Zunächst eine persönliche Erfahrung: Bis 2004 wäre ich von Leuten wie Schröder, Solms Metzger, Westerwelle, Sarrazin & Co. als Produktentwicklerin mit einem Bruttoentgelt von 43 500 € p.a. durchaus als “Leistungsträger“ gesehen worden.
Dann war der Arbeitgeber insolvent, und zwar „massearm“, um nicht zu sagen masselos. Die Firma wurde liqiudiert. Um die Verursacher muß sich niemand sorgen: Sie hatten genug Zeit gehabt, zuvor ihr Schäflein ins Trockene zu bringent. Was hat das zu tun mit „Langzeitarbeitslosigkeit“, Hartz4 und der Spaltung der Gesellschaft in „Leistungsträger und „faule Asoziale“ die man unter jedes Jahr schärfer werdenden Zwang setzen müsse, zu tun hat?
Ich komme gleich drauf. Manches, was ich zu sage habe, ist „politisch unkorrekt“. Das hat mit nmiener politisch unkorrekten Lebenslage zu tun.
Arbeitskollgen waren vor der Insolvenz ducrhaus der Meinung, dass man auf „die Arbeitslosen“ Druck ausüben müsse und dass doch Der Arbeitskraftverleih an die Industrie eine gute Lösung sei: Haben die nicht erst neulich Tarifverträge abgeschlossen? Auch Gewerkschaftmitglieder, auch Betriebsräte sahen das so.
Ganz anders, nachdem alle gekündigt waren: „Ich hätte nie gedacht, was Zeitarbeitsfimen für erbämliche Löhne zahlen. Und die Rahmenbedingungen: Das ist doch 19tes Jahrhundert“. Zu spät, liebe Kollegin, Du bist im Bodensatz der Gesellschaft angekommen.
Ein Kollege: „Also ich hab ja auch immer gesagt: Man muss mehr Druck auf die Arbeitslosen ausüben. Jetzt sehe ich das anders. Ich bin doch qualifiziert und ich hab doch 30 Jahre Beiträge eingezahlt.“ Zu spät, lieber Kollege, Du bist selber ein "fauler Parasit" geworden.
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Am Arbeitsamt bekam ich erst dann einen Termin bei einer Vermittlerin, als ich auf die Vermittlungspflicht nachdrücklich hingewisen hatte. Die erste Frage: „Wollen Sie denn vermittelt werden?“ Meine Antwort: „Mit 55 kann ich doch keine Rente beziehen“ wurde gekontert: „Eine Vermittlung in diesem Alter ist aber sehr schwierig“ Als ich wieder mit Anspruch auf die von mir Jahrzehnte lang bezahlte Versicherungsleistung kam, erklärte die Vermittlerin, sie müsse darauf hinweisen, dass ich schwer vermittelbar bin. Den Inhalt meiner Arbeitszeugnisse konnte übrigens niemand interpretieren. Auch Erklärungen über meine Berufserfahrung liefen ins Leere: Es gibt am Arbeitsamt niemand, der auch nur eine blasse Ahnung von naturwissenschaftlichen Tätgkeiten hat. So kommt die monströse Zahl von „schwer vermittelbaren Unqualifizierten“ zustande: Alle, die zum Zeitpunkt der Kündigung 55 oder älter sind plus alle, die die keine kaufmännische Ausbildung vorweisen können. Als „doppelbelastet“ war ich von vorneherein abgestempelt. Vermittlung, wenn überhaupt, dann ausschliesslich in Zeitarbeit. Nach 4-jährigem Insistieren wurde mir allerdings mal ein Bewerbertraining angeboten. Immerhin.
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Nun ein paar ökonomische Fakten:
In den 60er und siebziger Jahren erwirtschaftete die Bundesanstalt für Arbeit hohe Überschüsse. Die eingezogenen Beiträge waren als „Arbeistlosenversicherung“ deklariert. Was muss eine Vesicherung mit Überschüssen tun? Richtig, sie muss Rücklagen bilden, um Schadensfälle der Vesicherten regulieren zu können. Das wurde nicht getan. Die eingezogenen Beitragsgelder wurden aus der Versicherung abgezogen und anderweitig ausgegeben. Man nennt das Veruntreuung.
Auch die Rentenverichrung hatte zeitweise Überschüsse. Auch die wurden abgezogen bevor jemand auf die Idee kam, mit den Versicherungsprämien das zu tun was jede Versicherung tun muss.
Wie konnten solche Veruntreuungen von erarbeiteten Versicherungsbeiträgen gar so selbstverständlich ablaufen? Die Antwort: Es folgte einer deutschen Tradition.
