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Debatte OrganspendeFeiges Parlament

Heike Haarhoff
Kommentar von Heike Haarhoff

Die Vermittlung von Spenderorganen läuft bislang intransparent und unkontrolliert. Und die Politik tut alles dafür, damit das so bleibt.

A m Freitag wollen die Parlamentarier dem Volk aber mal so richtig zeigen, dass sie, wenn es darauf ankommt, mehr können als Koalitionskrach, Taktiererei und Machtspielchen. Wenn es darauf ankommt, und bei der Organspende kommt es darauf an, dann spielen ideologische wie politische Gegensätze keine Rolle mehr. Das jedenfalls suggerieren die beiden in dieser Frage unzertrennlichen Fraktionschefs von Union und SPD, Volker Kauder und Frank-Walter Steinmeier. Dann geht es nur noch um die Sache.

Und die Sache drängt. Angeblich.

Sie drängt so sehr, dass an diesem Freitag die Grünen und die FDP, die SPD und die Linkspartei und selbst Horst Seehofers CSU und die CDU gemeinsam gleich zwei Gesetze durchpeitschen wollen: die Neuregelung der Organspende sowie die Reform des Transplantationsgesetzes. Ziel ist eine Verbesserung der Spendebereitschaft. Ein gesundheitspolitisches Nischenthema rückt auf in die erste Liga der Parlamentsdebatte. Weil es sich eignet für Pathos und für Symbole. Weil es rührselige Geschichten erzählt von todkranken Kindern, die plötzlich wieder ausgelassen über grüne Wiesen tollen können – dank des Herzens eines altruistisch Verstorbenen, und natürlich dank lebenslänglicher Immunsuppressiva (die zu erwähnen an einem solchen Tag sicher als ketzerisch geahndet würde). Und weil es den Politikern ermöglicht, sich als Menschen zu profilieren. Wer wollte da nicht mitmachen?

Bild: Wolfgang Borrs
Heike Haarhoff

ist Gesundheitsredakteurin der taz und befürwortet explizit die Organspende als Therapiemittel. Ihren Spenderausweis füllt sie umgehend aus, sobald sicher ist, dass die Organvergabe unabhängig kontrolliert wird.

Ohne öffentliche Anhörung

So eilig hat es die große Mehrheit der Abgeordneten, ihre Gesetze zu verabschieden, dass sie sogar auf eine öffentliche Anhörung verzichten will. Das ist nicht nur ein Affront gegen die Demokratie und unüblich, insbesondere bei sensiblen, emotional besetzten bioethischen Themen. Sondern konkret ist der bewusste Verzicht vor allem: grob fahrlässiges politisches Handeln. Zu Lasten der dringend auf eine Spenderleber oder -niere wartenden Menschen, denen die Politiker vorgeben helfen zu wollen.

Eigene Organe spenden zu wollen, damit andere besser oder länger leben können, ist eine selbstlose und uneigennützige, damit aber auch fragile Entscheidung. Nur der Anschein von Unregelmäßigkeiten kann sie ins Wanken bringen. Sie setzt Vertrauen voraus in die Institutionen, die diese Organe akquirieren, entnehmen und verteilen. Sie verlangt die Gewissheit, dass diese Institutionen transparent agieren. Und sie gründet auf der Annahme, dass diese Institutionen demokratisch legitimiert sind und von Unabhängigen kontrolliert werden.

Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) genügt keinem dieser Parameter. Das ist misslich, denn die DSO ist der zentrale Akteur der Organspenden: Sie koordiniert die Vorbereitung, Abläufe und Durchführung aller postmortalen Spenden. Seit Monaten steht die Stiftung in der Kritik; einer ihrer beiden Vorstände ist mittlerweile zurückgetreten, es ging um Vetternwirtschaft und das Verprassen von Krankenkassengeldern. Der andere Vorstand, dem weder der Respekt vor Mitarbeitern noch vor medizinethischen Grundsätzen am Herzen zu liegen scheint, soll noch ein paar Monate weitermachen dürfen, bis er ohnehin altersbedingt ausscheidet.

Doch das Problem ist nicht personell, sondern strukturell. Hiervor verschließt das Parlament die Augen – in der Hoffnung, winkt man jetzt die Gesetze rasch durch, dann werde schon Ruhe einkehren in der Öffentlichkeit. Nicht nur bei der DSO, sondern auch bei der Frage, wieso das Parlament überhaupt erst Rahmenbedingungen geschaffen hat, die solche Strukturen hervorbringen: weswegen also eine staatliche Aufgabe einer privaten Organisation überantwortet wurde. Und warum jetzt, wo Gelegenheit wäre zur Reform, nichts passiert. Ruhe? Steigerung der Spenderzahlen? Das Gegenteil steht zu befürchten.

