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Debatte über Steuerhinterzieher HoeneßWer ko, der ko!

Kommentar von Marcel Malachowski

Bayern-Chef Uli Hoeneß hat den Bundesliga-Fußball durchkommerzialisiert. Die Schweiz-Millionen erscheinen manchen deshalb nur noch als Peanuts.

Optimierte Verwertung: Hoeneß mit eigenen Fanartikeln Bild: dpa

A m kuriosesten wird es immer, wenn ein angeblicher Skandal aufgedeckt wird. Dann scheint es jedes Mal so, als hätte niemand geahnt, was sich hinter den Kulissen abspielt. Alle geben sich empört und geloben Veränderung.

Dachte vor dem Amazon-Skandal ernsthaft jemand, bei Amazon sei das Arbeiten angenehm? Dachte ernsthaft jemand, Gunter Sachs hätte sein Vermögen durch ehrliches Wirtschaften abgesichert? Glaubte wirklich eine oder einer, dass Uli Hoeneß ein jovialer Self-made-Guy wäre, der hart, aber gerecht nur das Wohl seines Vereins und das Ansehen des deutschen Fußballs mehren wollte?

Im Gegensatz zu anderen Steuerflüchtlingen findet Uli Hoeneß engagierte Verteidiger von fast allen Seiten. Im Vergleich zu dem, was er mit Herzblut seit Jahrzehnten geleistet hätte, sei ja alles gar nicht so schlimm. Im Großen und Ganzen sei der gefühlige Mia-san-mia-Hitzkopf doch ein aufrechter Sportsmann mit dem Herz am rechten Fleck. Er habe seinen Fehler ja jetzt eingesehen und zeige Reue.

Und im Übrigen: Die paar Millionen, das seien doch nur Peanuts – im Vergleich zu den Banken, zur Griechenlandhilfe, zu den wirklich großen Betrügern. So sympathisch das Argument der Verteidiger – jeder macht mal Fehler – auch ist, so absurd mutet es an, wenn man die Entwicklungen betrachtet, die Uli Hoeneß tatsächlich im Sport forciert hat.

Angenehme Inszenierung als zynische Täuschung

Besonders gerne inszenierte sich Hoeneß als straightes Arbeiterkind, das sich trotz persönlicher Niederlagen hochgekämpft hätte in die höchsten Etagen des Profifußballs und der Gesellschaft. Der fast schon legendäre Höhepunkt seiner Inszenierung war die Wutrede auf einer Mitgliederversammlung des FC Bayern, in der er sich als Vorkämpfer erschwinglicher Eintrittskarten für die Südkurve produzierte. Diese anheimelnde Biografie täuscht zynisch darüber hinweg, dass Hoeneß die fragwürdigen Regeln des modernen Sport-Business und der imageschaffenden Selbstdarstellung tiefer in sich aufsog als andere.

MARCEL MALACHOWSKI

32 Jahre, lebt als freier Autor in Berlin. Seine Vergangenheit als FC-Bayern-Mitglied ist ihm so peinlich, dass er hier nicht mit Foto erscheinen wollte.

Hoeneß hat das reine Verwertungsprinzip zwar nicht erfunden, das sich mit der Globalisierung der Märkte und dem Auftauchen des neuen, großen Geldes vom Golf, aus Fernost und Russland entwickelte. Aber der langjährige Bayern-Manager erklärte die grenzenlose Merkantilisierung der Sport-Leidenschaft auch in Mitteleuropa als einer der Ersten für alternativlos.

So gründete Bayern München als erster deutscher Club ein Fußball-Internat. Was auf den ersten Blick nach fürsorglicher Talentförderung aussieht, ist in Wirklichkeit eine reine Leistungsauslese, die ihre Schatten bis auf die F-Jugend-Mannschaften in der Provinz wirft. Der Spaß am Sport gerät damit bereits im Kindesalter zur Karriereoption.

Brutales Scouting

Dieses perfektionierte System des Talent-Scoutings ist in den letzten Jahren zu einem internationalen Netzwerk von scheinbar seriösen Agenturen herangewachsen, die vor allem in Südamerika und Afrika nach Nachwuchsspielern Ausschau halten. Junge Spieler werden mit der Aussicht auf eine große Karriere geködert. Die wenigsten aber schaffen es – und die, die es nicht schaffen, werden ohne Absicherung und Perspektive wieder fallen gelassen. Spielermaterial, das keinen Mehrwert erwirtschaften kann, ist nutzlos.

Entsprechend verfuhr Hoeneß auch auf allen anderen Feldern: Das Merchandising baute er zum internationalen Geschäft aus, das sogar in Japan und der Volksrepublik China Gewinne einfuhr. Noch der nutzloseste Nippes wird als Ausdruck eines Gemeinschaftsgefühls der Fans zu überhöhten Preisen angepriesen. Neben den Vereinen aus Spanien und England war es vor allem der FC Bayern, der westlichen Fußball zum Dreh- und Angelpunkt des internationalen Sportkonsums aufbaute – zu einem Milliardengeschäft, von dem sehr wenige sehr viel profitieren und die meisten gar nicht.

