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Debatte Rechtspopulismus in EuropaJeder kann etwas dagegen tun

Kommentar von Michal Hvorecky

Konfrontation im Netz: Wie ein slowakischer Rentner Rechtsextreme im Internet an den Pranger stellt und zur Weißglut treibt.

Mitglieder der rechtsextremen Partei „Unsere Slowakei“ demonstrieren gegen Roma (Archivbild) Foto: dpa

D ie Herausforderungen, vor denen die Slowakei steht, scheinen gefährlicher zu sein als je zuvor seit der Rückkehr in die Europäische Gemeinschaft. Das Ausmaß des Hasses im öffentlichen Raum hat alle Grenzen gesprengt. Antisemitismus und Fremdenhass sind schon in den 1990ern aus der Anonymität familiärer Kreise wieder ans Licht getreten.

Blätter wie Nový Slovák (Der neue Slowake) oder Zmena (Veränderung) hetzten gegen Ungarn, Tschechen, Juden, Schwule. Allerdings hätten sich die Herausgeber nicht träumen lassen, welche Reichweite die sozialen Netzwerke ganz gratis bieten.

Ein Vierteljahrhundert lang wurden in meiner Heimat die Risiken von Rechtsextremismus und Populismus katastrophal unterschätzt. Das Resultat: Im Parlament sitzt die Ľudová strana Naše Slovensko, die „Volkspartei Unsere Slowakei“, deren Kern aus Neonazis besteht. Bei den Parlamentswahlen 2016 erhielt sie 8,04 Prozent der Stimmen, momentan liegt die Zustimmung zu der Partei bei 10 Prozent, und sie wächst weiter an. Die meisten ihrer Wähler sind unter 25 Jahre alt.

Am stärksten sind die radikalen Volksparteien im Internet. Sie betreiben sage und schreibe 139 Facebook-Seiten! Die meisten stoßen auf geringes Echo, doch 15 von ihnen sind mit mehr als 10.000 Usern verlinkt, die stärkste mit fast 100.000. Und über geteilte Inhalte erreichen zahlreiche manipulative Videos, Fotos und Beiträge eine Million Menschen – die Slowakei hat 5 Millionen Einwohner.

Brechreiz auslösende Profile

Viele Profile lassen sich nur lesen, wenn man eine Kotztüte griffbereit hat: Holocaust-Leugnung, Hitler-Glorifizierung, Ausfälle gegen Roma, gegen „jüdische Weltverschwörung“, Anti-Impf-Bewegung, Chemtrails, Fälschung der slowakischen Geschichte und systematisches Putin-Lob. Teils verstießen die Inhalte gegen gleich mehrere Gesetze, aber niemand befasste sich damit. Der Hass schien sich grenzenlos weiterzuverbreiten.

Bis Ján Levoslav Benčík die Bühne betrat. Er war nie Mitglied einer Partei und verbrachte 41 Jahre seines Lebens in einer unfreien Welt. Auch deshalb gehörte er im November 1989 zu den führenden Persönlichkeiten der Sanften Revolution in Ružomberok (Rosenberg), wo er lebt. Die kleine mittelslowakische Stadt war von einem typisch mitteleuropäischen Schicksal ereilt worden: Aus dem einst multikulturellen Gemeinwesen mit seinen zahlreichen Nationalitäten war eine ethnisch homogene, rein slowakische Stadt geworden.

Vor etwa drei Jahren begann der Rentner Benčík Screenshots von öffentlichen Facebook-Profilen und Websites extremistischer Personen und Vereinigungen anzufertigen. Neonazis, Rassisten, Scharlatane, Verschwörungstheoretiker. Das Material veröffentlichte er kommentiert in seinem Blog. Seine – ganz privaten- Aktivitäten fanden schon bald ein außerordentliches Echo. Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregte er auch dadurch, dass sich jene laut zu Wort meldeten, deren Gedanken und Ansichten er sichtbar gemacht hatte. Die Ertappten sperrten oder löschten ihre Profile. Sie stritten ab, die Autoren zu sein, oder behaupteten, jemand habe ihre Konten gehackt.

Benčík erhielt Drohungen, und es wurde auf jede erdenkliche Weise versucht, seinen Ruf zu ruinieren. Auf allen 139 Parteiprofilen und vielen anderen geistesverwandten Internetseiten wurde eine Kampagne losgetreten: Benčík habe sich durch sein Tun als Stasispitzel entlarvt, als jüdischer Geheimdienstagent, als Helfershelfer der verhassten NGOs, et cetera. Ein Rentner, der mit seinem Rechner in seiner Plattenbauwohnung in der slowakischen Provinz sitzt, hat die slowakischen Rechtsextremen zur Weißglut gebracht.

