Debatte über Stadtautobahn: Linke will A 100 ausbremsen
Die Verlängerung der Stadtautobahn wird erneut zum Wahlkampfthema. Die Linke schlägt dem Koalitionspartner Grüne jetzt eine Guerillataktik vor.
Gennburg hält das Direktmandat im Wahlkreis, zu dem Alt-Treptow gehört. Ihre WählerInnen wären also von Lärm und Staus betroffen, wenn die Stadtautobahn 2024 an der Straße Am Treptower Park enden würde. Die Linkenpolitikerin ist ein Fan der Rückbau-Idee und hat definitiv andere politische Prioritäten als Straßenbau: „Auf den Fundamenten des 16. Bauabschnitts ließe sich eine große Zahl an Wohnungen bauen“, findet sie. „Ein Schwimmbad wäre sicherlich auch eine Möglichkeit.“
Damit in Sachen Weiterbau nicht fröhlich weiter Fakten geschaffen werden, wollte Gennburg in einer Anfrage an die Senatsverkehrsverwaltung wissen, welche Bautätigkeiten das Land beim 16. Bauabschnitt zwischen Dreieck Neukölln und Am Treptower Park in Eigenverantwortung durchführt. „Keine“, lautete die Antwort von Staatssekretär Ingmar Streese, die der taz vorliegt. „Die Zuständigkeit für Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und vermögensmäßige Verwaltung der Bundesautobahnen liegt seit dem 1. Januar 2021 nicht mehr bei den Bundesländern im Rahmen der Auftragsverwaltung, sondern bei der Autobahn GmbH des Bundes (Die Autobahn)“, zitiert Streese ebenjene Bundes-Gesellschaft.
Das war im Prinzip bekannt. Allerdings erfuhr Gennburg in diesem Zusammenhang auch, dass rund um die geplante Anschlussstelle Am Treptower Park alle „Leitungsunternehmen“ Baumaßnahmen durchführen müssen. Nicht nur die vorerst noch private Stromnetz Berlin GmbH, sondern auch die landeseigenen Berliner Wasserbetriebe.
Für die Abgeordnete ein möglicher Hebel: „Die Senatsverwaltung für Wirtschaft und Betriebe hätte die Möglichkeit, per Gesellschafteranweisung klarzustellen, dass es Am Treptower Park vorerst keine Mitwirkung der Wasserbetriebe gibt. Planungs- und Baukapazitäten werden ja auch für andere Projekte im Land dringend benötigt.“
„Kapazitäten nicht verschleudern“
Aber auch die ebenfalls grüne Verkehrsverwaltung könnte einen Beitrag dazu leisten, die A 100 auszubremsen, glaubt Gennburg: „Die Baustellenanordnungen und Verkehrsregelungen, die mit dem 16. Bauabschnitt zusammenhängen, werden von der Abteilung Verkehrsmanagement in der Senatsverwaltung getroffen“, sagt sie zur taz, „und die hat bei der Priorisierung der Verkehrswende schon genug zu tun“. Ihre Kapazitäten würden viel dringender bei der Anordnung neuer Pop-up-Radwege oder der verkehrssicheren Umprogrammierung von Ampeln gebraucht. „Beim Bau von Autobahnen sollten sie nicht verschleudert werden.“
Den Weiterbau behindern, indem man unterstützende Maßnahmen zurückfährt? Wäre das nicht … Sabotage? Mit einem solchen Begriff möchte Gennburg nicht in Verbindung gebracht werden. Sie nimmt einfach den Einsatz gegen die Autobahnverlängerung ernst und Bettina Jarasch beim Wort: „Der Rückbau der A 100 ist der politische Endgegner“, sagt sie. „Versprechen werden im Wahlkampf viele gemacht. Es geht darum, sie jetzt schon in Handlungen umzusetzen.“
Während es in Jaraschs Team durchaus Sympathien für Gennburgs radikalen Ansatz geben dürfte, kommt von der mit Senatorin Regine Günther ebenfalls durch eine Grüne geleiteten Verkehrsverwaltung – beredtes Schweigen. Schon nach der ersten Nennung des Begriffs „Rückbau“ auf dem Parteitag hatte die Senatsverwaltung gegenüber der taz kundgetan, sie werde dazu nicht Stellung nehmen, weil ein Teil der Landesregierung „nicht als Player im Wahlkampf auftreten“ dürfe.
Was will der Senat?
Auch in ihrer Anfrage hatte Gennburg das wissen wollen: Ob der Senat es „vor dem Hintergrund, dass in der Landespolitik derzeit ein Rückbau bzw. eine Herabstufung zur Stadtstraße für den 16. Bauabschnitt der A 100 diskutiert wird“, für sinnvoll erachte, die Arbeiten für die Anschlussstelle fortzusetzen? Anstatt alle Kapazitäten „in den Bau von Radwegen, Kiezblocks und Straßenbahnanlagen zu stecken, bevor die Frage des künftigen Umgangs nach der Wahl politisch geklärt ist“?
Die Antwort ist maximal nichtssagend: „Die Autobahngesellschaft des Bundes handelt auf der Basis eines rechtsgültigen Planfeststellungsbeschlusses in eigener Verantwortung“, teilt Streese mit. Wahrscheinlich ist man im Hause Günther der Ansicht, die grüne Spitzenkandidatin hätte zur A 100 besser geschwiegen.
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