piwik no script img

Debatte UmweltpolitikFracking statt Putin

Manfred Kriener
Kolumne
von Manfred Kriener

Heimisches Schiefergas als Erlöserphantasie: Teile der Union wollen mit Fracking die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen reduzieren.

Küssen gegen das Böse: Zwei Demonstrantinnen zeigen, was sie vom Fracking halten. Bild: Reuters

B undeskanzlerin Angela Merkel verteilte in Sachen Krimkrise Beruhigungspillen und schwang auf dem Europa-Parteitag der Union am Wochenende gleichzeitig die Peitsche. Niemand wolle den Gesprächsfaden zu Putin abreißen lassen, so die CDU-Vorsitzende, aber notfalls werde die EU zu harten wirtschaftlichen Sanktionen greifen.

Bisher beließen es die Europäer bei eingefrorenen Konten und Reisebeschränkungen für ein gutes Dutzend russischer Krimschurken. Kritiker monieren, dass wegen der fatalen Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen – die EU bezieht ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Putinland – ein scharfer Sanktionskurs nicht möglich sei, weil uns sonst die Russen den sprichwörtlichen Gashahn zudrehen. Dann halten wir „im Winter nur einen Monat durch“, rechnete der Spiegel vor und hatte gleich eine Lösung parat: Bevor wir den „Gaskrieg mit Russland“ riskieren oder schnatternd den Kirschbaum aus Nachbars Garten verheizen, sollten wir dringend über eine andere Option nachdenken: Fracking.

Und selbst die SPD

Bild: pixelmann
Manfred Kriener

hat vor vielen Jahren das Umweltressort der taz mit gegründet und war bis 1990 Ökologieredakteur. Er ist Träger des Umwelt-Medien-Preises der Deutschen Umwelthilfe.

Inzwischen haben auch mehrere CDU-Granden die Krimkrise genutzt, um die fast schon vergessene Technologie der Erdgasgewinnung durch das Einpressen von Chemikalien-Wasser-Cocktails in die Erdkruste wiederzubeleben. Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs sieht Fracking als Chance, um uns „unabhängig zu machen von anderen Lieferanten“. CSU-Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer, der inzwischen dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags vorsteht, will „die Fracking-Option dringend offenhalten“, um „Versorgungssicherheit und Preisstabilität“ zu gewährleisten, und selbst SPD-Parteichef und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat „gehört“, dass die Fracking-Unternehmen jetzt „daran arbeiten, ein wesentlich besseres Verfahren zu entwickeln, das muss man neu beurteilen“.

Fracking statt Putin? Heimisches Schiefergas aus Mettmann (NRW) oder Bötersen (Niedersachsen) statt Gazpromlieferungen aus Sibirien? Es ist eine typisch deutsche Energiedebatte, die aus der Krimkrise erwächst. In keinem anderen Land verstellt seit jeher eine Überdosis ideologischen Betons die Rationalität, wenn es um Energie aus Uran, Sonne oder aus den Tiefen der Erdkruste geht. Ein Fünfminuten-Telefonat mit dem Erdgaslieferanten Wintershall hätte genügt, um den Aberwitz einer Substitution von auch nur 10 Prozent der russischen Erdgaslieferungen durch Fracking in den nächsten zehn Jahren zu offenbaren.

Schon der Zeithorizont macht klar, dass es mindestens bis 2020 dauern würde, bis Probebohrungen realisiert, Standorte ausgesucht und genehmigt, die Infrastrukturen aufgebaut, Verbindungen zum Gasnetz gelegt und die ersten Frackings niedergebracht wären. Optimistisch betrachtet, könnte Erdgas aus Fracking dann vielleicht ab Mitte des nächsten Jahrzehnts 2 bis 3 Prozent unseres heutigen Gasbedarfs decken.

Nicht jede Technologie

Realistisch betrachtet wird sich Fracking in einem eng besiedelten Land wie der Bundesrepublik mit einer umweltsensibilisierten Bevölkerung aber niemals zur ernsthaften Alternative entwickeln. Inzwischen hat die gesellschaftliche Restvernunft auch im Unionslager ihren Platz. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht hat verstanden, dass „wir nicht jede Technologie brauchen, ich bin strikt dagegen“. Und sie ist nicht die Einzige in der Union. Heilsam sind die Luftbilder aus den USA, wo die Landschaft von tausenden Bohrtürmen perforiert ist wie von MG-Salven.