Stiftung ohne Legitimation

Die DSO leidet unter einem massiven Kontrolldefizit: Als privatrechtliche Stiftung entzieht sie sich der staatlichen Aufsicht und Regulierung. Die Besetzung ihres obersten Kontrollgremiums, des Stiftungsrats, ist ebenso willkürlich wie wenig demokratisch legitimiert wie die Stiftung selbst: Die obersten Kontrolleure über die Organakquise sind ausgerechnet führende Köpfe der Deutschen Transplantationsgesellschaft, einer medizinischen Fachgesellschaft, die ein maximales Interesse an den Organen hat. Denn diese sichern das ökonomische Überleben ihrer Chirurgen ab. Kontrollieren aber kann nur, wer unabhängig ist und nicht profitiert. Solange sich hieran nichts ändert, bleibt die DSO ein System, das sich unweigerlich selbst reproduziert. Es sei denn, ein Akteur von außen schritte ein. Dieser Akteur kann nur der Gesetzgeber sein.

Doch das Parlament schweigt. Es drückt sich vor der Frage, wie denn zu verfahren sei mit dem knappen Spenderaufkommen. Weil jede Entscheidung über die Kriterien hierzu immer auch eine Entscheidung über Leben und Tod ist. Über Jahre wurde diese Frage feige auf die Stiftung abgewälzt. Sich selbst angreifbar zu machen, das waren 12.000 potenzielle Wählerstimmen auf der Organwarteliste den Politikern dann doch nicht wert. Das rächt sich nun.

Anstatt wenigstens den Rechtsstatus der Koordinierungsstelle zu verändern, um sie besser kontrollierbar zu machen, anstatt ihren Auftrag öffentlich auszuschreiben, wie es bei jedem schnöden Verkehrsprojekt üblich ist, bleibt das Parlament erneut untätig. Schlimmer noch: Es will die Macht der DSO zementieren. Sie wird künftig explizit Bestandteil des Gesetzes und erhält mehr Kompetenzen. So soll sie Richtlinien erlassen dürfen, wie in Kliniken mit Organspendern zu verfahren ist und unter welchen Bedingungen Entnahmen stattfinden. Dinge, die bisher der Bundesärztekammer vorbehalten waren und eigentlich Sache des Gesetzgebers wären. Das stärkt das Monopol der DSO und erhöht die Wahrscheinlichkeit weiterer Intransparenz und Verfehlungen.

Dies wird dazu führen, dass die Organspenderrate weiter sinkt. Schuld daran ist aber nicht einzig die Stiftung, sondern auch ein Parlament, das aus Angst vor Konflikten bei der Entscheidung über Leben und Tod nicht den Mumm hatte, sich seiner Verantwortung zu stellen.

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Heike Haarhoff
Redakteurin im Inlands- und im Rechercheressort
Heike Haarhoff beschäftigt sich mit Gesundheitspolitik und Medizinthemen. Nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in einem Kinderheim bei Paris ab 1989 Studium der Journalistik und Politikwissenschaften an den Universitäten Dortmund und Marseille, Volontariat beim Hellweger Anzeiger in Unna. Praktika bei dpa, AFP, Westfälische Rundschau, Neue Rhein Zeitung, Lyon Figaro, Radio Monte Carlo, Midi Libre. Bei der taz ab 1995 Redakteurin für Stadtentwicklung in Hamburg, 1998 Landeskorrespondentin für Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und von 1999 bis 2010 politische Reporterin. Rechercheaufenthalte in Chile (IJP) und den USA (John McCloy Fellowship), als Stipendiatin der Fazit-Stiftung neun Monate Schülerin der Fondation Journalistes en Europe (Paris). Ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis der Bundesarchitektenkammer (2001), dem Frans-Vink-Preis für Journalismus in Europa (2002) und dem Wächterpreis der deutschen Tagespresse (2013). Derzeit Teilnehmerin am Journalistenkolleg "Tauchgänge in die Wissenschaft" der Robert Bosch Stiftung und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
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6 Kommentare

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  • E
    Eulenspiegel

    Mehr Privatisierung, mehr Korruption!Seitdem alles privatisiert, wird die Welt mehrend schlechter. Öffentliche Institutionen tragen sich nicht, also wird privatisiert. Und warum tragen die sich jetzt? Weil kriminelle Energie dahinter steckt. Logisch, oder?

  • I
    ion

    @ Maxim Sander (30.05.2012 / 19:22),

     

    wußt´ ich `s doch(!), ein:

    fossiler Polit-Loddel at work:

    "Die juristische Aufarbeitung des Organhandels hat begonnen. Die Staatsanwaltschaft Berlin ist mit der Sache befaßt."

     

    lol

  • MS
    Maxim Sander

    @ ion:

     

    Das Kritteln ist des Spiessers Wahn

    Der Mut fängt erst bei Krankheit an

     

    Mut: Machen Sie doch selbst eine Strafanzeige, von wegen (Ihre Worte:) "seit Jahren kriminell".

  • I
    ion

    @ egal (25.05.2012 09:49),

    ich kann Ihrer engagiert-substantiierten Kritik an Frau Haarhoffs´ inzwischen seit Monaten währenden "Pro-Organspende-Elegien" (und: Pro-Implantat-etc.-KundInnen-Interessensvertretung) nur beipflichten und sah zuvor selbst wiederholt Anlass, ihren tendenziösen, zuweilen absurden, volksverblödenden aber wohl mainstreamigen Statements vehement zu widersprechen – insofern: Danke für Ihren Leserkommentar;

    Und doch: beim aktuellen Artikel scheint Frau Haarhoff zumindest versucht zu haben, über ihren Schatten zu springen – Folge der Leserkommentare?

