Debatte Rüstungsgeschäfte: Fatales Zusammenspiel

Die Kostenexplosion beim Euro-Hawk ist keine Ausnahme. Ständig übersteigen Rüstungsprojekte geplante Ausgaben. Aber niemand verändert die Strukturen.

Der erste „Tiger“ flog 1991, wirklich einsatzbereit war er erst 2013. Bild: dpa

Dank Wahlkampf und Sommerloch hat es ein Rüstungsprojekt geschafft, hohe politische Aufmerksamkeit zu bekommen. Das ist gut, immerhin geht es beim Euro Hawk um einige hundert Millionen Euro Steuergelder.

Trotzdem befasste sich der Untersuchungsausschuss zum Euro Hawk nur ansatzweise mit der Frage, warum Rüstungsbeschaffungen regelmäßig zu Pannen und Pleiten führen, die das Euro-Hawk-Debakel locker in den Schatten stellen.

Die Mehrheit der Abgeordneten im Verteidigungsausschuss wollte nicht über Grundsätzliches sprechen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass der Ausschuss zu Empfehlungen kommt, die etwas grundlegend ändern werden.

Denn Pannenprojekte sind die großen Beschaffungsvorhaben allesamt. Der Eurofighter – mit Kosten von bisher 14,5 Milliarden Euro für 108 Flugzeuge – wurde teurer und teurer. Mitte der 1990er Jahre sollten sie weniger als 50 Millionen pro Stück kosten, jetzt liegt der Preis pro Flugzeug bei über 133 Millionen Euro.

Das erste Transportflugzeug vom Typ A-400M (Kosten für 40 Flugzeuge etwa 6 Milliarden) wurde wegen verschiedener Probleme nicht wie vorgesehen 2010, sondern erst in diesem Jahr in Dienst gestellt, aber es zeigten sich weitere Mängel.

Die Transporthubschrauber NH-90 (80 für etwa 4,5 Milliarden) werden Bundeswehr-intern heftig kritisiert, weil sie insbesondere für den Truppentransport, für den sie vorgesehen waren, nicht optimal geeignet sind.

Der erste Prototyp des Kampfhubschraubers Tiger (57 für etwa 3,7 Milliarden) flog 1991, aber die Bundeswehr konnte die Hubschrauber nach diversen Nachrüstungen und Umbauten erst 2013 als Kampf- und Unterstützungshubschrauber in Afghanistan einsetzen.

Bei den K-130-Korvetten (1,2 Milliarden für 5 Stück) funktionierte die Ruderanlage nicht richtig, die Maschinen und die computergesteuerten Bordsysteme erfüllten nicht die Vorgaben. Dann gab es noch gravierende Probleme mit dem Getriebe und der Isolierung der Abgasanlagen. Statt wie geplant 2007 wird das Geschwader von fünf Schiffen bestenfalls nächstes Jahr einsatzfähig sein.

Drei Hauptgründe für die Pannen

Probleme mit der Rüstungsbeschaffung sind nicht neu. Immer wieder, zuletzt vor wenigen Jahren, hat es Reformbemühungen gegeben. Im Mittelpunkt stand dabei stets das „Rüstungsmanagement“, die Verbesserung der internen Abläufe und Entscheidungswege. Das hat nur kurzfristig geholfen, denn die grundlegenden, strukturellen Probleme wurden nicht angegangen.

Kostensteigerungen, Zeitüberschreitungen und die zahlreichen Mängel haben drei Hauptgründe, jeweils verbunden mit einem der Hauptakteure im Beschaffungsprozess – Bundeswehr, Rüstungsindustrie, Verteidigungspolitiker der großen Parteien. Ihre fatale Wirkung entwickeln sie im Zusammenspiel.

Da ist die Bundeswehr. Sie will das Beste. Und zwar nicht das Beste, was momentan beschaffbar ist, sondern das Beste, was technisch denkbar ist. Die Anforderungen sind immer anspruchsvoll, oft unerfüllbar. Oder nur erfüllbar, wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen.

Denn den großen Rüstungsfirmen schadet es nicht, immer wieder zu scheitern. Sie werden geschützt, weil sie in Deutschland die einzigen sind, die Großvorhaben umsetzen können. Daher werden sie für Planabweichungen meist nicht haftbar gemacht.

Wenn sie nicht Monopolisten sind, wie EADS im Bereich der Luftfahrt, machen sie sich dazu, wie die Werften. Für die K130-Korvetten etwa haben die großen Werften nicht gegeneinander geboten, sondern sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen.

Die Bundeswehr könnte auch im Ausland kaufen, was gelegentlich auch vorkommt. In der Regel aber wird im eigenen Land beschafft – wegen der Arbeitsplätze, der kürzeren Dienstwege und der engen persönlichen Beziehungen.

Vor allem aber, weil unter den großen Parteien Konsens besteht, eine auch im internationalen Vergleich gewichtige deutsche Rüstungsindustrie erhalten zu wollen. Viele Rüstungsprojekte sind daher – auch – Subventionsprojekte zur Erhaltung von Kapazitäten dieser Industrie.

Dieses Zusammenspiel von Bundeswehr, Rüstungsindustrie und ihren politischen Unterstützern führt zu all den genannten Mängeln und Kostenexplosionen, aber es nützt – wie die Stabilität dieses Systems über Jahrzehnte auch zeigt – den Hauptakteuren. Hauptverlierer sind die Steuerzahler, manchmal auch, wie im Fall des Tigers, Bundeswehrsoldaten im Einsatz.

Gutachten öffentlich machen

Für grundlegende Veränderungen müsste dieses Zusammenspiel beendet werden. So etwa: Die Bundeswehr kauft nur, was sich bewährt hat. Die Rüstungsindustrie muss für Probleme einstehen. Die Politik beschließt, die Bevorzugung der Rüstungsindustrie in Deutschland zu beenden.

Nichts davon liegt im Interesse der Beteiligten. Entsprechend wollen sie auch nicht, dass breit und informiert über diese Strukturprobleme und die Möglichkeiten, sie anzugehen, diskutiert wird.

Eine tatsächliche Reform des Beschaffungswesens bedürfte aber einer tiefer gehenden Wahrnehmung der Probleme in der Öffentlichkeit. Ein Schritt in diese Richtung wäre relativ leicht umzusetzen: Zu vielen Vorhaben werden vom Bundesrechnungshof kritische Berichte verfasst. Allerdings sind die der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

Sicher, auch öffentlich zugängliche Informationen sind keine Garantie für pannenfreie Beschaffungen. Das zeigt sich in den USA, in denen viele Berichte des Government Accountability Office, des US-amerikanischen Rechnungshofs, öffentlich sind.

Auch dort gibt es mit den meisten Rüstungsvorhaben massive Probleme, auch dort wird die nationale Rüstungsindustrie stark subventioniert. Aber dieser Schritt könnte den politischen Druck auf die Hauptakteure erhöhen, zu begründen, warum sie die gegenwärtige Situation tolerieren.

Es herrscht eine Gemengelage an Interessen und Routinen, die weitere Beschaffungspannen produzieren wird, die noch weit kostspieliger sein werden, als das Euro-Hawk-Debakel.

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