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Debatte um Corona-AppDas Wer und das Wo

Auf Apps zur Nachverfolgung von Coronakontakten liegen große Hoffnungen. Bedenken dagegen sind berechtigt. In der Debatte fehlt Offenheit.

Viele potenzielle Corona-Kontakte, aber wie nachverfolgen? Foto: Claudio Furlan/ap/dpa

Beginnen wir mit DLJ14I. Ein zufällig zusammengewürfelter Haufen Buchstaben und Zahlen. DLJ14I, so könnte eine der temporären Nummern aussehen, wie sie den Handynutzer:innen in den viel diskutierten Apps zur Nachverfolgung von Corona­kontakten zugewiesen werden. Oder anders: Diese Nummer ist ein Beispiel. Entscheidend ist: Um den Umgang mit derlei Nummern gibt es gerade Streit. Einen Streit, der sehr viele Menschen in Deutschland und Europa betreffen wird.

Auf einer solchen App ruhen nämlich große Hoffnungen. So wie sich etwa derzeit der Gesundheitsminister äußert, könnte man meinen, dass Sars-CoV-2 durch die App schlagartig den größten Schrecken verlieren wird.

Die App ermittelt ständig, welche anderen Smartphones (mit derselben oder einer kompatiblen App) sich in unmittelbarer Nähe befinden. Und warnt, wenn der:die Besitzer:in eines Gerätes positiv getestet wurde. So können sich alle, die die Person in den vergangenen Wochen getroffen hat, schnell in Quarantäne begeben und getestet werden. Damit wäre die Infektionskette frühzeitig unterbrochen. Für eine nennenswerte Schutzwirkung müssten 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung die App nutzen, so die Schätzung.

Verschiedene Grundgerüste für die App gibt es schon und mindestens eine App ist für Deutschland in der Entwicklung, nämlich vom Fraunhofer Heinrich-Hertz-Institut. Unter anderem um diese App dreht sich der erwähnte DLJ14I-Streit. Denn das Institut setzt auf eine Lösung, bei der die Frage, zu wem die:der Nutzer:in mit der temporären ID DLJ14I Kontakt hatte, auf einem zentralen Server berechnet wird.

Zentral versus dezentral

Seit einiger Zeit mehrt sich nun Kritik an dieser Architektur. Denn in Sachen Datenschutz ist diese zentrale Lösung nachteilig. Dabei verspricht das Grundgerüst der App eigentlich guten Datenschutz: Es werden keine Namen oder andere persönliche Daten erhoben und die Nähe zu anderen Nutzer:innen wird nur mittels Bluetooth-Technologie ermittelt. Auch die temporären IDs, die etwa alle halbe Stunde wechseln sollen, erhöhen den Datenschutz.

Der könnte allerdings durch eine zentrale Speicherung abgeschwächt werden. Denn sobald Bewegungsprofile ersichtlich sind, lassen sich Personen auch ohne Namen oder Adressen enttarnen. MIT-­For­scher:innen haben schon 2013 gezeigt, dass man nicht mehr benötigt als vier zufällig ausgewählte Punkte zu Ort und Zeit, um 95 Prozent der Nutzer:innen zu identifizieren. Mit elf Ort-Zeit-Punkten gelang es für 100 Prozent.

Auf dem vorläufigen Höhepunkt des Konflikts zentral versus dezentral haben sich nun mehrere Hundert Wissenschaftler:innen in einem offenen Brief gegen ein zentrales Modell ausgesprochen. Sie fürchten, dass Kontaktnetzwerke erstellt werden könnten, also wer in den vergangenen Wochen mit wem Kontakt hatte. Das lege eine Grundlage für andauernde Überwachung auch nach der Pandemie. „Es ist entscheidend, dass wir aus der aktuellen Krise heraus kein Werkzeug schaffen, das eine Datensammlung der Bevölkerung in großem Stil erlaubt – weder jetzt noch später“, heißt es in dem Brief.

Ah, danke, wir ändern das wird in Datenschutzfragen zu selten gesagt

Schön wäre es, wenn die Ver­fech­ter:innen eines zentralen Ansatzes jetzt sagen würden: Ah, da habt ihr recht, danke, wir ändern das. Das ist ein Satz, der in Datenschutzfragen sowieso viel zu selten gesagt wird. Denn dafür würde es eines brauchen: Offenheit.

Eine informierte Wahl treffen

Und die fehlt vonseiten derer, die einen zentralen Ansatz vertreten. Denn für den mag es Gründe geben. Zum Beispiel, dass eine Gesundheitsbehörde mittels Kontaktnetzen herausfinden will, welche Personen viele Kontakte mit anderen Menschen haben. Um denen dann ein höheres Risiko zuzuordnen. Oder eben doch örtliche Bezüge herstellen will, um auf lokale Infektionsherde zu schließen. Das alles müsste aber bitte offen kommuniziert werden: Ja, wir wollen von euch folgende Daten – und damit das Folgende tun. Im Idealfall könnten Nutzer:innen dann eine informierte Wahl treffen.

Sonst wird eine Währung, deren Wichtigkeit derzeit alle – egal ob sie für ein zentrales oder dezentrales Modell sind – betonen, an Wert verlieren: die Währung Vertrauen. Das geht schnell. Siehe die erste Corona-App in Deutschland, die Test­ergeb­nisse an die getesteten Personen übermitteln sollte, aber anfangs haufenweise Sicher­heits­lücken aufwies.

Wenn die Zentralitäts-Be­für­wor­ter:innen nicht langsam ein paar Sachen erklären, wird bei der Nachverfolgungs-App das Vertrauen angeknackst sein, noch bevor sie auf den Markt kommt.

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2 Kommentare

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  • Sowohl der zentrale als auch der dezentrale Ansatz haben massive Datenschutzprobleme. Beim zentralen Ansatz braucht man großes Vertrauen in die zentrale Instanz, daß diese Daten nicht mißbraucht. Beim dezentralen Ansatz müssen zwangsläufig riesige Datenmengen auf alle teilnehmenden Telefone übertragen werden und können z.B. durch Kollaboration mehrerer auch wieder mißbraucht werden.

    Beide Ansätze haben außerdem das Problem, daß sie nur funktionieren, wenn Menschen ihr Smartphone auch dabeihaben. Aus Datenschutzsicht sollte man es aber so selten dabei haben wie möglich.

    Es gibt aber einen sehr vielversprechenden Ansatz, der keinen der oben genannten Nachteile hat:

    Keinen müden Cent in die Entwicklung irgendwelcher Apps stecken, sondern das Geld ins Gesundheitssystem stecken oder damit Masken finanzieren.

  • ich habe gestern bei arte "Überwacht: Sieben Milliarden im Visier " gesehen. aher meine gute Idee: man sollte die App direkt mit einem Sozialkredit-System versehen. Das wäre zukunftssicher.