Debatte Mord in Dubai: Eine Leiche im Hotel
Der Missbrauch europäischer Pässe im Mordfall in Dubai macht klar: Europa muss sich stärker im israelisch-palästinensischen Konflikt engagieren.
S ofern der Mord in Dubai tatsächlich vom israelischen Auslandsgeheimdienst Mossad begangen wurde, wäre er nur ein weiteres Symptom des politisch nicht lösbaren Konflikts zwischen der gegenwärtigen israelischen Regierung und der palästinensischen Hamas. Da mag der unentwegte Friedenskämpfer Uri Avnery noch so oft darauf hinweisen, dass man nicht mit Freunden, sondern mit Feinden verhandeln müsse. Indes: Es gibt Freund-Feind-Konstellationen, die das nicht zulassen.
Im Konflikt zwischen der gegenwärtigen Regierung Israels und der Hamas-Bewegung liegt das daran, dass beide Parteien dasselbe wollen: die ausschließliche Kontrolle über das ganze Territorium sowohl der Westjordanlands als auch Israels. Das ist nicht nur der Charta der Hamas zu entnehmen, sondern auch der israelischen Siedlungspolitik. Kürzlich hat Israels rechte Regierung zudem zwei auf palästinensischem Autonomiegebiet gelegene, von orthodoxen Juden verehrte Gräber von Erzmüttern und -vätern völkerrechtswidrig dem nationalen Kulturerbe zugeschlagen und mit Unterstützung des Verteidigungsministeriums in Ariel, einer Hochburg fundamentalistischer Siedler, ein unbedeutendes College zu einer Universität erklärt - ein Vorgang, der auf schärfsten Protest der bestehenden israelischen Universitäten gestoßen ist.
Die gegenwärtige, von einer Mehrheit der jüdischen Israelis gewählte Regierung Israels hält unbeirrt und unausgesprochen an der Absicht fest, das ganze Westjordanland zu annektieren. Die Hamas hofft umgekehrt darauf, mithilfe der Hisbollah und des Iran den Staat Israel eines Tages zu vernichten, um dessen Territorium dem "Haus des Islam" zuschlagen zu können. In antagonistischen Konflikten wie diesen gelten weder das bürgerliche noch das Völkerrecht, sondern schlicht unverhandelbare Selbstbehauptungsmaximen, die im Extremfall den Tod des Feindes anstreben müssen. Die israelische Gesellschaft ist gleichwohl, verwirrend genug, eine offene, pluralistische Demokratie, weshalb die dortige Öffentlichkeit, Presse und Fernsehen die ganze Angelegenheit in einer Offenheit und Schärfe verhandeln, die auch hierzulande ihresgleichen sucht.
Die Reaktion der EU auf den Mord in Dubai ist hilflos. Dabei sollten die Europäer verstanden haben, dass sich Israel seit seiner Gründung zu derartigen Vorgängen grundsätzlich nicht äußert, so wenig wie zu eigenen Nuklearwaffen. Daher ist von noch so vielen Gesprächen mit dem israelischen Außenminister nichts zu erhoffen. Sollte wirklich Interesse an einer Aufklärung der Affäre bestehen und daran, deutlich zu machen, dass diese Form einer letalen Politik nicht hinnehmbar ist, werden blasse Andeutungen von Protest so wenig genügen wie das vermeintlich das Gesicht wahrende Übertragen der Strafverfolgung auf die Kölner Staatsanwaltschaft.
Tatsache ist: Durch die Benutzung eines deutschen Passes bei dem Mordanschlag in Dubai sind Ansehen und Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland aufs Schwerste gefährdet worden. Die Bundesregierung wird erklären müssen, ob sie die Souveränität Deutschlands gemäß ihrem Amtseid auch in diesem Fall wahren will. Dann aber darf sie die Aufklärung nicht an untergeordneter Stelle - in Köln - belassen. Sie muss vielmehr die Generalbundesanwältin anweisen, den Fall an sich zu ziehen, eine Sonderkommission zu bilden und vorbehaltlos in alle Richtungen - auch in Richtung von Hamas und Fatah - zu ermitteln. Die Bundesanwaltschaft käme auch nicht umhin, Hinweisen aus Israel, die in der deutschen Presse wiedergegeben wurden, nachzugehen und sie strafrechtlich zu bewerten: So sollen sich Präsident Peres und Verteidigungsminister Barak auf der privaten Geburtstagsfeier eines israelischen Regierungsmitglieds bei angeschalteten Mikrofonen darüber gestritten haben, ob die Tötung des Hamasfunktionärs in Dubai nun als "Mord" oder "nur" als "Liquidation" zu bezeichnen sei.
ist Publizist und Professor an der Universität in Frankfurt am Main.
In jedem Fall wären die EU und ihre Regierungen gut beraten, den Missbrauch ihrer Pässe bei dem Mord in Dubai als Anlass zu nutzen, europäische Interessen im Nahen Osten wieder stärker wahrzunehmen. Der Nahe Osten liegt vor der Haustür der EU, und es entspricht weder den Interessen der EU noch Deutschlands, auf Jahrzehnte hinaus im Westjordanland eine Situation zu dulden, die, ohne damit identisch zu sein, am ehesten mit dem südafrikanischen Apartheidregime zu vergleichen ist.
Vor allem aber sollten sich die EU-Außenpolitiker endlich eingestehen, dass die schöne Forderung nach einer "Zweistaatenlösung" nur noch Makulatur sein wird, wenn dort so weitergesiedelt wird wie bisher. Gefordert ist ein Abschied von Illusionen. Keine "Realpolitik", die oft genug für opportunistische Kompromisse steht, sondern die Rückkehr des Realitätsprinzips - also die ungetrübte Wahrnehmung dessen, was der Fall ist.
Genaues Hinsehen: darauf kommt es nicht nur im Fall des Hotelmords von Dubai an, sondern auch im Blick auf die Siedlungspolitik im ganzen Westjordanland und in Ostjerusalem. Mittel und Wege zur spürbaren Beeinflussung der israelischen Politik gibt es durchaus: Das Europäische Parlament müsste nur ernsthaft das mit Israel geschlossene Assoziationsabkommen überprüfen. Das jüngste Urteil des EU-Gerichtshofs, wonach das Westjordanland von israelischen Firmen produzierte Waren nicht mehr zollbegünstigt einführen darf, weist den richtigen Weg. Was aber die Hamas und die Hisbollah betrifft, so sind ihre in Staaten der EU wirkenden Ideologen und Aktivisten unter verstärkten Beobachtungs- und Strafverfolgungsdruck zu setzen. Dem Hamas-Regime in Gaza wiederum ist unmissverständlich mitzuteilen, dass es ohne eine Änderung seiner antisemitischen Charta künftig weder Gesprächspartner noch Adressat irgendwelcher Unterstützung sein kann.
Ob der noch ungeklärte Mord von Dubai der Beginn einer politischen Trendwende oder nur der Anfang einer weiteren Spirale der Gewalt ist, liegt jetzt auch in den Händen der europäischen Regierungen. Noch ist zu bezweifeln, dass sie dieser Verantwortung gerecht werden.
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