Debatte Rechtsextreme in Deutschland: Ihr Kampf geht weiter
AfD, Pegida und rechte Publizisten setzen eine Strategie um, mit der die NPD immer scheiterte. Ihre Bewegung ist rechtsextrem und faschistoid.
W enn es jemanden gibt, der den neuen Rechtsextremismus in einer Person darstellt, dann wohl Mario R.. Laut Focus-Recherchen ist der einstige AfD-Mann der Betreiber der inzwischen geschlossenen Facebook-Hetzseite „Anonymous.Kollektiv“, das ZDF begegnete ihm auf einer AfD-Demo in Erfurt.
R. mischte dort mit, wo die neue rechte Bewegung in Deutschland ist: beim Kampf um die Köpfe, Kampf um die Straße und Kampf um die Parlamente. Diese Parole hat einst die NPD ausgegeben, heute wird sie erfolgreich von einer losen Sammlung rechter Gruppen umgesetzt, deren politischer Arm die AfD ist.
Mit dem Niedergang der NPD ist am extrem rechten Ende des politischen Spektrums eine Lücke aufgegangen. Die NPD war als Neonazi-Partei bekannt, doch nun ist sie so gut wie pleite. Ihr droht ein Verbot, und mit der Wandlung ihres Ex-Parteichefs zu einem Gastwirt auf Mallorca hat sie sich der Lächerlichkeit preisgegeben. In diese Lücke strömen nun neue Gruppen, Institutionen und Personen.
Um die Köpfe kämpfen zahlreiche rechte Publizisten, der Kopp-Verlag, die Zeitschrift Compact, Blogs wie „Politically Incorrect“ und auch viele Facebook-Kanäle wie der von Mario R.. Um die Straße kämpfen zahlreiche Gruppen, die sich die Marke „Pegida“ aufdrücken. Und um die Parlamente kämpft, sehr erfolgreich, die AfD.
Wie eine 68er-Bewegung des rechten Randes
Zusammengenommen sehen sie aus wie eine 68er-Bewegung des extrem rechten Randes. Doch dort enden die Ähnlichkeiten. Während die progressiven 68er Menschen von den Zwängen der Gesellschaft befreien wollten, will diese Bewegung ihnen erst recht eine Zwangsjacke anziehen. Sie lehnen den Wohlfahrtsstaat für Arme und eine Gleichberechtigung für sexuelle Minderheiten ab – wollen Homosexuelle gar ins Gefängnis stecken. Ein großer Teil der AfD-Wählerschaft lehnt sogar die Demokratie als solche ab.
Beim Personal ist der Übergang graduell: Kameradschaftsnazis laufen bei zahlreichen Pegida-Demos mit, AfD-Politiker und neurechte Publizisten reden bei Pegida, neurechte Publizisten besuchen AfD-Wahlpartys. Während AfDler zum Protest gegen den Erfurter Moscheebau aufrufen, bekommen sie Schützenhilfe von Neonazis, die zur Brandstiftung aufrufen. Ihre Bekannten treten bei rechtsextremen Demos mit offenen Bezügen zum Nationalsozialismus auf – und sagen dort nicht viel anderes als AfDler anderswo.
Die theoretischen Versatzstücke, die das Personal dieser Bewegung schon jetzt verwendet, sind gar nicht so anders als das der NPD. „Patriotische Europäer“ nennen sich die Pegidisten, von einem „Europa der Vaterländer“ schwärmte bereits die NPD. AfD-Vize Alexander Gauland hält einen schwarzen Deutschen für„fremd“, NPD-Ideologe Jürgen Gansel hätte noch „rassefremd“ gesagt. Im Spiegel legte Gauland nach, dass die DFB-Mannschaft schon lange nicht mehr deutsch „im klassischen Sinne“ sei. Im rassischen Sinne, könnte man übersetzen.