Das Leistungsprinzip und die Eigenverantwortung, von denen Hoeneß in Talkshows so gerne phrasierte, zählen in Sportökonomie und Sportpolitik nichts, die Old-Boys-Netzwerke aus Verbänden, Sponsoren, Oligarchen, Entscheidern, Politikern, Großkonzernen dagegen alles. Ohne diese kruden Strukturen im Zentrum der Macht hätten sich nicht an der Peripherie die ähnlich mafiösen Organisationen der Wettmafia etablieren können. Dass die Gelder auf einem Schweizer Konto nun als Peanuts bezeichnet werden können, verdankt sich gerade den durchkapitalisierten Verhältnissen mit ihren irrwitzigen Gehältern und Gewinnen, die Hoeneß mit generierte.

Uli Hoeneß wusste als Marketing-Genie genau, wie er diese geschäftliche Skrupellosigkeit als Werk für die Gemeinschaft zu verkaufen hatte. Nach der Prügelattacke auf Dominik Brunner rief er zu mehr Zivilcourage auf, an seinem Wohnort im Tegernseer Tal trat er als privater Sponsor lokaler (Sport-)Vereine und Einrichtungen auf, den pleitebedrohten Kiezclub FC St. Pauli unterstützte er mit einem Benefizspiel: eine sauber kalkulierte Mischung aus Populismus und vorzeigbarer Charity.

In den letzten Monaten forcierte Hoeneß auch die Förderung der Basketballmannschaft von Bayern München, was ihm von der lokalen Presse natürlich hoch angerechnet wurde. Wahrlich, der jetzige Kautionshäftling war ein Rekordmeister darin, noch jede Optimierung der Verwertungsstrukturen als herzelnde Großtat zu verkaufen.

Amigos überall

Bei aller Kritik an Hoeneß bleibt aber nicht zu vergessen: Er war nur einer von über 3.300 deutschen Steuerhinterziehern, die sich nach dem Scheitern des Abkommens mit der Schweiz selbst anzeigten. Hoeneß ist auch nicht das schwarze Schaf in einer ansonsten weißen Herde des Sportgeschäfts, die albernen Ressentiments gegen den FC Bayern sind geschenkt.

Ohne Ruchlosigkeit ist nichts mehr zu holen, Amigos gibt es nicht nur an der Säbener Straße: Gazprom ist als Sponsor in der Bundesliga genauso gerne gesehen wie arabische Feudalsprößlinge als Geldgeber bei den Blauen vom TSV 1860 München. Wie die Gönner zu ihrem Geld gekommen sind, fragt niemand.

Der eigentliche Skandal ist nicht, dass Uli Hoeneß mutmaßlich dubiose Gelder in der Schweiz hatte, sondern dass sein Verständnis von Fußball und Geschäft allgemein als große Leistung anerkannt war. Und der noch größere Skandal ist, dass dies auch so bleiben wird.

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9 Kommentare

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  • R
    RLS

    Guter Kommentar

     

    Brot und Spiele halt, dann ist alles nicht so schlimm.

    Dann darf Herr Höneß auch mal Steuern hinterziehen.

  • W
    Wahrheitssager

    @Marcel Malachowski

     

    Herr Malachowski skandal ist nicht nur Hoeneß und die andere Steuerhinterzieher sondern auch die deutsche Medien, die jahrelang solchen unsinn und unsitte unterstützt haben. FC Bayern hat immer die besten Fußballspieler von den anderen Manschaften abgekauft und dadurch haben sie den konkurent dermaßen geschwächt haben, keiner der andere Manschaften mit FC Bayern mithalten könnten. Diese Art Geschäftmodel haben sie Menschen als Bayern-Erfolg verkauft. Als Bayern oder ein andere Club für ein Spieler 30-60 oder 90 Millionen bezahlt hat, fanden sie alles normal. Was hatte alles mit Realwirtschaft zutun hatte, haben Sie nicht nachgefragt. Solange es keiner beschwerdt hat, war es alles in Ordnung. Genau so wir die Politiker angehörige bei Papa und Mama als Mitarbeiter im Bayrischen Landtag arbeiten. Sogar ein 13 Jährige Junger war unter der Politikerangehörigen. Ich dachte Kinderarbeit wäre bei uns verboten. Die Jornalisten haben es vorher gewußt,trotztdem empören die Jornalisten scheinheilig. Früher haben die Jornalisten Skandale endeckt. Nun machen die Jornalisten mit denen Dienstreise oder auf Kosten des Auftragsgeber Urlaub in Maldiwen. Was hat Hoeneß gemacht hat, kann man nicht schön reden, aber Sie brauchen sich über Hoeneß nicht zu beschwerden.