1920-30 musste die Reichsbahn ihre Gewinne komplett an die Regierung abführen. Sie wurden zur Zahlung der Reparationen verwendet. Man hat das damals mit einer Notlage entschuldigt. In der BRD aber war das ohne Not zur Staatsdoktrin erklärt worden: Zugriff auf alle "öffentlich" angesammelten Rücklagen. Die Bahn war schon pleite, da war nichts mehr zu holen. Aber die „Pflichtversicherten“ konnten sich gegen die Zweckentfremdung ihrer Beiträge nicht wehren. Das hat viel mit dem Demokratiedefizit in der deutschen Bewusstseinslage zu tun. Es war ein klarer Vetstoss gegen das GG: Enteignungen sind nur zum Wohle des Volkes erlaubt, nicht gegen das Volk.
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Jetzt noch mal kurz zur arbeitsamtgestützten Zuhälterei auf dem Arbeitsmarkt: Wer seine Arbeit „verliert“, findet in der Regel nur noch Arbeit bei „Zeitarbeitsfirmen“. Das Arbeitsentgelt ist extrem niedriger als in seriösen Beschäftigungsverhältnissen und wird netto durch abzugsfreie Zulagen etwas „aufgestockt“. Zeitarbeit lohnt sich: Aber nur für den, der ihre Aktien kaufen kann.
Das heisst: Beiträge in AV, KV und RV, die eh schon lange am Rand der Insolvenz herumkrebsen, gehen permanent weiter zurück. Auch natürlich die Lohnsteuer. Einer Regierung ist das aber egal. Sie holt sich die entgangene Lohnsteuer über Mehrwertsteuererhöhungen zurück: Konsumverzicht ist Bürgerpflicht.
Krankenkassen, Arbeitslosen- und Rentenversicherung bleiben auf den Armutsbeiträgen von Armutslöhnen sitzen.
Nun also sollten anständig bezahlte Arbeitsplätze im Gesundheitswesen geschaffen werden? Wer bezahlt das? Die Krankenkassen, die ihre Insolvenz mit Rückzug aus der Bezahlung von Medikamenten, mit zusätzlicher Praxisgebühr und „Kopfprämien“ immer mühsamer kaschieren? Der Staat, der seine enormen Schulden an die Arbeitslosen- und Rentenversicherten nicht mehr zurückzahlen kann? Die Aktionäre der Zeitarbeitsfirmen, die von den Armutslöhnen profitieren? Ja, die hätten Geld, aber das ist für die Aktionäre reseviert.
Ärzte und Pflegefachkräfte wandern weiter nach Skandinavien ab.
Die typisch deutsche Reaktion muss uns nicht wundern: Wenn die Zivis nicht mehr ausreichen, dann haben wir doch jetzt die Zwangsarbeiter aus dem Hatz4-Pool, um das Lochn zu stopfen. Genau das war ja das Ziel der „Agenda 2010“.
Ihre Macher werden nicht davon überzeugen können, dass sie dem Volk enormen Schaden zufügten. Das wussten sie vorher.
Niemals war der Bock ein guter Gärtner und er wird es auch nicht werden, allen Appellen zum Trotze.
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Leistungsgerecht bezahlte Arbeit kann sich selber tragen, denn sie wird auf dem Binnenmarkt in Nachfrage umgesetzt. Um den Binnenmarkt gegen masslos überzogene Protitgier zu schützen, brauchen wir wieder Gewerkschaften. Der DGB hat sich selbst entsorgt. Die Lokführer haben gezeigt, was man tun kann, um die Volkswirtschaft zu retten. Es galt als politisch unkorrekt, als vor zwei Jahren sagte: „Die GDL ist die einzige Organisation, die volkswirtschaftlich verantwortlich handelt: Sie kämpft für realistische Arbeitseinkommen“. Die angestellten Lokführer zahlen aufgrund ihres Erfolges nicht nur höhere Beiträge, sie haben auch mehr Geld, das sie in Nachfrage umsetzen können. Politisch unkorrekt, aber volkswirtschaftlich genau richtig.
Eine andere Lösung ist nicht in Sicht.
Auf Sprüchen von Politikern herumzukauen ist reine Beschäftigungstherapie, die keinen Mehrwert schafft.
Auf „die Politik“ zu hoffen hat uns nur immer weiter in die volkswirtschaftliche Pleite geführt, zum Wohle explodierender Privatvermögen. Und wenn auf dem Markt immer weniger Geld vorhanden ist, dann werden die Profite in immer abenteuerlichere Spekulationen „investiert“. Das hat im vergangenen Jahr den Mehrwertsteuerzahler unzumutbare Summen gekostet.
Nur das Volk wirds richten können. Statt Hoffnung auf "die da oben" brauchen wir dringend mehr Selbstbewusstsein.
Vielleicht können wir von den Franzosen was lernen?
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