Debatte Katar-Krise: Macht und Unterwerfung
Um Terror geht es bei der Isolierung des Emirats nur am Rande. Saudi-Arabien will mehr Einfluss, ebenso die Türkei. Ein riskantes Spiel.
D er Abbruch diplomatischer Beziehungen zum Emirat Katar könnte für Saudi-Arabien und seinen Verbündeten zum Bumerang werden und für die ganze Region unabsehbare Konsequenzen haben. Begründet wurde die drastische Maßnahme mit der Unterstützung, die Katar terroristischen Organisationen gewährt. Doch in Wirklichkeit geht es um viel mehr. Katar, obwohl Mitglied des Golfkooperationsrats, verfolgt eine mehr oder weniger unabhängige Politik und versucht, sich dem Diktat Saudi-Arabiens zu entziehen. Während Saudi-Arabien die Muslimbrüder als Gegner betrachtet, pflegte Katar zu ihnen eine freundschaftliche Beziehung.
In Palästina unterstützt Katar die mit Saudi-Arabien verfeindete Hamas, auch auf den Kriegsschauplätzen in Syrien, Libyen und Jemen konkurrieren der saudische Riese und der Zwergstaat Katar miteinander. Doch weitaus wichtiger als all dies sind die guten Beziehungen, die Katar zum saudischen Erzfeind Iran pflegt.
Das Fass zum Überlaufen brachte der Emir von Katar, als er Iran als eine regionale Großmacht bezeichnete, die die Stabilität der Region garantiere, was allerdings nach wenigen Stunden dementiert wurde.
Der Plan Saudi-Arabiens, eine Front arabischer Staaten gegen den Iran zu bilden, schien zunächst glatt aufzugehen. „Wir haben Gott und den Völkern der ganzen Welt gegenüber die Pflicht, gemeinsam gegen teuflische Kräfte und gegen Extremismus vorzugehen“, rief König Salman vor einer Versammlung islamischer Staaten in Riad in Anwesenheit des US-Präsidenten Donald Trump. Speerspitze des Terrorismus und Extremismus sei der Iran.
Trump wertet die Saudis auf
Saudi-Arabien war der erste Staat, den Trump auf seiner ersten Auslandsreise besuchte. Dieser großen aufwertenden Geste folgten Worte des Präsidenten, die an Eindeutigkeit der Position gegen Iran und zugunsten Saudi-Arabiens an nichts fehlen ließen. „Iran hat das Feuer der Spaltung (in der Region) geschürt. (… ) Alle müssen helfen, das iranische Regime zu isolieren“, sagte Trump. Ein Waffendeal in Höhe von 110 Milliarden Dollar sollte die Entschlossenheit der Allianz demonstrieren.
Unterstützung kam auch aus Israel. Verteidigungsminister Avigdor Lieberman schlug in einem Welt-Interview ein Bündnis mit den arabischen Staaten gegen Iran vor. Ähnlich wie die Nato, sagte er. Die größte Gefahr für die arabische Welt sei nicht Israel, sondern Iran.
Nun drohte Katar aus der Reihe der Mitglieder des Golfkooperationsrats herauszutanzen. Das musste mit aller Macht verhindert werden, um der Gefahr eines Zerbröckelns der arabischen Front gegen Iran vorzubeugen. Denn auch Kuwait und Oman halten sich weitgehend bei Attacken gegen Iran zurück. Omans Beziehungen zu Teheran sind sehr gut. Das Sultanat spielte sogar im Atomkonflikt zwischen Washington und Teheran eine wichtige Vermittlerrolle.
Neue Machtkonstellationen
Die nahezu totale Isolierung Katars durch den Abbruch diplomatischer Beziehungen sollte das kleine Land zur Raison bringen. Ob Katar sich diesem Druck beugen und sich wieder der Anti-Iran-Front anschließen wird, ist noch offen. Wenn nicht, könnte die Maßnahme nicht nur für Saudi-Arabien weitreichende Folgen haben, sondern auch zu neuen Machtkonstellationen in der Region führen.
Katar ist zwar ein sunnitisches Land, aber das wäre kein Hindernis für eine größere Annäherung an Iran. Zwischen den beiden Staaten bestehen bereits starke Verbindungen. Sie gehören weltweit zu den größten Gasproduzenten, betreiben gemeinsame Gasfelder, es gibt zwischen Iran und Katar einen regen Warenverkehr, auch ein Kooperations- und Sicherheitsabkommen.
Teheran hat zwar zu dem Konflikt Katars mit den arabischen Staaten sein Bedauern geäußert, dem hochgradig vom Import abhängigen Land aber sofort Versorgung mit Lebensmitteln und sonstige Hilfen angeboten. Sollte Katar tatsächlich, wie sein Außenminister Mohammad bin Abdulrahman al-Thani bekräftigte, standhaft bleiben und seine eigenständige Politik fortsetzen, wäre Iran um einen Bündnispartner reicher.
Bemerkenswert ist, dass auch Kuwait und Oman bislang nicht dem Schritt der Saudis gegen Katar gefolgt sind. Das könnte sogar zur Spaltung des Golfkooperationsrats führen, der nach der iranischen Revolution gegründet wurde, um mögliche Einflussnahme Irans auf die Staaten der Region zu verhindern.
Ankara konkurriert mit Riad
Aber Iran ist nicht das einzige Land, das sich um die Gunst Katars bemüht. Auch die Türkei eilte zur Hilfe. Das türkische Parlament beschloss, seinen Militärstützpunkt in Katar erheblich zu erweitern. Die Zahl der Soldaten soll von 80 auf 3.000 erhöht werden.
Zwar hat die Türkei auch enge Beziehungen zu Saudi-Arabien, diese sind jedoch nicht frei von Konflikten. Ankara hat während des „arabischen Frühlings“ genauso wie Katar die Muslimbrüder in Ägypten unterstützt und hoffte in der neu entstandenen Lage als islamisches Land die Rolle einer Regionalmacht spielen zu können. Dabei sollten die gelungenen Reformen in Richtung Demokratie den islamischen Ländern als Vorbild dienen, was allerdings gründlich scheiterte.
Der Versuch Saudi-Arabiens, mit Unterstützung der USA und möglicherweise Israels eine Front gegen Iran zu bilden und somit als eine regionale Großmacht seinen Einfluss zu steigern, wird nicht nur in Teheran als eine Drohung registriert, sondern auch in Ankara. Möglicherweise wird die Türkei, die sich von Europa entfernt, versuchen, durch weitere Annäherung an Iran und Russland den Gefahren aus den arabischen Staaten vorzubeugen. Dafür spricht auch der überraschende Besuch des iranischen Außenministers Mohammad Dschawad Sarif in Ankara.
Zwar vertreten Moskau und Teheran einerseits und die Türkei andererseits in Syrien gegensätzliche Positionen. Das hinderte sie aber nicht daran, gemeinsam Pläne für einen Waffenstillstand und Gründung von Schutzzonen zu entwerfen. Ein Bündnis zwischen den drei Staaten, das auch Irak, die libanesische Hisbollah, die Huthis in Jemen und die Muslimbrüder einschließen könnte, würde die gesamte Machtkonstellation im Nahen Osten verändern.
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