Debatte Waffen aus Deutschland: Drohnen zu Windrädern
Um den Teufelskreis aus Militarisierung und Repression in Nahost zu durchbrechen, gehören die arabischen Kriegsparteien auf die rote Liste.
D ie Reise von Außenminister Sigmar Gabriels in die reichen Golfstaaten stand ganz im Zeichen von Frieden und Versöhnung: Als ehrlicher Makler zwischen Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) auf der einen sowie Katar auf der anderen Seite pendelte er in den vergangenen Tagen von Dschiddah über Abu Dhabi und Kuweit-Stadt bis Doha. So wollte er die zerstrittenen Partner des Golf-Kooperationsrats (GCC) wieder auf eine Linie bringen.
Gabriels Logik lautet: Unter dem Banner des gemeinsamen Kampfs gegen den „Islamischen Staat“ (IS) und andere Dschihadistenmilizen könnte der aus Sicht der Herrscherhäuser in Riad und Abu Dhabi abtrünnige Emir Tamim bin Hamad al-Thani in Doha zurück in den Kreis der reichen Golfstaaten geholt werden.
Doch der Antiterrorkampf ist nicht die Lösung, sondern das Problem: So wie der Krieg gegen al-Qaida nach den Angriffen auf die Twin Towers in New York und das Pentagon in Washington im September 2001 zu einer globalen Aufrüstungswelle führte, so ist auch im Krieg gegen den IS kein Ende in Sicht. Weder zeitlich noch örtlich: Waren es nach 9/11 die Interventionen in Afghanistan und im Irak, die der Rüstungsindustrie weltweit Milliardenaufträge bescherten, so ist der Zweite getrieben von den Staatsauflösungsgefechten der arabischen Welt. Ein Prozess, der Jahrzehnte anhalten könnte.
Und der eben nicht beendet wird durch immer neue Waffenlieferungen an die GCC-Staaten, die sich in den vergangenen Jahren stets unter den Top Ten der Hauptempfänger deutscher Rüstungsgüter fanden. Spitzenreiter 2015 war Saudi-Arabien, und im vergangenen Jahr landete Katar auf Platz zwei: Exportgenehmigungen für 33 Kampfpanzer und 19 Panzerhaubitzen aus deutscher Produktion erteilte der Bundessicherheitsrat dem reichsten Staat der Welt.
berichtete zwei Jahrzehnte lang für zahlreiche Medien, unter anderem aus Sarajevo, Beirut, Bagdad und Damaskus. Zuletzt war er Korrespondent der FAZ in Kairo. Seit 2017 leitet er das Amnesty Journal, die Zeitschrift für Menschenrechte. Sein neues Buch „Die Profiteure des Terrors“ (Westend) wird Donnerstag in Berlin vorgestellt.
Aber auch dem Königshaus des aggressiv auftretenden saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman bescherte das geheim tagende Gremium wieder reichlich Kriegsmaterial. Darunter 40.000 Multifunktionszünder der deutschen Diehl-Defence-Tochter Junghans Microtec, die über den Umweg Frankreich in für Saudi-Arabien bestimmte Artilleriemunition eingebaut wird.
Rüstungsgüter für die Konfliktparteien
Diese Genehmigungspraxis beenden wollte Gabriel, als er zum Amtsantritt von Schwarz-Rot 2013 als Wirtschaftsminister eine restriktivere Rüstungsexportpolitik ankündigte. Doch damit ist er gescheitert – und versucht nun als Außenminister über die Formel Antiterrorkampf zu kitten, was durch die anhaltende Aufrüstung in Nahost längst zerstört ist: ein System kollektiver Sicherheit für die Region, in dem der Golf-Kooperationsrat dank seiner Petrodollars eine tragende Rolle hätte spielen können. Stattdessen bekämpfen sich die GCC-Mitglieder nun gegenseitig. Und Deutschland liefert munter weiter an die Konfliktparteien, obwohl die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen das eindeutig verbieten.
Deutlicher noch als die Katar-Krise zeigt der Krieg im Jemen, welche Gefahren dieser Politik innewohnen: Mehr als 10.000 Menschen hat der von Saudi-Arabien 2015 angezettelte Krieg inzwischen das Leben gekostet, 7 Millionen sind vom Hungertod bedroht, 3 Millionen sind auf der Flucht. Der Jemen ist ein gescheiterter Staat – und damit das Gegenteil dessen, was Kronprinz Mohammed zu Beginn des Kriegs 2015 anstrebte: die Rückkehr der international anerkannten Regierung nach Sanaa sowie Ruhe und Ordnung an der saudischen Südflanke. Dennoch pries Gabriels Vorgänger Frank-Walter Steinmeier das Regime in Riad bis zu seinem Wechsel nach Schloss Bellevue als Stabilitätsanker in einer von Krieg und Krisen zerrütteten Region.
Doch die Aufrüstung geht weiter – auf nahezu 200 Milliarden US-Dollar beliefen sich zuletzt die Militärausgaben von Kairo über Tel Aviv, Beirut, Riad und Teheran. Und das, obwohl die Profite der globalen Rüstungsindustrie in keinem Verhältnis zu den Kriegsfolgekosten stehen: Millionen Menschen werden so um ihre Chancen auf Bildung und Entwicklung gebracht. Zugleich gehen Armeen und Geheimdienste der deutschen Verbündeten buchstäblich über Leichen, Zehntausende sitzen in den Gefängnissen, Menschenrechte zählen nichts.
Ausfuhrstopp für Rüstungsgüter
Angesichts anhaltender Repression im Innern und der verheerenden Rolle der saudischen Luftwaffe im Jemen sollte die Bundesregierung endlich die Konsequenzen ziehen – und einen Stopp der Ausfuhr von Rüstungsgütern an Riad beschließen. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Katar gehören auf eine rote Liste gesetzt. Außerdem sollte die Sicherheitszusammenarbeit mit dem ägyptischen Militärmachthaber Abdel Fattah al-Sisi beendet werden. Denn allzu lange wurde im Umgang mit den autoritären Regimes in Nahost Stagnation mit Stabilität verwechselt.
Schnelle Auswege aus dem Teufelskreis von Aufrüstung, Militarisierung und Repression mag es nicht geben. Doch beginnen damit muss man heute, das ist die Lehre aus den Aufständen des arabischen Umbruchsjahrs 2011. In einer seiner letzten Reden vor den Vereinten Nationen hat Barack Obama gesagt: „Jede Antiterrorstrategie ist zum Scheitern verurteilt, wenn jungen Menschen keine Alternativen bleiben zu den Vorgaben ihrer Staaten oder den Verlockungen eines extremistischen Untergrunds.“ Damit hatte er recht, auch wenn er mit dem exzessiven Drohneneinsatz über Afghanistan, dem Jemen, Syrien und Irak den von George W. Bush begonnen Antiterrorkrieg nicht beendet, sondern lediglich verändert hat – und in die Länge gezogen.
Neben einem Stopp des Exports in die autoritären arabischen Staaten lässt sich das mittelfristig nur ändern durch die Konversion von Rüstungs- auf zivile Produktion: Drohnen zu Windrädern, lautet die Devise. Der Verweis von Vertretern der Verteidigungsindustrie, dass Deutschland sich damit wettbewerbsunfähig mache, ist wohlfeil: Angesichts gesunkener Bundeswehretats haben viele Rüstungsunternehmen diesen Schritt bereits vor Jahren eingeleitet. Nun liegt es an der Politik, diese Richtungsänderung weiter zu forcieren.
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