NPD-Politiker Gansel sorgte sich zudem um eine „Landnahme durch kultur- und rassefremde Menschen, die die Deutschen zu den Indianern des 21. Jahrhunderts machen wird“ – die absurde Idee ist inzwischen ein Internet-Meme, das sowohl NPD als auch AfD verwenden. Ähnliche Ideen von „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ werden derzeit durch AfD-Politikerinnen wie Beatrix von Storch oder rechte Publizisten wie Götz Kubitschek popularisiert Anderswo nutzt sie offen nationalsozialistische Vokabeln wie „Volksgemeinschaft“.
NPD-Parolen werden wortwörtlich übernommen
„Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützerumfeld, nicht so sehr durch Inhalte“, schrieb ein AfD-Politiker auf Facebook. Und siehe da: Bei einer Rede in Elsterwerda nutzte Alexander Gauland wortwörtlich die NPD-Parole „Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land“ um diesen Gedanken zu unterstreichen. Das „Volk“, dass die AfD repräsentieren will, ist also keines der „kleinen Leute“, sondern eines der „weißen Leute“.
Gemeinsam sorgen sich Pegida, AfD und die rechten Publizisten um das Verhältnis von Islam und Deutschland, sie wollen das „christlich-jüdische Abendland“ vor der „Islamisierung“ retten – dabei ist egal, dass das Abendland Juden vor allem ausgrenzte, verfolgte und schließlich zu vernichten versuchte oder dass Muslime bereits seit Jahrhunderten in deutschen Gebieten leben.
Sie sorgen sich um die verlorene Unschuld der Nation, durch Menschen, die nicht so aussehen wie sie, nicht so glauben wie sie, nicht so lieben wie sie und nicht in Familien leben, die so aussehen wie ihre. Sie erleben Deutschland durch „verheerende Gesellschaftsexperimente“ zerstört, ein Deutschland, das moralisch verkommen, „linksgrün-versifft“, ist.
Sie sehnen eine frühere deutsche Gesellschaft herbei, in der klarere Verhältnisse herrschten, die es aber nie so gegeben hat. Der Impuls ihrer Bewegung kommt aus dem Traum einer Wiedergeburt, aus dem „Mut“ zu dem angeblich echten Deutschland – eines, in dem ein Boateng als „fremd“ gilt, und eines, in dem Muslime keinen oder nur wenig Platz haben.
Eine Denkweise wie bei Islamisten
Aktuelle Faschismustheorien sehen beide Elemente zusammen – das Erleben der Gesellschaft als moralisch verkommen und den Traum einer 'reinen’ Wiedergeburt – als „faschistisches Minimum“ an. Eine ähnliche Denkweise gibt es unter islamistischen Fundamentalisten, die die Welt als moralisch verkommen ansehen, weil sie sich von einer angeblichen „reinen Lehre“ des Islams entfernt hat. Wie die Wiedergeburt dann aussieht, kann man im „Islamischen Staat“ sehen, der sich für eine Neuauflage des frühislamischen Kalifats hält – allerdings mit Kalaschnikows und HD-Propaganda. Das ist dann wohl das derzeitige faschistische Maximum, von dem die Rechte in Deutschland in der Umsetzung noch weit entfernt ist.
Viele bezeichnen die AfD noch als nur rechtspopulistisch, doch das Image der Partei wandelt sich und ihr völkischer Flügel traut sich immer mehr. Vor einem Jahr trieb noch Bernd Lucke die Öffentlichkeit vor sich her – wer erinnert sich heute noch an ihn? – und wurde von der wesentlich rechteren Frauke Petry weggeputscht. Petry ihrerseits ist bereits im offenen Konflikt mit dem deutlich rechteren Flügel der AfD aus Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Wird Petry nächstes Jahr genauso unwichtig sein wie Lucke? Wird sich dann noch ein AfDler dafür entschuldigen, einen schwarzen Deutschen „fremd“ genannt zu haben? Vielleicht wird dann endlich Konsens sein: Diese Partei ist rechtsextrem und faschistoid.
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