Nützliche Idioten

Das Angstmachen verfing nicht, er hörte nicht auf. Also legten seine Widersacher nach. Heute bekommt er nicht mehr nur „normale“ Morddrohungen – sie haben auch seine Adres­se herausgefunden, beobachten ihn, schicken ihm Drohbriefe und Patronenhülsen. Menschen, die vor dem rüstigen alten Herrn Angst haben, gibt es zuhauf, viele von ihnen sind verurteilte Verbrecher und Terroristen aus kriminellen Banden im Ausland, vor allem im ukrainischen Donezbecken, wo selbst ernannte slowakische Söldner ihr Unwesen treiben.

Benčík sagt: „Wir leben in der postfaktischen Epoche, wo Emotionen, und seien sie durch offensichtliche Lügen hervorgerufen, mehr Gewicht haben als wahrheitsgetreue Informationen. In einer Epoche, in der der Zugang zum Internet gleichzeitig Fluch und Segen ist. In der eine durch seriöse, langjährige Arbeit von Spitzenfachleuten verifizierte Theorie oder Information für viele weniger zählt als das Geschwafel eines geschickten Manipulators oder halbgebildeten Scharlatans. In einer Epoche der Oberflächlichkeit, wo es an Bereitschaft mangelt, seine Informationsquellen zu überprüfen und die Beweggründe derjenigen aufzudecken, die Falschmeldungen verbreiten. In einer Epoche von bezahlten Trollen und nützlichen Idioten.“

Bodenlose Frechheit

Ján Levoslav Benčík ist einer Unmenge von Leuten ein Dorn im Auge. Was sie wohl noch gegen ihn aus dem Hut zaubern mögen? „Denunziant“ und „Stasi­schwein“ verfangen nicht mehr so recht, deshalb machen sie aus ihm neuerdings einen Neonazi. Diese bodenlose Frechheit, angeblich bestätigt von einer nichtexistenten Quelle und von einem verrückten Fanatiker gebetsmühlenartig wiederholt, haben inzwischen Tausende verbreitet, da­runter auch Abgeordnete des Nationalrats und ein Mitglied des Sicherheitsausschusses. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so gespenstisch wäre.

Extremisten müssen andauernd andere als Extremisten bezeichnen, weil sie sonst zu sehr aus der Masse herausstechen. Sie bemühen sich, den Anschein zu erwecken, dass Kritik an ihrem Handeln und ihren Ansichten ein Verbrechen ist. Unablässig bezeichnen sie ihre Opponenten als Verbrecher und attackieren sie, nur damit die Öffentlichkeit nicht aus Versehen ihre eigenen Delikte analysiert.

Ján Levoslav Benčík kämpft in einer von Lügen verseuchten Welt für die Wahrheit. Er erinnert uns an die Bedeutung der Demokratie und daran, dass sie keine Selbstverständlichkeit ist. Seine Geschichte zeigt, dass jeder von uns etwas verändern kann. Die, auf die wir warten, sind wir selbst.

Übersetzung aus dem Slowakischen: Mirko Kraetsch

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14 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ja, scheint ein grundsätzliches Problem der osteuropäischen Staaten zu sein, dass es dort keine Blogs gibt, die die Nazis beobachten wie es sie hier im Westen wie Indymedia oder die Amadeo-Antonio-Stiftung.

     

    Da die EU wohl untauglich ist (weil sie nicht kann oder auch, weil sie nicht will) derartige zivilgesellschaftliche Projekte auch in den osteuropäischen Staaten aufzubauen, bleibt nur, dass die BRD hier finanziell zuschießen müsste, damit aus den osteuropäischen Staaten was wird. Gerade z.B. gegenüber der Slowakei hätten wir noch einiges gutzumachen nach dem letzten WK.

  • "...Epoche der Oberflächlichkeit, wo es an Bereitschaft mangelt, seine Informationsquellen zu überprüfen und die Beweggründe derjenigen aufzudecken, die Falschmeldungen verbreiten. In einer Epoche von bezahlten Trollen und nützlichen Idioten....“

     

    Man kann es auch so angehen: Macht so oft und so viel es geht öffentlich, wie jedermann Informationsquellen überprüfen kann. Wie das geht.. mit und aus dem Wissen kann man sogar einen Sport machen.

