Debatte um Aufsichtsrat: Der HSV schwebt weiter
Obwohl der Hamburger Sportverein mit Heribert Bruchhagen einen neuen Aufsichtsrats-Chef hat, kehrt keine Ruhe ein. Im Gegenteil – es bleibt irgendwie kurios
Wenn der Hamburger SV eines beherrscht wie kein anderer Klub, ist es, spannende, kuriose und absurde Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel diese: Der Aufsichtsrat des HSV sucht einen Nachfolger für Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer, wird in Heribert Bruchhagen fündig, will diese Information aber bis zum Spiel gegen den FC Schalke 04 geheim halten. Doch was in der Vergangenheit schon nie klappen wollte, klappte auch in diesem Fall nicht. Am Sonntagnachmittag sickert die Information über Beiersdorfers Entlassung durch. So weit, so schlecht.
Wenige Stunden später wird es kurios. In einer Live-Sendung auf dem Bezahlsender Sky erzählt Reiner Calmund, bis vor Kurzem noch Berater des Investors Klaus-Michael Kühne, seitdem inoffizieller Pressesprecher, dass Beiersdorfer selbst ihm diese Information bestätigt und gleichzeitig die Erlaubnis gegeben habe, sie weiterzuverbreiten. Hätte der HSV bis hierhin noch die Möglichkeit gehabt, die Meldung zu dementieren, war das spätestens nach Calmunds Auftritt nicht mehr möglich. Und der Plan des Aufsichtsrates dahin.
Alles zu indiskret
Karl Gernandt, bis dato Vorsitzender des Aufsichtsrates, erklärt am Montagmorgen seinen Rücktritt: „Ich muss diesen Schritt leider gehen, weil zu viele bewusste Indiskretionen innerhalb unseres Gremiums dem HSV und seinen handelnden Personen in den vergangenen Monaten erheblichen Schaden zugefügt haben, aktuell die sportliche Trendwende gefährden und inhaltliche Führungsarbeit in dieser Konstellation nicht möglich ist.“ Konsequent wie er ist tritt er nur als Vorsitzender des Gremiums zurück, in dem „nachhaltige Führungsarbeit nicht möglich“ sei.
Bei der Pressekonferenz zur Vorstellung von Bruchhagen ist Gernandt nicht mehr dabei. Stattdessen ist sein Stellvertreter Jens Meier da, dem vorgeworfen wird, einer der Maulwürfe zu sein. Möglich, dass der Aufsichtsrat sich aufgrund dieser Vorfälle demnächst auflösen muss. Etwas dazu sagen wollte Meier nicht.
Bruchhagen, der gestern nur vorgestellt wurde, weil der Geheimhaltungsplan in die Hose ging, gerät unverschuldet in eine schwer zu durchblickende Gemengelage. Fliegt Gernandt aus dem Gremium, gibt es von Kühne womöglich keine Kohle für Wintertransfers. Und dann?
Aber das ist nur eine von vielen ungeklärten Fragen. Eine andere lautet: Was passiert mit Beiersdorfer? Seit Tagen kursiert das Gerücht, Bruchhagen könne sich eine Zusammenarbeit mit dem gescheiterten Ex-Vorstandsvorsitzenden Beiersdorfer gut vorstellen. Gestreut wurde es, natürlich, von Calmund, dankbar aufgenommen von vielen Medien, die sich ein ganz kleines bisschen für seinen Verbleib stark machen. Schließlich sieht ein Großteil der Fans in ihm noch immer den Messias. Wobei sein Heiligenschein ein paar kräftige Dellen abbekommen hat.
„Bis zum 30. Dezember bleibt Beiersdorfer Sportchef. Er hat aber kein Signal gegeben, dass er darüber hinaus beim HSV tätig sein wird“, erklärt Bruchhagen, was noch nicht heißt, dass das Thema gänzlich vom Tisch ist. Der 68-Jährige habe zwar den Auftrag bekommen, einen Sportchef zu verpflichten. Dieser müsse jedoch gut mit dem Cheftrainer Markus Gisdol harmonieren. Und das tut Beiersdorfer sogar sehr gut. Zumal sich auch die Mannschaft klar für einen Verbleib Beiersdorfers ausgesprochen hat. Das verwundert angesichts ihrer exorbitanten Gehälter, die Beiersdorfer ihnen in die Verträge geschrieben hat, eher wenig. Der „liebe Didi“ steht wie kein Zweiter für die Wohlfühloase HSV. Klar, dass um ihren Erhalt gekämpft wird.
Viele Verpflichtungen
Kann sein, dass kurzfristige Erfolge der Mannschaft Beiersdorfers Überleben retten. Obwohl der Aufsichtsrat ihn mit der Begründung feuerte, im Kernbereich Profifußball versagt zu haben. Mit einer Entscheidung rechnet Bruchhagen aber erst nach der Transferperiode, die er gemeinsam mit dem Trainer angehen wird. „Ich ziehe mich jetzt zurück“, sagt er. Weil er einerseits seinen Verpflichtungen beim Sender Sky nachkommen muss. Und andererseits einen klaren „Cut“ herbeiführen will. Doch genau darauf wird der HSV noch eine Weile warten müssen.
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