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Debatte US-Luftangriffe in SyrienHau drauf und dann?

Kommentar von Karim El-Gawhary

Die Strategie der Luftschläge bleibt zweifelhaft. Sie werden die Verhältnisse nicht grundlegend ändern und stützen sich auf zweifelhafte Verbündete.

Piloten der US-Airforce vor ihrem Start in einem Kampfflugzeug. Bild: Reuters

E s ist ein ungeschriebenes Gesetz: Bei jeder militärischen Planung muss nach dem strategischen Ziel einer militärischen Aktion gefragt werden. Bei den Luftschlägen in Syrien ist dieses Ziel nicht definiert.

Welches Ziel haben die Luftangriffe in Syrien? IS soll bekämpft werden. Doch schlimmstenfalls könnte sich der IS auf eine Guerillataktik verlegen, womit er noch schwerer zu bekämpfen wäre. Rein militärisch ist dem IS nicht beizukommen. Soll also erreicht werden, dass weniger Flüchtlinge über die Grenzen kommen? Ein zweifelhafter Versuch. Denn die Menschen fliehen nicht nur vor den Dschihadisten des IS, sondern auch vor den Luftangriffen.

Will man dafür sorgen, dass keinen weiteren westlichen Journalisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen vor laufenden Kameras der Kopf abgeschnitten wird? Wahrscheinlicher ist das Gegenteil: Die Brutalität wird zunehmen. Soll verhindert werden, dass die internationalen Dschihad-Touristen nach Syrien reisen und später in ihren Heimatländern Unheil anrichten? Das lässt sich aus der Luft schwer verhindern. Stattdessen dürften die Dschihad-Touristen durch die Angriffe weiter radikalisiert werden und die Gefahr von Anschlägen steigen. Will man den Menschen in der Region helfen? Da muss man sich die Frage gefallen lassen, warum man den Krieg in Syrien jahrelang einfach hat laufen lassen.

Luftschläge können nur Teil einer größeren militärischen Strategie sein, die am Ende auch Bodentruppen beinhaltet. Da im Moment kein Land der Welt bereit ist, Truppen in den syrischen Sumpf zu schicken, wird verzweifelt nach „moderaten“ syrischen Rebellen gesucht, die man bewaffnen kann. Nachdem man vier Jahre lang Mord und Totschlag in Syrien zugelassen hat, ist dort naturgemäß nicht viel Moderates übriggeblieben.

taz.am wochenende

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Die Rebellen sind zersplittert und fast allesamt ideologisch islamisiert. Denn ohne Hilfe von außen blieb den meisten nur der Glaube und die Motivation, als Märtyrer im Paradies zu enden. Das Leben unter dem täglichen Bombardement des Assad-Regimes hat dazu geführt, dass ein Teil der verbliebenen Syrer den IS als Erlöser ansieht.

Nach den Ursachen fragen

Jeder Versuch, den IS zu bekämpfen, wird scheitern, wenn man sich nicht damit beschäftigt, wie diese Terrorgruppe entstanden ist. Und da landet man schnell beim Assad-Regime und der großen Gefahr, dass man dem Diktator ein nächstes Geschenk macht, indem man einen Teil der Opposition gegen ihn wegbombt.

Man muss in Syrien nicht nur effektive Rebellen-Bodentruppen gegen den IS aufbauen, sondern auch eine vernünftige politische Alternative zu Assad. Denn die Syrer, die am Regime festhalten, tun das meist aus Angst vor dem, was danach passieren könnte.

Und wo wir schon bei den Ursachen für die Entstehung des IS sind: Sicherlich macht es Sinn, die arabischen Staaten militärisch einzubinden. Und mit dem Einsatz jordanischer, saudischer und emiratischer Luftwaffen beugt Obama dem Vorwurf vor, dass es sich wieder um einen Kreuzzug des Westens handele.

Das Problem dabei ist, dass er auch den Bock zum Gärtner macht. Denn die undemokratischen arabischen Regime, gerade die Golfstaaten mit ihrem erzreaktionären Islamverständnis, haben einen guten Teil an der Entstehung des IS beigetragen. Insofern sind sie weniger Teil einer kurzfristigen militärischen Lösung als vielmehr langfristig ein Teil des Problems.

Hier kämpft der Westen mit den altbekannten Mitteln militärischer Macht, mit denen er es bislang noch nie geschafft hat, die Kräfteverhältnisse in seinem Sinne zu verändern, gemeinsam mit überkommenen undemokratischen arabischen Königen und Emiren gegen reaktionäre Dschihadisten, die das Rad der Geschichte mit aller Macht bis in die Zeiten des Propheten Mohammed zurückdrehen wollen. Irgendwie stinkt das Ganze vom Kopf her. Wie ein alter, vergammelter Fisch.

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12 Kommentare

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  • Jetzt haben die USA wieder Freiwillige zum Krieg gesammelt,diesmal handelt es sich um ISIS in Irak+Syrien.Diese Rebellen/Islamisten wurden schon 4 Jahren bekaempft von Assad,Hizbollah,Iran,Irak,waehrend die Rebellen vom Westen/Nato unterstuetzt wurden mit Trainierung,Finanzierung,Bewaffnung,logistische+geheimdienstliche Unterstuetzung.Jetzt hat der US-Nobelpreistraeger ein Monster geschaffen das wieder bekaempft werden muss.Auch sollen jetzt ruckzuck 15.000 neue Rebellen ausgebildet werden fuer eine syrische Gruppe die sowieso keine Chancen hat in diesem Spiel.Man muss sich die Frage stellen ob die USA ueberhaupt faehig sind hier eine Loesung zu forcieren nach allen Katastrophen in Irak,Syrien,Afganistan,Somalien,Palestina,Ukraine,Lybien,Yemen ,usw.Auch das US-Isolieren von Weltmaechten wie China+Russland ist nicht hilfreich fuer weltweite ProblemLoesungen.

    Deshalb muss man den US-Auftritt i/d UN-Versammlung Herbst 2014 als eine Flucht nach vorne bewerten um das US-Versagen zu verhuellen. Leider haben die Politiker in Bruessel und EU-Hauptstaedten noch viel Nachhohlbedarf um ihre Erkentnisse aufzufrischen,und grundlegende Entscheidungen zu treffen wie das Beenden der Agressionen+konfrontationen zusammen mit USA.Man koennte die Nato in eine EU-Organisation aendern,ohne USA

  • Wieso kann in der taz ein Artikel zur Situation in syrien zu einem Zeitpunkt zu dem Kobane seit Tagen umkämpft ist erscheinen, der ohne das Wort "Rojava" (oder eben Kobane) auskommt?

    Da präsentiert sich ein Ansatz von Selbstverwaltung und Emanzipation, der akut von den momentan vermutlich konterrevolutionärsten Kräften der Welt bedroht wird. Und die taz hat nichts besseres zu tun als durch Ignoranz zu glänzen? Und in dem Absatz, in dem es passen würde wird auf einen Artikel verlinkt, der von einer "nationalen Orientierung" der YPG/PYD faselt. das ist beratungsresistenteste Schreibtischanalyse vom allerfeinsten. Zumindest ein kurzes Aufrufen kurdischer oder yezidischer Infokanäle sollte erwartbar sein.

    (tip: yxkonline.com, civaka-azad.org)

     

    Das die NS-Relativierungen unter dem Artikel veröffentlicht werden ist noch mal ne ganz andere Nummer. Solche Trolls können sich gern mal zu PI-News oder zu den Abschaumparaden der Kameraden nach Dresden, Magdeburg oder Bad Nenndorf verpissen. Strunzdummen braunen Antiimperialismus braucht keiner sonst, danke dafür.

     

    Kein Maßband der Welt geht gerad um meinen Hals. Schreibtischtäter, alle.

     

    Nachtrag. Noch ein Artikel, nochmal ohne Rojava, wieder gegen die einzige überhaupt statt findende Unterstützung. so ineffektiv sie sein mag, so sehr Militärinterventionen kein Heilmittel sind: so lange ihr eindeutig emanzipatorische Perspektiven zu Gunsten einer "es gibt auch zivilisierte Islamisten"-Apologie übergeht, habt ihr keinen moralischen Grund von dem aus das Bombardement kritisiert werden kann, ohne billige antiamerikanische Reflexe zu bedienen.

     

    [Die Moderation: Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Beleidigungen.]

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @orios:

      "...momentan vermutlich konterrevolutionärsten Kräften der Welt bedroht..."

       

      Wer ist die Revolution, wer ist die Konterrevolution? Jede Seite sieht sich selbst als Revolution an und die Gegenseite als Konterrevolution oder Konterkonterkonterrevolution. Mit deratig pauschalen Phrasen wird man sich dem Phänomen nicht nähern können.

       

      Wollen Sie damit die konterrevolutionären Nazi-Kräfte in Europa, als da wären Breivik, NSU und ihre breiten, von der Mitte der Gesellschaft bis in die Staatsgefüge hineinreichenden Unterstützerkreise aus dem Blickfeld drängen? Immerhin führen hier nach wie vor Naziverbrecher die Statistiken der politischen Kriminalität an.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Hau drauf und dann?

    Hau ab!

  • Für den Betrachter sollte es doch so aussehen: in Libyen wurden die Rebellen unterstützt, da sie gut organisiert schienen, in Syrien wollte man genau das Gegenteil tun. Erst sät merkte man, dass auch dort die Opposition Unterstützung braucht. Die sollte es nach engen, vom Westen diktierten, eigentlich unannehmbaren Regeln geben. Das Veto Russlands sorgte schließlich dafür, dass gar nichts geschah und sich die Opposition verraten fühlte. erst das bereitete den Boden für die Islamisten. Obama steckt in der Zwickmühle von Friedensengel, der seine Truppen abzieht, Friedensbringer als Weltpolizist USA und dem militärisch-industriellen Kompex. Letzterer hat mal wieder die Wortführung übernommen. Doch als Europa können wir den Einsatz in die richtigen Bahnen lenken - oder die Katastrophe weiter vergrößern. Durch ungeschicktes Taktieren mehr Schärfe in einen Konflikt zu brinen, darin haben Deutschland, Frankreich und Großbritanien echte Meisterschaft errungen.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @mdarge:

      Die einzige Möglichkeit, hier sinnvoll zu helfen: Vollständige militärische Zurückhaltung, maximale unbürokratische Flüchtlingsaufnahme.

  • Danke für den Artikel, eine seltene Stimme der Vernunft. Sämtliche Militäreinsätze der USA oder anderer westlicher Staaten im Nahen Osten haben keinen einzigen Konflikt beseitigt, sondern immer alles nur verschlimmert. Leider vertrauen auch heute immer wieder Menschen in Endlösungen durch Militäreinsätze.

    • 9G
      90191 (Profil gelöscht)
      @bouleazero:

      Ja, die Endlösungen sind halt schon verführerisch.

  • 9G
    90191 (Profil gelöscht)

    Gegen Ende des 2. Weltkriegs, als der künftige Konflikt mit der Sowjetunion sich immer deutlicher abzeichnete, erkannten die USA den Nutzen strategischer Luftangriffe als Abschreckungspotenzial und militärische Machtdemonstration. Mit größtmöglicher Brutalität wurden daher die bereits chancenlos darniederliegenden Deutschland und Japan (abgesehen von den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki fielen in Tokyo in einer einzigen Nacht über 100.000 Menschen den US-Brandbomben zum Opfer) als Showroom skrupellosen Luftterrors benutzt, um so der Welt den künftigen absoluten Führungsanspruch der USA klarzumachen. An dieser Terrorstrategie halten die USA bis heute fest, wenn auch in zeitgemäß weniger spektakulärem Rahmen.

    • @90191 (Profil gelöscht):

      Die "Terrorstrategie"wie sie es nennen,richtete sich damals gegen Staaten,die hemmungslos über ihre Nachbarländer hergefallen waren und alles andere als zimperlich waren beim Abschlachten von Millionen von Menschen und der Ausbeutung dessen,was danach noch übrig war.Ausgehend davon,kann ich den USA nicht einmal verdenken,dass sie dem Aufkommen solcher Regime seit dem energisch entgegen wirken.Damit vermischt wurden nach dem 2.Weltkrieg leider auch egoistische Interessen der USA,die unter dem Deckmantel der Gerechtigkeit versteckt wurden.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @Markus Müller:

        Der US-Atom- Napalm- und Brandbombenterror richtete sich explizit gegen Zivilbevölkerung, gegen Kinder, Frauen und andere Wehrlose. Es sollte nicht nur größtmögliche Zerstörungskraft, sondern ebensolche Skrupellosigkeit in ihrer Anwendung demonstriert werden. Militärisch hatten Deutschland und Japan zu diesem Zeitpunkt längst verloren.

         

        Vietnamkrieg: Drei bis vier Millionen zivile Opfer durch US-Giftgasangriffe (Giftaerosol, um genauer zu sein). Und Tausende durch von US-Truppen verübte Massaker.

  • Guter Beitrag der das Schlamassel deutlich macht und nicht, durch Auslassung, so vereinfacht wie die gängige Berichterstattung hierzulande.