     

    Mir scheint, viel mehr Leute als vermutet wissen gar nicht wie man Quellen überprüft. Recherche ist nicht schwierig, wenn man weiß wie vorzugehen ist. Noch scheuen sich einfach immer noch viel zu Viele zuzugeben, dass sie nur über fragmentarisches Halbwissen verfügen. Wer gibt schon gern zu, dass er/sie keine Ahnung hat, wie und dass überhaupt Fakten von Fakes zu unterscheiden sind, wenn man gerade mit so einem schicken, vielleicht neuen Teil andere beeindrucken will und "sozial" sowas von mega-out ist...

  • Und was tun wir gegen den linksradikalen MOB, der Polizeifahrzeuge in Brand setzt, Molotow-Cocktails auf Polizisten wirft, Parteimitgliedern den Zugang zu Parteiveranstaltungen mit Drohungen und Gewalt verwehrt?



    Antworten!!!!!

     

    Anmerkung der Moderation: Bitte kommentieren Sie konkret zum Artikelthema. Danke.

    • @Georg Dallmann:

      whataboutism

    • @Georg Dallmann:

      Wir setzen Ausrufezeichen :)

       

      SCNR,

       

      pit

    • @Georg Dallmann:

      Die Antwort steht oben im Text: Informieren Sie. Wahrheitsgetreu.

    • @Georg Dallmann:

      Ich bin absolut kein Freund der Antifa. Aber was soll ihr Kommentar uns sagen? Wenn sich jemand anders falsch verhält, darf ich mich auch falsch verhalten? Die taz kann in einem Artikel auf ein (in Zahlen 1) Problem hinweisen. Für Ihre Frage braucht es einen eigenen Artikel. Hat mit dem oben stehenden aber nichts zu tun.

      • @Strolch:

        Was Herr Dallmann hier versucht, ist halt dieses langweilige "aber-die-anderen"-Scheinargument. Mal schnell auf andere ablenken ist ja gerade en vogue.

  • Wenn man in Deutschland so ein Blog führen würde, müßte man dort seinen Namen und seine Adresse angeben. Nennt sich Impressumspflicht.

     

    Das macht es Neonazis dann ziemlich leicht, herauszufinden, wo man wohnt. Danke dem deutschen Staat!

     

    Wenn man noch kein Rentner ist, ist man dann etwas vorsichtiger.

     

    Das dürfte einer der Hauptgründe dafür sein, daß es in Deutschland kaum private Blogs gegen Rechts gibt. Denn sobald man Piep macht, wissen die Hammerskins, Combat 18 und wie sie alle heißen, wo man wohnt und wie man heißt. Die Impressumspflicht hilft denen, die Gewalt anwenden.

     

    Gibt man kein Impressum an, wird man stattdessen abgemahnt. Die Wahl zwischen Pest und Cholera.

  • Dieser Bericht ist entsätzlich realistisch und auf ganz Europa und die Welt zutreffend.

    Was ist vor mindestens 4, teils 10 Jahren passiert, seitdem sich in vielen Ländern mehr oder weniger Rechtsextremismus breit macht?

    Und jegliche Entlarvung der manipulativen, hetzerischen, gewaltverherrlichenden Lügen dieser Nazis wird ignoriert.

    Durch die Existenz des anonymen Internet ist diese Seuche kaum einzudämmen, es sei denn durch Abschaffung, oder realistischer durch Abschaffung der Anonymität im Netz und konsequenter Verfolgung der Straftaten.

    Auch das Verbot der NPD hätte durchgezogen werden müssen, um genau diese Grenze des Verbotenen zu markieren.

    Weiterhin sollte die AFD als vorgemerkter Verbotskandidat feststehen, sowie Vereinigungen, wie PEGIDA, Reichsbürger, sogenannte besorgte Bürger u.s.w.

    Ein unbedeutender Einfluss darf kein Grund sein, Verbrechern nicht das Handwerk zu legen. Da darf das BVG doch nochmal nachjustieren.

    Wenn Deutschland auch noch nicht soweit in die Fänge der Nazis gelangt ist, sollte es alarmiert sein über die Zustände in einigen Ost- und vor allem Westeuropäischen Staaten, sowie über den Zustand der USA.

    Die heutige Realität zu unterschätzen ist so gefährlich, wie es das in der Weimarer Republik gewesen ist und Hitler als beherrschbar bezeichnet wurde.

