Debatte um Enteignungen in Berlin: SPD kneift, Jarasch will enteignen
Die Initiative DW enteignen! lädt zur Podiumsdiskussion: Die SPD will dem erfolgreichen Entscheid „Respekt zollen“, die Grünen wollen ihn umsetzen.
Obwohl der Zwischenbericht der Enteignungskommission durchblicken ließ, dass Vergesellschaftung zu einem vernünftigen Preis möglich sein kann, erteilten die Spitzen der Berliner SPD diesem Ziel in diesem Wahlkampf erneut eine Absage. Berlins Regierende Bürgermeisterin Giffey kann es aufgrund ihrer DDR-Vergangenheit nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, Enteignungen durchzusetzen, wie sie sagt. Und SPD-Bausenator Andreas Geisel hält die Enteignungen von Wohnungskonzernen für „wirtschaftlich verrückt“.
Kein Wunder also, dass sich weder Giffey noch Geisel beim Podium der Mietenbewegung blicken ließen, sondern den Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Christian Gaebler, vorschickten. Die vermeintliche Höhle des Löwen war dabei die Reformationskirche in Berlin-Moabit, deren Hauptschiff am Mittwochabend randvoll mit Mieter*innen war. Auf den Emporen der Kirche waren passenderweise noch aus dem Gottesdienst die Worte „Glaube“ und „Hoffnung“ in großen weißen Buchstaben aufgestellt.
Der eindrücklichste Moment des Abends war sicher die Deutsche-Wohnen-Mieterin Jasmina R. aus Süd-Schöneberg. Sie sei Raubrittern in die Hände gefallen, sagte sie und berichtete von der immer wieder ausfallenden Heizungsanlage in ihrer Siedlung und ihrer Angst, aus der Stadt vertrieben zu werden. In einem eindringlichen Appell forderte sie: „Setzen Sie den Volksentscheid um, das ist ein klarer Wählerauftrag!“
Gaebler, ebenfalls konfrontiert mit der Dissonanz der Giffey-Aussagen und dem SPD-Parteibeschluss, der die Umsetzung der Enteignung vorsieht, falls die Kommission Vergesellschaftung für möglich und machbar hält, hielt sich an die SPD-Sprachregelungen: Wenn es einen rechtssicheren Weg gebe, dann wolle man mal sehen, so Gaebler. Der erfolgreichen Volksinitiative müsse man Respekt zollen.
Darauf entgegnete DW enteignen! noch am selben Abend per Mitteilung: „Sie sagen, dem Volksentscheid müsse Respekt gezollt werden. Wir sagen: Respekt zeigen heißt umsetzen!“ Die Fronten blieben also verhärtet.
Jarasch und Lederer für Enteignung
Immerhin: Die Grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch hat angekündigt, an einem Vergesellschaftungsgesetz zu arbeiten, sobald die Kommission zu einem aus Sicht der Mietenbewegung positiven Ergebnis komme. Insbesondere sei ihr dabei die Gerichtsfestigkeit wichtig. Applaus war das Ergebnis.
Linken-Spitzenkandidat Klaus Lederer sprach sich erneut klar für die Umsetzung aus und sagte darüber hinaus, egal wie die Wiederholungswahl ausfalle, jede Regierung habe den Auftrag, den Volksentscheid umzusetzen. Die Antwort von DW enteignen!: „Wir erwarten vom selbsternannten parlamentarischen Arm des Volksentscheids, dass konkrete Konsequenzen gezogen werden, falls sie die Blockadehaltung ihrer Koalitionspartner nicht überwinden kann.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen