piwik no script img

Debatte Trumps WirtschaftspolitikTea Party für alle

Kommentar von Anjana Shrivastava

Trumps Jobwunder bleibt aus, denn er will kein Geld dafür ausgeben. Jetzt zeigt sich, wie egal dem Präsidenten das siechende Heartland ist.

Auch in der Wirtschaftspolitik macht Trump keine gute Figur: Fotoshooting in Shenyang, China Foto: ap

D onald Trump hat immer wieder Millionen neuer Arbeitsplätze versprochen, aber Pläne für ihre Beschaffung bleibt er bislang schuldig. Gesetzentwürfe für eine neue Infrastruktur will er erst nächstes Jahr angehen. Denn vom Zement und Bauen versteht Trump sehr viel, von der Politik und ihren Ränken leider nur sehr wenig.

Erst nach der Wahl schien Trump zu begreifen, dass die Republikaner seine Baulust nicht teilten, zumindest nicht in Verbindung mit neuen Steuererhebungen. Vielleicht ahnte Trump erst zu diesem Zeitpunkt, dass er als Aushängeschild der von der Tea-Party-Bewegung dominierten Partei benutzt worden ist. Sein Adjutant und Chefberater Stephen Bannon dürfte allerdings die wahre Lage früh verstanden haben.

Denn nach der Finanzkrise tingelte der heute exzentrisch auftretende Bannon mit korrekter Frisur und in biederen Anzügen durch Amerikas Provinz. In bescheidenen Hotelsälen in Städten wie Tucson und Wichita predigte er damals bis zu dreimal in der Woche das reine Tea-Party-Evangelium. Immer wieder lobte er das Kleinunternehmer-Publikum als Bollwerk gegen den Obama-Niedergang.

Die einzige Ausschweifung, die der Exmarineoffizier sich erlaubte, war, mit der Hand langsam durchs Haar zu streifen, als er seine Zuhörer aufforderte, keine Steuergelder mehr für die Banken da oben und die Schmarotzer dort unten bereitzustellen. Seine Zuhörer nannte er „die anständigsten Menschen des anständigsten Landes“ der Erde.

Bloß keine neuen Steuern

Sobald er für den Kandidaten Trump arbeitete, sah Bannon dessen Aufgabe darin, das Stimmvieh für dieses militante Mittelstandsprogramm der Tea Party zu besorgen. Das ging nicht ohne Jobversprechungen, aber jetzt, da die beiden im Weißen Haus etabliert sind, spricht Bannons beherzter Schwenk in Richtung Außenpolitik Bände davon, dass sein Interesse am Zustand der Straßen und Brücken in Kansas oder Michigan schwindet. Denn jeder Tag bringt neue Botschaften der republikanischen Fundamentalopposition: keine neuen Steuern.

In vier Jahren aber muss Trump wieder ran an die Wähler. Die weißen Arbeiter im heartland, dem ländlichen Amerika, warten noch, wenn nicht auf Jobs, so auf irgendwelche bezahlten Arbeitsstunden. Die frisierte Statistik macht es schwer, zu erkennen, aber die Lage ist düster. Die Gesamtzahl der Arbeitsstunden befindet sich seit Jahren im Sinkflug, und mit jeder Erschütterung der Wirtschaft kommen neue Arbeitssuchende dazu. Zwischen 2000 und 2015 gab es gerade 4 Prozent mehr bezahlte Arbeitsstunden, verglichen mit 35 Prozent mehr zwischen 1985 und 2000. Aber weil die Arbeiterschaft in dieser Zeit um 18 Prozent wuchs, verlor jeder Arbeitende 12 Prozent. Das sind massive Probleme, die mit Rhetorik nicht mehr schönzureden sind – weder mit den warmen Worten der Bush-Jahre über Gott und Waffen noch mit „Great Again“-Sprüchen à la Trump.

Bannons Schwenk zur Außenpolitik zeigt, dass sein Interesse an Straßen und Brücken schwindet

Spätestens jetzt erklärt sich Trumps Obsession mit der mexikanischen Nation. 11 Millionen illegale Einwanderer sind längst nicht nur Feldarbeiter oder Lohnsklaven in Schlachthöfen, sondern auch preiswerte Elektriker, Bauarbeiter, und Haushaltshilfen. Die meisten betrachten sich als Anständige unter Anständigen. Aber so willkommen Gastarbeiter in Zeiten des Booms sind, so unwillkommen erscheinen sie in Zeiten der knappen Beschäftigung. Das ist in Europa nichts Neues – wohl aber in den Vereinigten Staaten, die immer stolz auf ihre Offenheit waren.

Rückkehr ins 19. Jahrhundert

Wenn man keine neuen Stellen schaffen kann, kann man bestehende neu besetzen. Wenn man bisher nicht annahm, dass die unattraktiven Jobs der Illegalen begehrt sind, muss das nicht so bleiben: Heute leben viele amerikanische Männer in den besten Jahren von geringen, aber gerade noch ausreichenden Arbeitsunfähigkeitsgeldern.

Nach Zahlen der Obama-Regierung sind 50 Prozent dieser Arbeitsunfähigen auf Schmerzmitteln; sieben Millionen nehmen Opiate wie das teure Medikament Oxycontin. Ein legales Suchtverhalten, bezahlt von den Krankenkassen und der öffentlichen Hand. Daher der republikanische Widerstand in Washington: Die Anständigsten der Anständigsten haben Angst, dass sich solche Praktiken fortsetzen. Mit dem kostenlosen Opium fürs arbeitslose Volk soll nun Schluss sein; jetzt geht es um eine Tea Party für alle.

Diese neuen Entwicklungen markieren das Verlassen des politischen Terrains des 20. Jahrhunderts und zeugen von einer Rückkehr ins 19. Jahrhundert ohne jegliches soziale Netz für die Bürger – nicht mal ein perverses Netz aus Opium vom Staat. Es ist vor allem eine Rückkehr im Hinblick auf die Beziehungen zu Mexiko, zu den Zeiten, als Mexiko im Jahr 1848 Amerikas Expansionsdrang weichen und nach einem verlorenen Krieg Land im großen Stil abtreten musste.

Fliehende halbnackte Indianer

Damals war der Ökophilosoph Henry David Thoreau hell empört, wie auch heute die Sanctuary-Bewegung sich wieder gegen Ungerechtigkeit auflehnt. Trumps Drohungen gegen Mexiko bedeuten eine Politik der Stärke gegen die Schwächsten der Schwachen. Wer wird für eine Mauer bezahlen? Mexiko! Es ist eine Ansage nach innen. Und wer wird tatsächlich Amerikas Rechnungen in der Zukunft bezahlen? Die Mexikaner und andere Illegale, die ihre Schuldigkeit getan haben und die nun also wieder gehen können.

Ein berühmtes Gemälde aus dem Jahr 1844 zeigt eine allegorische Figur der engelsgleichen Columbia, die in klassizistischem Gewand westwärts schreitet, mit wallendem Haar und barfuß. Mit einem großen Schulbuch unter dem Arm und einem Telegrafenkabel in der Hand ebnet sie den Weg für Eisenbahn und pflügende Bauern. Zu ihren Füßen sind fliehende, halbnackte Indianer. Es ist ein schreckliches, aber gleichzeitig merkwürdig anmutiges Bild, wie die Schutzheilige Licht und Zivilisation über das Land bringt.

Heute wird diese Rolle vielleicht an Ivanka Trump fallen, mit einem iPad unter dem Arm, weil Amerika die öffentliche Schule bald aufgeben könnte, und die zersprengten Menschen unter ihren Füßen werden Richtung Mexiko fliehen. Aber dieses Bild wird nicht mal Ivanka selbst schön finden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Merkwürdig, es gibt doch Leute, die haben noch nie etwas vom Schengen-Abkommen gehört. Gerade die polnischen Rosinenpicker machen doch Gebrauch davon, während im eigenen klerikalen Katsche-Reich die Diktatur wieder eingeführt wird.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Sobald er für den Kandidaten Trump arbeitete, sah Bannon dessen Aufgabe darin, das Stimmvieh für dieses militante Mittelstandsprogramm der Tea Party zu besorgen."

     

    "militant"?

     

    "Das sind massive Probleme, die mit Rhetorik nicht mehr schönzureden sind – weder mit den warmen Worten der Bush-Jahre über Gott und Waffen noch mit „Great Again“-Sprüchen à la Trump."

     

    Genau. Deswegen die Grenzsteuer = Besteuerung am Verkaufsort.

     

    "Damals war der Ökophilosoph Henry David Thoreau hell empört, wie auch heute die Sanctuary-Bewegung sich wieder gegen Ungerechtigkeit auflehnt."

     

    A propos Sanctuary-Bewegung - würde Deutschland hinnehmen, dass die Menschen die es irgendwie über die grüne Grenze geschafft haben, das automatische Bleiberecht bekommen (sollten)? Wo bleibt da das Hoheitsrecht des Staates über das eigene Territorium?