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Debatte Klimaschutz der „dreckigen Drei“Beginnt das Saubermachen?

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Die USA, China und die EU akzeptieren endlich ihre Klimaverantwortung. Die Zahlen mögen enttäuschen, das Signal ist dennoch bedeutend.

Chinas CO2-Peak ist planmäßig noch lange nicht erreicht: Kohlekraftwerk nahe Peking Bild: reuters

V iele atmen jetzt auf. Nach der EU haben sich nun endlich auch die beiden Verschmutzungsgroßmächte, die USA und China, dazu durchgerungen, das drängende Problem des Klimawandels anzuerkennen, anzupacken und ihre Führungsrollen zu akzeptieren. Mit jahrelanger Verspätung tun sie, was der Rest der Welt von ihnen schon lange fordert: Verantwortung übernehmen. Rechtzeitig vor der UN-Konferenz in Lima in zwei Wochen ist damit der Weg frei für echte Verhandlungen.

Wer bei dem Deal von Barack Obama und Xi Jinping nur auf die Zahlen schaut, wird sich trotzdem enttäuscht abwenden. Die USA versprechen, ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2025 um etwa 27 Prozent gegenüber 2005 zu verringern. Nicht schlecht für die notorischen Energieverschwender, aber nur halb so ambitioniert wie das Ziel der EU. Und China hat eigentlich nur versprochen, was es schon immer sagt: Bis 2030 sollen die Emissionen aus dem Reich der Mitte ihren Höhepunkt erreichen. Alle wissen, dass dieser „Peak“ früher kommen kann und muss.

Man sollte diese Zahlen nicht überbewerten. Sie sind Mindestgebote im Poker bis Paris, wo in einem Jahr die Entscheidung fallen soll. Wichtig ist das politische Signal: Zum ersten Mal in der Geschichte haben die drei großen Emissionsblöcke der Welt, die zusammen die Hälfte aller Treibhausgase ausmachen, verbindliche Zahlen und Daten auf den Tisch gelegt.

Die Welt hat sich verändert, seit an der amerikanisch-chinesischen Blockade 2009 der Kopenhagen-Gipfel scheiterte. Der Klimaschutz hat fünf Jahre verloren, die uns noch bitter leidtun werden: Die Emissionen sind gestiegen, Milliarden sind in die falsche Infrastruktur geflossen. Und auch die jetzigen Ziele reichen für echten Klimaschutz bei Weitem nicht aus. Sie bringen uns bis 2100 in eine Welt, die bei 4 Grad Erwärmung das Leben unserer Kinder überall auf dem Globus massiv erschweren wird. Die großen Worte aus Peking, Washington und Brüssel sind also im besten Fall der Einstieg in den Ausstieg aus dem alten Energiesystem.

Die Schlacht wird auf der Straße entschieden

Gleichzeitig wird die Schlacht gegen den Kohlenstoff nicht auf den Klimakonferenzen, sondern auf der Straße entschieden. Denn US-Präsident Obama wird eine aggressive amerikanische Umweltbewegung im Rücken brauchen, um gegen die mächtige Koalition aus Republikanern und Ölkonzernen zu bestehen. Auch die neue EU-Kommission muss erst durch direkten Druck in Brüssel und über die Mitgliedstaaten dazu gebracht werden, im täglichen Nahkampf nicht gegenüber den Kohlebaronen einzuknicken. Und in China entscheiden der Smog und das Ausmaß des Protests in den großen Städten darüber, wie schnell der KP beim Klimaschutz der Atem ausgeht.

taz.am Wochenende

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Zusätzlich braucht es den ökonomischen Druck. Wer den Zukunftsmarkt „saubere Energie“ besetzt, hat im 21. Jahrhundert die Nase vorn: In Europa müssen sich endlich die Firmen und Branchen, die von einem funktionierenden Emissionshandel profitieren, offen gegen die Bremser stellen, mit denen sie in den gleichen Handelskammern sitzen. In den USA muss sich die Wirtschaft klar darüber werden, dass eine Reindustrialisierung nicht mehr auf billigen fossilen Energien, sondern nur auf den Techniken der Zukunft gründen kann.

Und in China wird entscheidend sein, wie schnell das Land den Sprung vom dreckigen Kohleland zum relativ sauberen Dienstleister vollziehen kann. Die Regierung wird dafür alle technische Hilfe brauchen, die sie kriegen kann. Sie wird sie bekommen, wenn sie das geistige Eigentum ausländischer Investoren besser schützt, die mit ihren Innovationen für ein deutlich grüneres Wachstum sorgen können.

Wenn dieser Druck zusammenkommt, können die Vorschläge der drei großen Verschmutzer das gegenseitige Vertrauen stärken und der Beginn eines großen Saubermachens sein.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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2 Kommentare

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  • Ohne Verlagerung des Verkehrs von der Straße auf die Schiene wird das nichts.

    • @DD:

      Da gilt es aber 2 Probleme zu berücksichtigen:

       

      1.Eine Auto-und Individualverkehrslobby, die sich das Geschäft nicht verderben lassen will.

       

      2. Ein Hang zum Individualismus, der es schwer macht, andere Menschen "auszuhalten", z.B. im gemeinsamen Zugabteil. Im Auto fährt jeder für sich alleine, das müssen sich die Menschen eben wieder abgewöhnen und wieder lernen, mit anderen Menschen, die faktisch fremd sind, in einem gemeinsamen Raum klar zu kommen.