genießt, nicht enden. Seit Monaten behaupten die Ministerien, die Schulen so sicher wie möglich zu machen. Das stimmt aber nur teilweise. Wenn Schüler:innen in Thüringen bis vor Kurzem von einer Testpflicht ausgenommen waren oder Grundschüler:innen in NRW freiwillig Maske am Platz tragen, weil sie es besser wissen als die Schulministerin, kann man schwerlich von maximalem Schutz reden.
Nirgends werden die Sonntagsreden besser entlarvt als bei den Luftfiltern. Es ist wissenschaftlich belegt, dass mobile Luftfilter das Infektionsrisiko in vollen Klassenräumen mindern können. Das scheint die meisten Landesregierungen aber nicht groß zu interessieren. Im Gegenteil: Sie verkriechen sich hinter dem Umweltbundesamt, das Luftfilter nur in schlecht belüftbaren Räumen empfiehlt, und treten die Verantwortung an die Kommunen ab. Sollen die doch machen, wenn sie meinen. Mit Fragen, welche Geräte überhaupt geeignet sind oder wer diese langfristig wartet, müssen sich die Schulträger nun alleine herumschlagen.
Auch der Bund, der sich gern als der vernünftigste Bildungsakteur geriert, hält eine flächendeckende Ausstattung für unnötig. Nur Bremen, Hamburg, Berlin und Bayern statten alle Klassenräume mit Luftfiltern aus. Ob der Unterricht an Schulen wirklich den bestmöglichen Schutz genießt, hängt also vom Wohnort ab. Mancherorts gibt es CO2-Ampeln: Zumindest wissen dann alle, wann gelüftet werden muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!