    Zum anonymen Internet gesellt sich heute wie damals eine Wirtschaftsmachtelite, die diese faschistischen Extremisten unterstützen, um unser heutiges rechtliches Selbstbewustsein und unsere Intelligenz wieder zerstören wollen.

    Die wachsende Demokratie und Aufklärung des Holokaust hatte die Wirtschaftsmachtelite und ihre Verbündeten aus dem kaum entnazifizierten Politik- Justiz- und Staatsapparat mit der Zeit zurechtgestutzt - genau das soll jetzt zurückgedreht werden, indem die Demokratie, Verfassung und alle sich dazu bekennenden verunglimpft werden.

    • @Selbstdenker:

      ich vermute, dass der Großteil der Wähler nicht der Bildungselite angehört.

       

      Also ich habe meine politische Haltung / Kenntnis definitiv nicht in der Schule gelernt. Frisch nach der Wende in der Schule, West-Unterricht - soweit so gut so schlecht. Die Nazis in der Klasse, die man Freunde nannte (in der 1. Klasse waren die meisten einfach Kinder), wurden auch häufig in Ruhe gelassen.

       

      Von den Lehrkräften. Rückblickend fällt mir hier (bei allen Rahmenbedingungen die überall etwas anders sein werden) nur auf, dass ich mir als Schüler keine Meinung bilden konnte.

       

      Für die Nazis war ich zu zeckig und für die Zecken zu sehr Nazi. So ist das halt, wenn man mit vielen Menschen reden kann.

       

      Die wenigsten dieser politisch fehlgeleiteten Gestalten hat aber überhaupt etwas mit Politik zu tun.

       

      Diese Leute haben ein falsches Weltbild, wollen das alles bleibt wie es ist (das liegt wieder in der Natur des Menschen und Angst vor Veränderungen).

       

      Zudem wissen die meisten (von denen) aber auch nicht, dass Wandel stetig ist und nichts bleibt wie es ist. Das war immer so und wird auch immer so bleiben.

       

      Deren Ängste, Sorgen oder Armut sind Probleme die man sich zum Teil (durch Agenda2010 & CO.) selbst geschaffen hat. Wie Dinge generell zusammenhängen ist halt komplex und würde hier zwar keinen Rahmen sprengen, aber wir sind hier ja "unter uns".

       

      Ich bin der Meinung, wenn man als Kind nicht von seiner alkoholkranken-Armutsfamilie zu viel scheiße erklärt bekommt, sondern einen soliden Lehrkörper hat und unser Militär-Schul-System sich endlich mal um das Individuum und der Bildung kümmert, dass solche Extreme immer mehr verschwinden

  • Michal Hvorecky hat recht: „Die, auf die wir warten, sind wir selbst.“ Aber warum warten wir auf uns? Wieso trauen wir uns nicht aus unserer Deckung? Ist es allein die Angst vor Konsequenzen? Müssen wir also alle erst uralt und krank werden, dürfen wir wirklich gar nichts mehr zu verlieren haben, bevor wir uns auf unsre Hinterbeine stellen?

     

    Ich glaube nicht. Wenn wir uns selbst erklären wollen, warum wir nicht aktiv werden, müssen wir ganz vorn anfangen in unserem Leben, nicht ganz hinten. Die Gegenwart erklärt sich immer aus der Vergangenheit heraus, nicht aus der Zukunft.

     

    Seit 1945 leben wir alle in einer Zeit, in der Herrschaft gut auszuhalten war. Staaten waren so etwas wie treusorgende Eltern. Sie haben uns gegängelt, aber auch beschützt und betreut. Wir hatten keinen Anlass, uns von ihnen loszusagen, so lange uns die „Eltern“ nicht ganz extrem behindert haben und die Versorgungslage gut war. Der Bruch kommt jetzt erst, wo die Sorge nachlässt und die Leine kürzer wird.

     

    Die Risiken des Rechtsextremismus wurden nicht nur in der Slowakei lange „katastrophal unterschätzt“. Und zwar sowohl vom Staat, als auch von seinen Bürgern. Die Regierenden waren überzeugt, ihre Entscheidungen würden die Gesellschaft immunisieren, und die Gesellschaft hat geglaubt, dass die Regierenden die Sache schon im Griff haben. Den Alarmisten hat man weniger getraut. Dass der Status quo an Bedingungen hängt, war beiden Seiten überhaupt nicht klar.