Während in Deutschland einige Energieveteranen alten Atomschlags vom Fracking träumen, verfliegt in den USA, der Supermacht der Schiefergasexploration, gerade die große Euphorie. Die Investitionen in die Ausbeutung von Schiefergas und -öl sind dort dramatisch abgestürzt. Ausländische Kapitalgeber hatten noch 2011 über 30 Milliarden Dollar investiert. Ein Jahr später waren es noch 7 Milliarden, vergangenes Jahr nur noch 3,4 Milliarden. Und die großen US-Frackingfirmen kämpfen gegen riesige Schuldenberge. Marktführer Chesapeake, einst der große Star am Börsenhimmel, musste Gasfelder und Pipelines im Wert von 6,9 Milliarden Dollar verkaufen, um seine dramatischen Schulden abzutragen. Shell hat Wertberichtigungen von 2 Milliarden Dollar auf sein US-Frackinggeschäft vornehmen müssen. Das Defizit von 80 großen Firmen lag 2013 zusammen bei 50,6 Milliarden Dollar. Fracking lohnt sich nicht! Und taugt nicht als Erlöserfantasie. Die Gaspreise müssen schon kräftig anziehen, um auskömmliche Geschäfte zu garantieren.

Peak Fracking ist erreicht

Zudem ist im US-Bundesstaat Texas der Peak der Förderung bereits überschritten. Ob dies auch für die gesamten USA gilt, müssen die Förderquoten der nächsten Jahre zeigen. Der Münchner Energieexperte Werner Zittel, einer der seriösen Beobachter des US-Frackingsbooms, glaubt, dass die USA zumindest bei der Gasförderung ihren Höhepunkt überschritten haben. Beim Öl rechnet er 2015 bis 2017 mit dem Peak. Wer sich die Verbrauchs- und Förderzahlen der USA ansieht, der sieht sofort, dass auch die selbstgefälligen Ankündigungen, die USA würden unabhängig von Öl- und Gasimporten werden, nicht mehr als eine schöne Illusion waren. Letztlich steht hinter den überzogenen Hochrechnungen der Fracking-Potenziale nichts anderes als der alte Glaube an die unbegrenzte Welt mit unendlichem Wachstum und unbegrenzter Energie. Doch die Schätzungen der Gas- und Ölvorkommen mussten immer wieder korrigiert werden. In Polen, lange Europas großer Hoffnungsträger in Sachen Fracking, sind die taxierten Vorkommen inzwischen um 90 Prozent geschrumpft.

Es passt ins Bild der Debatte, dass die einzigen Energieträger, die tatsächlich in gewaltigen Mengen verfügbar sind und die in den vergangenen Jahren Energieimporte aus dem Ausland in erheblichem Maße ersetzt haben, in der Krimkrise kaum erwähnt werden: Sonne, Wind und Co. Aber warum Solarkollektoren oder -module aufs Dach setzen, wenn man auch mit Millionen Tonnen in den Untergrund gepresster Giftbrühe und Gas aus aufgeknackter Erdkruste das Duschwasser heiß machen kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Manfred Kriener
Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Bitte die "Korbacher Petition " Unterzeichnen: https://www.openpeti...ing-deutschland

    Und wenn man Informationen rund um das Thema Fracking möchte, kann JedeR sich hier umfassend informieren:

     

    http://www.gegen-gasbohren.de/

     

    http://www.no-moor-fracking.de/

     

    http://ak-fracking.de/wiki/Hauptseite

  • "Ramsauer bürgt für Qualität" ! Aber für Popanz - Qualität . Wie in Amerika , wo, statt Wasser , aus dem Hahn , Flammen schlagen . Um billigen Gases wegen , das Grundwasser verseuchen ? CDU - Politik ,42 % Politik , Gen Mais und jetzt noch Grundwasser Verseuchung ? Was muss eigentlich noch kommen , damit man diese Koryphäen in die Wüste schickt ?

  • Das Gaslieferungen aus Russland ausbleiben, glaube ich nicht. Es wurde in jeder Krise geliefert. Schließlich hat Deutschland nur minimale Reserven vorgehalten. Wenn man weiß, dass ca. 50% des russischen Haushaltes durch Öl und Gasexporte finanziert werden, kann man sich den "Aufstand" in Russland vorstellen, wenn plötzlich kein Geld mehr da ist. Dann kann Putin seinen Hut nehmen. Also wird brav weiter geliefert.

     

    Die Fracking-Blase wird vielleicht zehn Jahre bestehen, bis sie platzt. Aber die Umwelt ist auf immer versaut! Um Energiepolitisch unabhängig zu werden taugen auf lange Sicht nur die Erneuerbaren.

  • Wir können mit gefracktem Gas ja dann auch gleich die Ukraine von Russland unabhängig machen.

  • "...russischer Krimschurken..."

    "die EU bezieht ein Drittel ihres Gasbedarfs aus Putinland..."

    "weil uns sonst die Russen..."

     

    Liebe TAZ was ist denn los mit euch? Was ist denn das für ein Ton den ihr hier anschlagt? Gruß Nils-

  • Fracking? Ja super! Mal von dem Wahnsinn für die Umwelt abgesehen...WER BESITZT DAS WISSEN (Patente) UMS FRACKING???? Richtig!!! Die scheiß Amis! Also wem halten wir den Arsch hin? Dem Osten oder dem "Westen"? Anstatt radikal auf erneuerbare Energien zu setzen -.-