Corona und Maßnahmen: Lockerungen trotz Anstieg

Einige Bundesländer wie Bayern und NRW lockern ihre Maßnahmen, während das RKI vor neuen Infektionen warnt.

Menschenmenge dicht gedrängt

Besucher eines Benefizkonzerts in der Eifel Foto: Hardt/imago

BERLIN taz | Während in mehreren Bundesländern zum Monatsbeginn Coronabeschränkungen gelockert wurden, melden sich Stimmen, die vor dem vorschnellem Wegfall von Maskenpflichten warnen. Das Robert-Koch-Institut schrieb in seinem Wochenbericht, dass es für Herbst und Winter wieder einen Anstieg der Infektionszahlen erwartet, auch weil sich Menschen dann wieder mehr in Innenräumen aufhalten und es immer noch „eine große Zahl“ an Ungeimpften gebe.

Ein strittiger Punkt ist die Maskenpflicht an Schulen. In Bayern soll die Maskenpflicht ab nächster Woche im Unterricht wegfallen, „und zwar auch dann, wenn am Platz der Mindestabstand zum Sitznachbarn nicht eingehalten wird“, teilte die Bayerische Staatskanzlei mit. In Berliner Schulen wird ab Montag die Maskenpflicht bis zur sechsten Klasse aufgehoben. In Brandenburg gilt diese Regel bereits. Im Saarland muss in Schulen ab sofort generell keine Maske mehr getragen werden.

Der Verzicht auf Testungen und die „zu frühe Abschaffung der Maskenpflicht“ erhöhe die Gefahr, dass die Schule zur „Black Box“ werde, was eine „Kontrolle von Infektionen nicht mehr“ zulasse, warnte der Präsident des Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das Virus geht nach den Meldedaten des Robert-Koch-Instituts besonders stark bei Kindern ab dem Vorschulalter und Jugendlichen bis 19 Jahren um.

Auch die Regeln für Gastronomie und Veranstaltungen wurden vielerorts gelockert. In Nordrhein-Westfalen gibt es ab sofort keine Maskenpflicht im Freien mehr. Allerdings werde weiterhin auch im Freien das Tragen einer Maske „dringend empfohlen“, wenn ein Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden könne, so die Mitteilung des NRW-Sozialministeriums.

Keine Tischabstände mehr

In Innenräumen der Gastronomie in NRW sind keine besonderen Abstände oder Trennwände zwischen den Tischen mehr vorgesehen, es gilt dort allerdings weiterhin die 3-G-Regel, Zutritt haben also nur Geimpfte, Genesene und Getestete. In Berlin können Gastonomen nur dann auf Tischabstände verzichten, also die Bestuhlung verdichten, wenn sie sich für die 2-G-Regel entscheiden, die Gäste also entweder geimpft oder genesen sein müssen.

Clubs und Diskotheken in Bayern werden ab sofort wieder geöffnet, die Maskenpflicht entfalle, „Tanz ohne Abstand“ sei „zulässig“, so die Staatskanzlei. Es gilt aber für alle Gäste die 3-G-Regel, sie müssen also geimpft, genesen oder negativ getestet sein. Als Test wird dabei nur der aufwendige PCR-Test, also kein Schnelltest, akzeptiert. Auch im Saarland ist ab Freitag das Tanzen in Clubs wieder möglich, es gilt die 3-G-Regel. In Berlin haben die Clubs ebenfalls wieder geöffnet, hier gilt aber die 2-G-Regel. Wer also nicht geimpft oder genesen ist, kommt auch mit Test nicht rein.

Bei den Infektionszahlen zeichnet sich unterdessen eine erneute Trendwende ab: Nachdem die Zahl der gemeldeten Fälle zuletzt fast drei Wochen lang kontinuierlich gefallen war, ist in den letzten Tagen wieder ein Anstieg zu sehen. Der 7-Tage-Mittelwert der gemeldeten Neuinfektionen lag am Freitag bei über 8.000 pro Tag und damit etwa 6 Prozent höher als am Dienstag. Die 7-Tage-Inzidenz gab das Robert-Koch-Institut (RKI) mit 64 an. Auch in den Krankenhäusern scheint die Phase der Entspannung zu Ende zu gehen. Die Zahl der neu aufgenommenen Corona-Patient:innen, die zuvor rückläufig war, hat in den letzten Tagen stagniert.

Nur 64 Prozent Geimpfte

Die Entwicklung ist für Ex­per­t:in­nen nicht überraschend. Der zuletzt beobachtete Rückgang dürfte vor allem daran gelegen haben, dass die Urlaubszeit und der damit verbundene Eintrag von Infektionen aus dem Ausland vorüber war; zudem hatte die verstärkte Testung nach Ferienende die Dunkelziffer verringert und das vergleichsweise gute Wetter das Ansteckungsrisiko verringert, heißt es im Wochenbericht des RKI. Diese Effekte sind nun vorbei und mit der kälteren Witterung steigen die Zahlen wieder. „Ich denke, da deutet sich jetzt die Herbst- und Winterwelle an, die wir im Oktober wohl wiedersehen werden“, hatte der Charité-Virologie-Chef Christian Drosten schon am Dienstag im NDR gesagt.

Denn die Hoffnung, durch eine hohe Impfquote einen erneuten starken Anstieg der Infektionszahlen und der In­ten­siv­pa­ti­en­t:in­nen verhindern zu können, dürfte sich nicht erfüllen. Mit gut 64 Prozent liegt der Anteil der vollständig Geimpften an der Gesamtbevölkerung in Deutschland deutlich niedriger als in vielen anderen europäischen Ländern. Auch bei den über 60-Jährigen, bei denen das Risiko eines schweren Verlaufs besonders hoch ist, sind etwa 15 Prozent noch nicht geschützt. In Dänemark, wo die Corona-Beschränkungen Anfang September weitgehend aufgehoben worden sind, liegt dieser Anteil dagegen bei weniger als 5 Prozent.

Die Zahl der Impfungen pro Tag ist rückläufig, wobei die Impfzentren in vielen Städten inzwischen geschlossen sind und Impfungen damit vor allem in Arztpraxen erfolgen.

Impfpflicht gefordert

Als erste Kultusministerin eines Bundeslandes forderte die Bremer Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) am Freitag eine Corona-Impfpflicht für das Personal an Schulen und Kindertagesstätten. Aulepp sagte nach taz-Informationen am Freitag, dass der Schutz der Kinder in Kitas und Schulen absoluten Vorrang haben müsse. deshalb könne es nicht sein, dass immer noch manche Lehrkräfte und Erzieherinnen auf eine Corona-Schutzimpfung verzichten, obwohl sie sich impfen lassen könnten. Die Impfpflicht sei unumgänglich, wenn Kinder und Jugendliche einerseits Bildungseinrichtungen besuchen und gleichzeitig sicher vor Infektionen mit Covid-19 geschützt werden sollen. Die Impfstoffe, die schwere Krankheitsverläufe verhindern, sind derzeit erst ab zwölf Jahren zugelassen.

Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes hatte am Donnerstag ergeben, dass viele Berufsverbände eine Impfpflicht kritisch sehen. Der Deutsche Kitaverband erklärte, die Mehrheit der Fachkräfte habe die Impfquote unter Erzieherinnen als hoch bis sehr hoch eingeschätzt. 30 Prozent seien gegen eine gesetzliche Impfpflicht. Eine Impfpflicht würde „Vertrauen zerstören und könnte sogar kontraproduktiv sein“, warnte Ver.di-Vorständin Sylvia Bühler.

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