     

    Die Bedingungen sind heute andere. Es wird mehr gefühlt als früher – und sehr viel mehr gelogen. Deswegen gibt es viel mehr Frust. Die „manipulative[n] Videos, Fotos und Beiträge“ der Rechten erreichen vor allem solche Leuten, die das noch nicht begriffen haben. Diese Leute wollen partout weiter träumen und klicken da hin, wo man ihnen das erlaubt.

    • @mowgli:

      Was aber das Internet angeht, so ist das nur deswegen „gleichzeitig Fluch und Segen“, weil die Gesellschaft noch nicht reif dafür gewesen ist. Auch die „seriöse, langjährige Arbeit von Spitzenfachleuten“ kann missbraucht werden. Noch immer fördern die Machtverhältnisse die Ausbeutung fremder Arbeit. Das gilt auch für die geistige, ob das die „Geistesgrößen“ nun glauben oder nicht.

       

      Nicht nur in China ist reich werden Staatsziel. Auch im Westen soll jeder Tellerwäscher Millionär werden. Doch das geht nur, wenn er nicht weiter Teller wäscht, sondern die Arbeit anderen überlässt. Wer reich werden will, muss Chancen privatisieren und Risiken vergesellschaften. Die Mischung dieses Prinzips mit der öffentlich zur Schau getragenen „Arroganz der Mächtigen“ (Wandlitz ist ein Dreck dagegen) ist hochexplosiv.

       

      Sie führt dazu, dass autoritär geprägte Menschen lieber „geschickten Manipulatoren oder halbgebildeten Scharlatanen“ glauben, als einen Herrn Professor Dr. Dr. ABC - oder sich selbst. Man ist enttäuscht von „seinen“ Kopfarbeitern, weil die lieber sich selbst „groß“ machen, als ihre Anhänger. Statt nun das Führerprinzip zu hinterfragen, tauschen schlichte Gemüter einfach nur Jobs und Köpfe aus.

       

      Extremisten haben keine Angst davor, „aus der Masse herausstechen“. Sie müssen nur deshalb „andauernd andere als Extremisten bezeichnen“, weil sie (wie alle Führer) auf das Wohlwollen ihrer Anhänger angewiesen sind, und die haben nun mal „schlechte Erfahrungen“ gemacht. Man hat ihnen noch keine Macht geschenkt, sie nicht kostenfrei zu etwas Besserem gemacht, obwohl das Bessersein doch gradezu ein Staatsziel ist.

       

      Dass „die Öffentlichkeit nicht aus Versehen ihre eigenen Delikte analysiert“, wenn sie emotional „gerockt“ wird und bei ihrem „Bauchweh“ „abgeholt“, kommt den Rechten natürlich sehr zupass. Ihr eigentliches Ziel ist es aber nicht. Wer das behauptet, der verharmlost die Rechten. Die erkennen nämlich schon lange keine staatliche (oder intellektuelle) Autorität mehr an.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @mowgli:

        "Es wird mehr gefühlt als früher – und sehr viel mehr gelogen".

         

        Aus dem Gefühl heraus :-) würde ich dem nicht zustimmen. Die Menschen in der DDR, soweit ich sie kennengelernt habe, haben ebenso sehr gefühlt und gelogen wie jene in der BRD oder jene heute, aber sie empfanden noch sowas wie Respekt gegenüber Autoritäten, nicht notwendigerweise gegenüber staatlichen.

         

        Es ist doch generell bezeichnend, dass es keine Intellektuellen mehr gibt, auf deren Meinung alle etwas geben oder sich zumindest an ihr reiben. An ihre Stelle sind Fußballer oder sonstige "Zelebritäten" getreten, die mit dem "Mann" auf der Straße die Unbedarftheit gemein haben.

         

        Der gute alte wissbegierige Proletarier, dem ich in den 60ern im Ruhrgebiet begegnet zu sein glaube, ist tot. An seine Stelle ist eine Prollkultur getreten, die sich kontinuierlich und aufdringlich feiert und alles Erhabene in den Schmutz tritt oder ignoriert.

         

        Dem korrespondiert der entfesselte, sich nur zehntelherzig als soziale Marktwirtschaft tarnende Neoliberalismus. Die Freiheit der Waren bedingt aber nicht nur Freizügigkeit der Menschen, sondern auch deren Freizüngigkeit. Jeder trägt etwas bei auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten und je lauter er schreit, desto besser die Chance, dass er sich noch selbst zu fühlen vermag.