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Debatte um Gazakrieg in GroßbritannienChaos im Unterhaus

Eine Abstimmung zum Gazakrieg sorgt in London für Tumult. Mittlerweile fordern mehr als 50 Abgeordnete den Rücktritt des Präsidenten des Unterhauses.

Tumult im Londoner Unterhaus und Lindsay Hoyle der Präsident des Unterhauses soll Labour bei der Abstimmung begünstigt haben Foto: Daniel Leal/ap

London taz | Chaotische Szenen spielten sich am Mittwochabend im Unterhaus in London ab. Die Fraktionen der schottischen Nationalpartei (SNP) und der konservativen Tories verließen aus Protest das House of Commons. Mittlerweile fordern über 50 Abgeordnete den Rücktritt des Präsidenten des Unterhauses, Sir Lindsey Hoyle.

Entzündet hatte sich der Aufruhr am Verfahren zu einer Abstimmung über eine Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza. Eigentlich sollte das Unterhaus am Mittwoch zunächst über den Antrag der schottischen SNP zum Gazakrieg abstimmen – so hätte es die parlamentarische Tradition erfordert –, erst danach über die abgeänderten Anträge der anderen Parteien. Doch Hoyle veränderte die Reihenfolge und stellte den Antrag von Labour zuerst zur Wahl.

Viele Briten werfen Hoyle vor, dass er seiner eigenen Labour-Partei mit dieser Entscheidung helfen wollte, einheitlich für den eigenen Antrag stimmen zu können. Seit dem 7. Oktober kam es innerhalb der Partei bezüglich der Haltung zu Israel zu heftigen Streitigkeiten. Einige Labour-Abgeordnete hätten bei einer anderen Reihenfolge der zur Wahl stehenden Anträge womöglich für den der SNP gestimmt.

So aber zogen die Tories schließlich aus Protest ihren eigenen Änderungsantrag zurück, und die Labour-Fraktion stimmte – in Abwesenheit der Abgeordneten der Tories und der SNP – geschlossen für den abgeänderten Antrag. Darin wird eine sofortige humanitäre Feuerpause gefordert, doch von Israel könne allerdings ohne Ende der Gewalt von Seiten der Hamas nicht erwartet werden, selbst die Waffen niederzulegen.

Drohungen aus den eigenen Reihen

Der Antrag der SNP hingegen nannte das Vorgehen Israels in Gaza „kollektive Bestrafung“. Die Anträge aller Parteien verurteilten die Gewalt beider Seiten, inklusive der Angriffe der Hamas am 7. Oktober, und forderten neben humanitärer Hilfe die sofortige Freilassung der israelischen Geiseln.

Sir Lindsay Hoyle bestritt, dass er mit der Änderung der Reihenfolge Labour begünstigen wollte. Der britische Nachrichtensender BBC berichtete hingegen unter Berufung auf anonyme, hochrangige Labour-Quellen, dass ­Hoyle aus seinen eigenen Reihen unter Druck gesetzt worden sei: Sollte er den Labour-Antrag nicht vorziehen, könnte dies, so die Drohungen, seine Wiederwahl zum Parlamentspräsidenten gefährden.

Hoyles entschuldigte sich noch am Abend vor dem Unterhaus. Er habe versucht, das Richtige für alle Abgeordneten zu tun und die größtmögliche Auswahl an Optionen zu geben. Er habe zugleich die Gefahren im Blick gehabt, denen Abgeordnete ausgesetzt seien. Seitdem im Dezember das Büro des proisraelischen Abgeordneten Mike Freer in Brand gesetzt wurde, haben viele Abgeordnete Furcht vor Angriffen.

Das Chaos mag jedoch auch daher rühren, dass die Tories und die SNP angesichts der bevorstehenden Wahlen nervös werden: Labour gilt als absoluter Favorit.

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6 Kommentare

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  • Leider hat Starmer seine Wahl zum Labour-Chef eben auch einer Kampagne gegen Corbyn zu verdanken, die den zu einem angeblichen Antisemiten stempeln wollte,.der auch Palästinensern Rechte zugestanden hatte.



    Starmer kann also leider kaum einen überlegten Universalisten, sondern wird sich pro-Netanyahu geben. Ich hoffe für das UK, dass Starmer da wieder herauskommt, denn man kann wirklich sowohl die Aktion der Hamas verurteilen wie das Vorgehen der israelischen Armee gerade.

    • @Janix:

      Mit "sowohl, als auch" wollen Sie ausdrücken, dass wir es mit Vergleichbarem zu tun hätten. Das haben wir aber nicht!



      Darüber hinaus, Jeremy Corbyn ist kein angeblicher Antisemit, sondern ein echter.

      • @Henriette Bimmelbahn:

        Israel hat nach jeder Metrik einen ungleich größeren Schaden verursacht.



        Z.b. getötete Kinder: 36 vs. 13600

      • @Henriette Bimmelbahn:

        "Darüber hinaus, Jeremy Corbyn ist kein angeblicher Antisemit, sondern ein echter."

        Können Sie das auch belegen? Oder verweisen Sie dabei lediglich auf seine rechten Parteigegner in der Labour-Partei?

        • @Uns Uwe:

          Über den Begriff "Metrik" de.wikipedia.org/wiki/Metrik



          bin ich einigermaßen perplex. Ich vermute, Sie meinen einfach Zahlen und wollten unbedingt was Hochgeistiges verwenden.



          Es geht aber um etwas Anderes, dazu lasse ich ich die, auch in der TAZ interviewte, israelische Politikerin Shelly Tal Meron erzählen: www.juedische-allg...me-der-opfer-sein/



          Daraus: "Es gibt ein Video, das eine junge Frau zeigt. Ich glaube, sie ist nicht mal 20 Jahre alt. Sie wurde in Gaza auf einen Platz gezerrt und Hunderte Menschen - Zivilisten, keine Terroristen - stehen um sie herum. Erst wird sie geschlagen, dann mit Steinen beworfen, und dann setzen sie sie in Brand. Die Frau verbrennt bei lebendigen Leib."



          Das ist nur ein winziger Bruchteil des Grauens, um das es geht. Präziser: es geht darum, dass sich solches Grauen nicht wiederholt.