  • P
    pomp1

    Verdammt guter Kommentar. Alles gesagt. Kompliment!

  • H
    Heisenberg

    "Seine Vergangenheit als FC-Bayern-Mitglied ist ihm so peinlich, dass er hier nicht mit Foto erscheinen wollte....., Brutales Scouting,....Amigos überall..." Blablablablabla....

     

    Dieser Artikel ist, wie so viele andere in der momentan überaus peinlichen deutschen Presselandschaft, an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Die Bigotterie und Scheinheiligkeit, gepaart mit himmelschreiender Unkenntnis über die Fakten, spottet jeder Beschreibung. Das Links-Spießertum der taz überbietet sich hier auf's Vortrefflichste! Aber nicht nur das, dieses Blatt leistet aufs Widerwärtigste der grassierenden, übel riechenden Volksjustiz Vorschub.

     

    Ein 32-jähriger Berliner muss er aber natürlich wissen. Er ist offensichtlich seit Jahrzehnten so nah dran an München und dem FC Bayern, dass er es wissen muss. WÜRG!

  • LO
    Laura Ohlsen

    Nach einer Umfrage halten es 58 Prozent der Deutschen für falsch, dass reuige Steuerhinterzieher straffrei ausgehen. Fast 70 Prozent beklagten außerdem, dass vom Staat nicht streng genug gegen Steuerhinterziehung vorgegangen werde.

     

    Wenn ich von diesen 'Gutmenschen', sofern sie schon mal gegen Abgabengesetze verstoßen haben sollten, auch nur pro Person einen EURO erhielte, wäre ich eine steinreiche Frau! :-))

  • L
    Lizarazu

    Man kann die Meinung haben, die der Autor vertritt.

    Einen direkten Bezug von der Einrichtung- des FCB-Jugendhauses zur gewissenlosen Ausbeutung kateinamerikanischer und afrikanischer Fußballtalente zu ziehen, legt allerdings die typische Attitüde des unreflektierten Bayernhassers nahe, der einfach alles runtermachen will, was rot ist.

  • W
    wonkmeier

    Sehr gut gebrüllter Kommentar, Löwe. Respekt!

  • N
    Normalo

    Wenn die von Hoeneß in Deutschland eingeführte Kommerzialisierung des Fußballsports (der längst ein internationales Phänomen war, aber was anderswo passiert, interessiert den aufrechten Linken ja nicht) der wahre Skandal ist, wieso verwenden Sie dann die Schwarzgeldkonten als Trittbrett, um ihn anzuprangern?

     

    Im Übrigen haben Sie schon Recht: Diese seine Einstellung wird den Sport bis auf weiteres beherrschen. Sie hat auch sicher ihre Nachteile, aber ohne sie wäre der Sport auf dem heutigen Niveau auch schlicht undenkbar. Die Internate lesen nicht nur Talente aus, sie bilden sie auch aus. Die großen Betreuerstäbe schaffen bei der taktischen und physischen Einstellung der Spieler tatsächlich um Welten bessere Ergebnisse als die einstigen Einzelkämpfer auf den Trainerbänken. Und der unsägliche Transfermarkt erlaubt es erst, Mannschaften so zusammen zu stellen, dass die besten taktischen Ideen überhaupt umgesetzt werden können.

     

    Wenn Sie heute die ganz Großen der Vergangenheit Pele, Beckenbauer etc.) in Topform unter einem Startrainer der "präkommerziellen" Zeit gegen eine beliebige, eingespielte, heutige Mannschaft aus den vorderen Rängen der besseren Ligen Europas antreten lassen könnten, wäre das Ergebnis mit an sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein zweistelliger Sieg für die Mannschaft der Gegenwart. Die Spieler wären sicher nicht talentierter, aber ihr Umfeld macht sie haushoch überlegen. So eine Entwicklung ist weder selbstverständlich noch umsonst.

  • DR
    Dr. rer. nat. Harald Wenk

    Doch, viel hielten Hern Hoenes für einigermassen "integer", wire die andern Namen.

     

    Die Heuchelei der "Erfolgreichen", mit "nur Gelderfolg zählt wirklich", ist auch wenig wirklich intellektuell durchdrungen. Der neuire GEldaldel mit den armen 2LOsewrmassen" zum Verachten und als Befehlsempfänger.

     

     

    Das Predigen des Leidstingsprinzpies gilt mehr als Verbreiztung als "neue Religion" (nach Max Webers die Internasliserung dtr ARberotsethik auf religös-christlicher Basis, verselbnstsäbdigt, "verschoben").

    DAS "weiss" ein TAZ Redakteur "eigentlich".