Debatte um Ausländergesetze: Abschieben oder überwachen?
In der CDU/CSU mehren sich die Stimmen, die radikale Islamisten schneller abschieben wollen. Die Grünen denken über eine Begrenzung der Bewegungsfreiheit nach.
BERLIN afp | Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach will im Kampf gegen den Islamismus die rechtlichen Hürden zur Ausweisung straffällig gewordener Ausländer senken. „Die Hürde für Ausweisung und Abschiebung ausländischer Staatsbürger liegt zu hoch“, sagte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschuss der Berliner Zeitung vom Montag. Beides solle schon erfolgen können, wenn jemand zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung verurteilt worden ist. Bisher liegt die Hürde bei drei Jahren. „Insofern plädiere ich dafür, Paragraph 53 des Ausländergesetzes zu ändern.“
Ändern will Bosbach auch den Paragraph 54 des Ausländergesetzes. In ihm heißt es, ein Ausländer werde in der Regel dann ausgewiesen, wenn er sich bei der Verfolgung politischer Ziele an Gewalttätigkeiten beteiligt oder öffentlich zur Gewaltanwendung aufruft. Dies solle auch für die Verfolgung religiöser Ziele gelten.
„Wir dürfen nicht an der falschen Stelle tolerant sein“, sagte Bosbach weiter. „Die Freiheitsrechte, die der Staat gewährt, dürfen nicht dazu benutzt werden, unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung anzugreifen und gegen Andersgläubige zu hetzen.“ Zuvor hatte Bayerns Innenminister Joachim Hermann (CSU) die Ausweisung ausländischer radikaler Islamisten gefordert.
Aus der SPD gibt es ablehnende Stimmen zu diesem Vorschlag, auch die Grünen lehnen Verschärfungen ab. „Der bunte Strauß an Forderungen aus der Union von Ausbürgerung bis Einreiseverweigerung zeigt, man will Stimmung machen und hat kein Konzept“, sagte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, dem Kölner Stadt-Anzeiger vom Montag. „Statt dergleichen absurden Maßnahmen können hingegen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Einzelfall eine geeignete Maßnahme zur Gefahrenabwehr sein.“ Dies könne mit dem Entzug des Reisepasses und einem gut sichtbaren Sperrvermerk zu seiner räumlichen Begrenzung auf dem Personalausweis erreicht werden. „So kann man Verwirrte daran hindern, in den 'heiligen Krieg' zu ziehen.“
Das Polizei- und Ausländerrecht erlaube auch Meldeauflagen und Überwachungsmaßnahmen, erklärte Beck. Schließlich müsse die Bundesregierung stärker auf Prävention bauen, so dass islamistisches Gedankengut keinen Nährboden in Deutschland finde.
In Deutschland und anderen europäischen Ländern gibt es Befürchtungen, dass beispielsweise nach Syrien ausgereiste Islamisten noch weiter radikalisiert und kampferprobt zurückkehren und Anschläge verüben könnten.
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