    Meiner Meinung nach ist die Vorgehensweise der Bundesregierung (Judikative) zu diesem Themenkomplex seit Jahren kriminell.

     

    @ Maxim Sander (24.05.2012 22:38),

    Wer sind denn "wir" in der von Ihnen verlinkten Strafanzeige(?) und wann wurde die beim ausgewiesenen Adressaten eingereicht(?); Sind Sie so etwas wie ein Öffentlichkeitsarbeiter der/des: 'Patientenfront / Sozialistisches Patientenkollektiv (H)' ?

  • E
    egal

    Ich kann über die Positionierung der Organspende-Problematik bei der taz nur noch lachen. Die ewigen Pro-Organspende-Elegien von Frau Haarhoff mit "Debatte" zu überschreiben, entbehrt nicht einer gewissen amüsanten Qualität. Für eine echte Debatte müssten jedoch auch im redaktionellen (und nicht nur im Leserkommentarbereich) mal andere Meinungen zugelassen werden, denn Frau Haarhoffs Mono-Debatte bringt natürlich keinen weiter.

     

    Die Vertreter einer differenzierteren Meinung könnten dann auf die tatsächliche Problematik hinweisen:

     

    1. Das Problem ist der Organspende-Prozess in sich, nicht irgendwelche Verbandsquerelen bei der DSO oder Mauscheleien im Parlament.

     

    2. Der Hirntod ist nicht der Tod.

     

    3. Die "Spender" sind nicht tot, sie sind Sterbende, die immer noch Wahrnehmungen haben. Wären sie tot, könnte man ihre Organe nicht mehr verwenden.

     

    4. Der Organspende-Hype funktioniert nur deshalb in den westlichen Ländern jetzt schon viel zu gut, weil die Menschen den Tod und das Sterben verdrängen und deswegen über den eigentlichen Sterbeprozess komplett uninformiert sind. Wären sie sich der Tatsache bewusst, wie "bewusst" ihre Seele bei der Organspende noch ist, würden sie diesem ungeheuren Ansinnen nicht im Traum zustimmen. Würde man der Realität entsprechend fragen: "Sind Sie damit einverstanden, dass wir Ihnen bei lebendigem Leib die Organe herausnehmen?", würde wohl kaum jemand einwilligen.

     

    5. Die perfide Manipulation mit dem Leiden der "wartenden" Organempfänger muss klar als Manipulation herausgearbeitet und kenntlich gemacht werden. Krankheit kann und sollte als Aufgabe gesehen werden, die das Leben an einen stellt. Die Aufgabe kann dann auch darin bestehen, die verbleibende Zeit sinnvoll zugestalten, anstatt darauf zu warten, dass ein anderer Mensch sich als Ersatzteillager zur Verfügung stellt. Die Anmaßung und das Anspruchsdenken, die dieser "wartenden" Position zugrundeliegen, müssen herausgearbeitet werden und ein eine echte Debatte einfließen.

     

    6. Die wahren Profiteure des Organverschiebens ist die Pharmaindustrie und die Ärzteschaft. NICHT die "wartenden" Organempfänger. Diese bleiben nämlich ihr Leben lang Patienten, da sie ohne medizinische und medikamentöse Versorgung die Organspende gar nicht überleben. Je mehr Organspenden, desto mehr Dauerpatienten für die Produzenten der Medikamente, die das Überleben mit dem Spenderorgan überhaupt möglich machen.

     

    Es ist schon peinlich für die taz, dass diese Aspekte stets nur von Lesern im Kommentarbereich angesprochen werden. FALLS die selbstdebattierende Frau Haarhoff mal nicht darum herumkommt, diese anzusprechen, werden sie sofort mithilfe des Argumentationsleitfadens der DSO abserviert:

     

    Wer noch nicht unserer Meinung ist, ist nur zu dumm und ungebildet.

     

    Die taz kann ich bei diesem Thema wirklich nicht mehr ernst nehmen.

  • MS
    Maxim Sander

    Die juristische Aufarbeitung des Organhandels hat begonnen. Die Staatsanwaltschaft Berlin ist mit der Sache befaßt. - Bundesärztekammer und Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) sind die Manager und Marketingstrategen des Organhandels. Unter dem Vorwand "Hirntod" werden Patienten getötet. Das "Hirntodkonzept" ist ein ärztliches TÖTUNGS-Konzept. Das Mordmerkmal "Habgier" ist erfüllt. Der organisatorische Zusammenschluß und der gemeinsame Wille zur Begehung der Morde erfüllen den Straftatbestand der kriminellen Vereinigung. - Hier der Text der Strafanzeige: http://spkpfh.de/Strafanzeige_wegen_Mordes_gegen_Bundesaerztekammer_und_DSO.htm